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Seit Monaten versucht ein U-Ausschuss des Bundestags Licht ins Dunkel der Wirecard-Geschäfte zu bringen. Bildrechte: imago images / Passion2Press

Finanzbetrug im großen StilDer fragwürdige Umgang mit Wirecard

10. März 2021, 16:00 Uhr

Viele Fragen zu den Wirecard-Bilanzen waren seit Jahren bekannt. Nachgegangen wurde ihnen aber offensichtlich nicht. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Wirecard-Skandal offenbart neue Details und bestätigt einen fragwürdigen Umgang mit dem Unternehmen bei diversen Playern in der Finanzbranche.

von Wolfgang Brinkschulte, MDR-Wirtschaftsexperte

Der Platz ist eine Riesenbaustelle. Der Platz ist der Finanzplatz Deutschland, und die Baustelle heißt Wirecard. Politische Aufräumarbeit. Noch tagt der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, und der fördert pikante Details hervor um die spektakuläre Pleite des einstigen DAX-Vorzeigeunternehmens. Am Mittwoch haben die Oppositionsfraktionen von Grünen, Linken und FDP eine Zwischenbilanz gezogen, kritisch. Kein Wunder, einige Details haben es in sich. Wie weitgehend Konsequenzen sein werden, scheint offen.

Belastende Hinweise

Scheingeschäfte, fragwürdige Kredite und viele offene Fragen. Die öffentlich gestellten haben staatliche Behörden offenbar schon vor Jahren nicht dazu veranlasst, nachhaltig zu prüfen. Dabei sind einige Stellen mit der Nase darauf gestoßen worden. Nicht allein durch die Veröffentlichungen der "Financial Times" und seines Starreporters David McCrum, wie sich im Untersuchungsausschuss herausgestellt hat. Eine junge Mitarbeiterin der Deutschen Bundesbank hat schon 2016 die richtigen Fragen gestellt. Und aufgeschrieben in einem Vermerk.

Was hat es mit den immateriellen Vermögenswerten von 650 Millionen Euro auf sich in der Bilanz, was mit den unterschiedlichen Angaben in den Berichten von Wirecard aus Geschäften in Singapur und Deutschland und den Millionenzahlungen vor Unternehmenskäufen?

Offensichtliche Versäumnisse

Haarsträubende Details im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, die ein ehemaliges Vorstandsmitglied von Wirecard offenbart. Da sind sogenannte strategische Kredite, gezielt vergebene Darlehen an Schlüsselpersonen oder Partnerfirmen. Offenbar ein Teil der Summen, die nie auffindbar waren. 

Erste Konsequenzen gibt es. Der Bafin-Chef entlassen, der Deutschland-Chef von EY, der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, gefeuert. Doch bleiben Fragen offen.

Milliardenbeträge, in der Bilanz von Wirecard nicht auffindbar. Mit jeder Sitzung des Bundestagsuntersuchungsausschusses werden mehr Einzelheiten zu Tage gefördert, über die Versäumnisse in Politik, Finanzaufsicht und Bilanzprüfung.

In den zehn Jahren vor der Pleite erwarb Wirecard Firmen für 1,2 Milliarden Euro. Ein Grund sei der enorme Liquiditätsverzehr der letzten Jahre gewesen. Das mag man gern glauben. Wenn von Luxusurlauben auf einsamen Inseln und Hubschrauberflügen zu Champagnerpartys berichtet wird. Stoff aus einschlägigen Boulevardkrimis.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue. Die Wirecard-Manager Markus Braun und Jan Marsalek haben die Affäre zu verantworten. Einer sitzt, der andere ist verschwunden. Auf der Flucht, offenbar gut eingebunden in ein Netz aus Geheimdienstkontakten. Die Folgen nicht absehbar.

Viele Ungereimtheiten

Und die gibt es. Denn die Pleite von Wirecard hat auch in der Bilanz der Commerzbank Spuren hinterlassen. Als großer Einzelfall taucht der größte Bilanzskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte dort auf, mit einem möglichen Ausfall von 187 Millionen Euro. Im Schulterschluss mit anderen Institutionen gehörte die Commerzbank zu den großen Geldgebern von Wirecard.

Noch wenige Monate vor der Pleite zog Wirecard die Linie fast komplett. Dabei hatte die Commerzbank ab 2019 eigentlich wachsende Bedenken, wie der Risikovorstand Mitte Januar im Untersuchungsausschuss berichtete, vor allem wegen Geldwäscherisiken.

Zu viel Berufsbeamtentum

Welchen Schluss zog man daraus? Eine der Fragen, auf die noch eine Antwort wartet. Es habe Verpflichtungen gegeben, und Wirecard sei immerhin noch ein DAX-Unternehmen gewesen, das ausgezeichnete Aussichten gehabt habe und testierte Jahresabschlüsse eines Wirtschaftsprüfers.

Ein britischer Finanzanalyst, der früh auf die Ungereimtheiten in der Bilanz des vermeintlichen deutschen Börsenstars hingewiesen hatte, brachte es auf den Punkt: in der deutschen Finanzaufsicht gebe es zu viel Berufsbeamtentum. Das deckt sich mit der Kritik, die heute von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses geäußert wurde.

So viel lässt sich sagen, in der Affäre fehlte es vor allem an Engagement und Aufklärungswillen. Fragen standen genug im Raum, auch für die politischen Akteure. Proaktive Untersuchungen wären möglich gewesen. Die Baustelle muss nicht nur weiter geräumt, der Untergrund muss trockengelegt werden.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 26. Februar 2021 | 10:00 Uhr

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