Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Der Weg zum Professor oder Professorin besteht aus vielen unsicheren Arbeitsverträgen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Geplante ReformWissenschaftler halten Gesetzentwurf zu Zeitverträgen an Unis für unzureichend

28. März 2024, 05:00 Uhr

Der Weg zur Promotion oder der Professur ist mit zahlreichen unsicheren Arbeitsverträgen gepflastert. Viele Beschäftigte aus dem Akademischen Mittelbau kehren den Unis vorzeitig den Rücken. Zwar will die Ampel nachbessern, doch auch die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes stößt auf wenig Begeisterung bei den Betroffenen.

Zum Anstoßen oder Feiern ist Ulrich Brose nicht zumute. Der Professor ist Sprecher des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig. Die Gesetzesnovelle sei ein Eigentor, sagt Brose.

Er befürchtet einen massiven Talentabwanderung: "Wir bilden hier hervorragende Leute aus, die eine hervorragende Doktorandenzeit genießen. Dann noch eine Zeit mit der Post-Doktorandenzeit in die Qualifizierung gehen und die durch Gesetze wie dieses und die Verschärfung jetzt gezwungen werden, wenn sie ihre Karriere weiter gehen wollen, das im Ausland zu machen." So verschiebe man hervorragende Leute durch ein Gesetzesdiktat an ausländische Universitäten.

Brose spricht diese Neuerung an: Statt wie bisher auf sechs Jahre, sollen Verträge für sogenannte Postdoc-Stellen nach dem neuen Gesetz auf maximal vier Jahre befristet werden dürfen. Weitere zwei Jahre sollen nur noch mit verbindlicher Zusage für eine unbefristete Stelle zulässig sein. Eine Postdoc-Stelle treten Wissenschaftler mit einem Doktortitel an.

Viele Studierende haben keine Lust zu promovieren

Für Mathias Kuhnt ist der Gesetzesentwurf eine maximale Enttäuschung. Kuhnt ist Sprecher der sächsischen Landesvertretung Akademischer Mittelbau. Das Gesetz korrigiere ein bisschen herum, sagt er. Planbare Karrierewege würden so nicht geschaffen: "Wir drehen an einer kleinen Schraube mit der Befristung für die Postdoc-Phase. Es wird aber nicht dazu führen, dass die Hochschulen über ihre Personalstruktur nachdenken werden. Sie werden einfach so weitermachen, wie bisher. Man befristet so lange wie es geht, und dann wirft man die Leute entweder raus. Oder man versucht über andere Möglichkeiten noch weiter zu befristen."

Die Hochschulen müssten sich grundsätzlich Gedanken machen, wen sie behalten wollten und wen nicht. Das sieht auch Sebastian Kubon so. Der Historiker hat den Hashtag #IchBinHannah mit ins Leben gerufen, unter dem Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in sozialen Netzwerken auf ihre prekäre Beschäftigungssituation aufmerksam machen.

Laut Kubon ist das Problem, dass es keine Bestenauslese gibt: "Viele sagen schon während des Studiums, dass sie sich so was Bescheuertes nicht antun. Das heißt, wir haben dadurch eine Verbliebenen-Auslese, die da sind, weil sie sich das System leisten können und nicht unbedingt, weil sie die Besten sind."

Zuspruch von Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Willingmann

Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Armin Willingmann von der SPD hält – zumindest bei der Befristung von Promotions- und Postdoc-Stellen – dagegen: "Ich halte es für völlig richtig, dass diese Stellen zeitlich befristet sind. Man hat dafür eine begrenzte Zeit, in der man seinen akademischen Grad erwirbt, seine akademischen Meriten und schaut, ob das der richtige Beruf ist." Es gebe keinen Grund diese Stellen dauerhaft einzurichten.

Danach müsse die nächste Generation eine Chance bekommen, schließlich stehe man in einem internationalen Wettbewerb um wissenschaftlichen Nachwuchs, betont Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister.

Nach dem Kabinettsbeschluss muss das Gesetz noch durch Bundestag und Bundesrat. Die Betroffenen hoffen nun auf Nachbesserungen durch die Abgeordneten.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 28. März 2024 | 06:06 Uhr