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In unserer Reihe "Gesagt, getan?" fragen wir nach dem Erfolg der Politik von Union und SPD in zurückliegenden Legislaturperiode. Diesmal: Gleichberechtigung für queere Menschen? Bildrechte: MDR/imago images/Seeliger

Koalitionsvertrag im Check | Teil 9Queere Politik: Wenig vorgenommen, noch weniger umgesetzt

01. September 2021, 16:53 Uhr

Schaut man in den Koalitionsvertrag der Großen Koalition wird deutlich: Queere Menschen standen nicht unbedingt im Fokus der Politik der vergangenen vier Jahre. Homo- und Transfeindlichkeit wollte man aber immerhin eindämmen. Und ein bisschen ist tatsächlich auch passiert. Allerdings geht das nicht unbedingt aufs Konto der Regierung.

von Carolin Voigt, MDR AKTUELL

Worum geht es?

In Deutschland ordnen sich einer repräsentativen Befragung von 2016 zufolge 7,4 Prozent der Menschen dem LGBTTIQ*-Spektrum zu. Dazu gehören Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle, Trangender, queere Menschen und alle, die sich keiner dieser Kategorien zugehörig fühlen. Ende 2019 gab es mehr als 70.000 gleichgeschlechtliche Ehen in Deutschland. Die Zahlen zeigen: Es gibt in unserem Land nicht wenige Menschen, die abseits der heteronormativen Kleinfamilie leben.

Doch queere Menschen haben es in Deutschland mitunter schwer, ein angstfreies und selbstbestimmtes Leben zu führen. Wer sich als Transperson einen anderen Vornamen geben möchte oder eine Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen will, muss sich langwierigen psychiatrischen Gutachterverfahren unterziehen. Schwule Männer dürfen nach aktuellem Stand nur Blut spenden, wenn sie mindestens ein Jahr lang keinen sexuellen Kontakt zu einem Mann gehabt haben. Das könnte sich zwar bald ändern. Es liegt allerdings keineswegs an einem Umdenken, sondern daran, dass während der Corona-Pandemie die Blutkonserven knapp geworden sind.

QueerQueer ist ein Sammelbegriff für Personen, deren geschlechtliche Identität und/oder sexuelle Orientierung nicht der zweigeschlechtlichen Norm entspricht.

"Queer fungiert in der Queer Theorie nicht als Identitätsbegriff, sondern verweist u. a. auf Praktiken und gesellschaftliche Positionen, die zweigeschlechtliche und heterosexuelle Normen in Frage stellen. Dennoch wird er in der Praxis oft als identitätsbasierte Selbstbezeichnung verwendet."(Bundeszentrale für politische Bildung, LSBTIQ-Lexikon)

Hass, Belästigung, Gewalt gegenüber Homo- und Transsexuellen

Genau wie Frauen werden LGBTTIQ* häufig Opfer von Hass und Belästigung im Netz und sind einer hohen Gewaltgefährdung ausgesetzt, wie die Szene seit Jahren beklagt. Homo- und Transfeindlichkeit wird in den Kriminalstatistiken der Länder jedoch nicht einheitlich erfasst. In Berlin, wo es schon seit den 1990er-Jahren einen speziellen Ansprechpartner für homo- und transfeindliche Gewalttaten bei der Polizei gibt, liegen viele Daten vor. Eine soziologische Untersuchung im Auftrag des Justizsenators ergab, dass Homo- und Transfeindlichkeit gesellschaftlich verankert sind und kein exklusives Phänomen des sogenannten politischen Extremismus. In fast 70 Prozent der Fälle seien die Täter Fremde und in fast allen Fällen (91 Prozent) Männer.

Ein ähnliches Bild zeichnet die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion vom Januar. Demnach "gab es im Jahr 2019 mindestens 564 politisch motivierte Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung, darunter 147 Gewalttaten" – ein Anstieg von mehr als 60 bzw. 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Neben Hass und Gewalt hat die queere Community aber auch mit alltäglicher Diskriminierung zu tun. Bekommt etwa ein verheiratetes lesbisches Paar ein Kind, ist die Zweitmutter nicht automatisch auch juristisch Elternteil des Kindes – sie muss das Kind adoptieren. Eine Anti-Diskriminierungs-Bestimmung für "sexuelle Identität" fehlt im Grundgesetz. Dort steht in Artikel 3 nur, dass niemand wegen seines Geschlechtes diskriminiert werden darf. Die Bestimmungen des Transsexuellengesetzes von 1981 wurden vom Bundesverfassungsgericht wiederholt als verfassungswidrig eingestuft. Betroffene und Verbände kritisieren die Bestimmungen des Gesetzes zu Namens- und Geschlechtsanpassung als bevormundend und menschenverachtend.

