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Statt sich eigene Atomwaffen anzuschaffen, müsse Deutschland und die EU laut Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) unter anderem enger mit Großbritannien kooperieren, das bereits Kernwaffen wie dieses Atom-U-Boot besitzt. Bildrechte: picture alliance/dpa/EUROPA PRESS | Nono Rico

Nukleare AbschreckungWarum Atomwaffen die konventionelle Aufrüstung nicht ersetzen würden

22. Februar 2024, 10:34 Uhr

Seit einer Äußerung von Donald Trump hat die Debatte über nukleare Abschreckung wieder an Fahrt gewonnen. Der US-Präsidentschaftsbewerber hatte gesagt, er würde Nato-Partnern mit zu geringen Militärausgaben nicht beistehen, falls Russland sie angreift. MDR AKTUELL-Hörer Peter Jährling aus Gera fragt sich, ob es nicht viel effektiver wäre, auf Atomwaffen zu setzen, um Russland abzuschrecken, anstatt immer mehr Geld in die allgemeine Aufrüstung zu stecken und Waffen in die Ukraine zu liefern.

  • Weil sich Russland nur von einer Drohung mit Atomwaffen allein nicht abschrecken ließe, muss Deutschland auch weiterhin Geld in die konventionelle Aufrüstung stecken.
  • Gegen deutsche Atomwaffen spricht auch, dass der Atomwaffensperrvertrag unter anderem den Erwerb solcher Waffen verbietet.
  • Trumps Drohung hat eine politische Debatte darüber ausgelöst, ob Deutschland oder die EU eigene Atomwaffen anschaffen sollte oder nicht.

Liviu Horovitz arbeitet als sicherheitspolitischer Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Einer seiner Schwerpunkte ist nukleare Bedrohung und Abschreckung. Von seiner Forschungsarbeit weiß er: Atomwaffen sind keine Alleskönner.

Atomwaffen allein schrecken Russland nicht ab

"Wenn unser Ziel ist, dass die Ukraine Gebiete von Russland zurückerobert, damit Kiew dann in eine aussichtsreichere Verhandlungsposition kommt, dann helfen Atomwaffen wenig. Nehmen wir an, wir hätten solche Waffen und würden damit drohen, sie einzusetzen, wenn Russland sich beispielsweise nicht aus der Ukraine zurückzieht, dann würde Moskau antworten, dass sie die gleichen Mittel benutzen würden – und zwar gegen uns."

Anders formuliert: Waffenlieferungen in die Ukraine bleiben aus seiner Sicht sinnvoll. Nur von einer Drohung mit Atomwaffen allein ließe sich Russland nicht abschrecken. Denn Russland kann ja ebenfalls damit drohen, nukleare Waffen einzusetzen. Aus demselben Grund müsse Deutschland auch weiterhin Geld in seine eigene konventionelle Rüstung stecken, sagt der Experte: "Sollte Russland die Nato konventionell angreifen, dann sind wir auch relativ wenig glaubwürdig, wenn wir dann direkt mit Atomwaffen drohen. Wir sind viel glaubwürdiger, wenn wir sagen, wir können dagegen halten. Wir können diese Option verneinen, indem wir im konventionellen Krieg diese Kräfte besiegen."

Atomwaffensperrvertrag müsste gekündigt werden

Und dann gibt es auch Hürden dafür, dass sich Deutschland Atomwaffen anschafft, sagt Horovitz weiter. Unter anderem ist da der Atomwaffensperrvertrag, den die Bundesrepublik 1975 ratifiziert hat. Den könnte sie zwar kündigen, aber ist das politisch gewollt?

Nein, sagt Henning Otte. Der CDU-Politiker ist stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag: "Wir sollten jetzt nicht spekulieren, ob man im Rahmen einer Eskalation mit immer höheren Waffen eine Antwort geben kann. Deswegen halten wir diese Debatte jetzt nicht für angemessen." Otte zufolge ist es allerdings nach wie vor geboten, die Ukraine weiter zu unterstützen.

Politische Debatte über nukleare Aufrüstung nach Trumps Drohung

Auch sein Kollege aus der SPD-Fraktion, Wolfgang Hellmich, ist gegen eigene Atomwaffen. Der verteidigungspolitische Sprecher zweifelt auch an der Glaubwürdigkeit von Trumps Aussagen. Er verweist auf das vereinbarte Nato-Ziel, dass jedes Mitglied zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgibt: "Wir sind jetzt für dieses Jahr 20 Staaten im Nato-Bündnis der 31, die zwei Prozent überschreiten. Allein die Nato-Staaten im europäischen Raum insgesamt überschreiten die zwei Prozent." Hellmich sieht in Trumps Drohung lediglich eine Wahlkampfaussage.

Andere Politikerinnen und Politiker zeigten sich dagegen offen für eine Diskussion über Atomwaffen. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl Katarina Barley etwa hatte laut über eigene Atomwaffen für die EU nachgedacht. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner hält eine Debatte darüber für sinnvoll. Es müsse mehr Kooperation mit den beiden Atommächten Großbritannien und Frankreich geben, forderte der FDP-Chef.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 22. Februar 2024 | 06:21 Uhr