Anti-Diskriminierung und geschlechtsangleichende OPs

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD geht im Wesentlichen an nur zwei Stellen auf queere Menschen in Deutschland ein. Die erste Einlassung findet sich im Abschnitt "Familien und Kinder im Mittelpunkt" und lautet so:

Alle Menschen sollen unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben können – mit gleichen Rechten und Pflichten. Homosexuellen- und Transfeindlichkeit verurteilen wir und wirken jeder Diskriminierung entgegen. (...). Wir werden gesetzlich klarstellen, dass geschlechtsangleichende medizinische Eingriffe an Kindern nur in unaufschiebbaren Fällen und zur Abwendung von Lebensgefahr zulässig sind.

(Zeile 793-99, KoaV)

Abgesehen von den geschlechtsangleichenden Operationen an intergeschlechtlichen Kindern, die der Gesetzgeber inzwischen verboten hat, ist diese Passage des Koalitionsvertrags wenig konkret. Das kritisiert auch René Mertens vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD). Konkret habe wenig zu Queerpolitik im Koalitionsvertrag gestanden, was schon ein Eingangsfehler gewesen sei. "Es ist nicht viel passiert, vor allem nicht proaktiv vonseiten der Bundesregierung", sagt Mertens weiter. Die Gesetze, die entstanden sind, seien vor allem durch Lobbyarbeit von queeren Vereinen und der Zivilgesellschaft entstanden. Dass gewisse Themen nicht angegangen seien, habe an einer Blockadehaltung von CDU und CSU gelegen.

Entschädigungen für homosexuelle Soldaten und Soldatinnen

Positiv bewertet der LSVD zwei Regelungen, die nicht im Koalitionsvertrag vereinbart waren, aber trotzdem umgesetzt wurden: das Verbot von Konversionstherapien und die Rehabilitierung und Entschädigung homosexueller Soldaten und Soldatinnen. Bei den Konversiontherapien handelte es sich um Angebote aus einem meist christlich-fundamentalistischen Spektrum, die Schwule und Lesben in Heterosexuelle "umwandeln" wollten. Homo-, Bi- oder Transsexualität werden von diesem Organisationen als Krankheit einstuften. In der Bundeswehr wurden Homosexuelle jahrzehntelang diskriminiert und konnten etwa keine Führungsgrade erlangen.

Von einer künftigen Regierung wünscht sich der LSVD nach den Worten von Mertens vor allem einen nationalen Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit, Anpassungen beim Familien- und Abstammungsrecht und eine Reform des Transsexuellengesetzes, das die geschlechtliche Selbstbestimmung in den Mittelpunkt stelle.

Reform des Transsexuellengesetzes gerade gescheitert

Eine Reform des Transsexuellengesetzes ist erst kürzlich im Bundestag gescheitert. Der Gesetzentwurf von Justizministerin Christine Lambrecht fiel durch. Gesetzentwürfe von Grünen und FDP fanden keine Mehrheit – auch, weil die SPD aus Gründen der Koalitionstreue trotz inhaltlicher Überschneidungen nicht dafür stimmte.

Der Sprecher für Queerpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven Lehmann, bezeichnet die letzte Bundesregierung in einem schriftlichen Statement für MDR AKTUELL als "queerpolitischen Totalausfall". Was seit der Öffnung der Ehe passiert sei, "ist entweder von Gerichten erzwungen oder von Petitionen angestoßen worden". Den Schutz vor Diskriminierung möchte Lehmann gern im Grundgesetz verankert sehen. "Lesbische Mütter müssen im Abstammungsrecht gleichgestellt werden, und die Diskriminierung schwuler und bisexueller Männer sowie transgeschlechtlicher Menschen bei der Blutspende muss endlich beendet werden", fordert Lehmann. Außerdem wünscht er sich, wie auch der LSVD, "einen nationalen Aktionsplan für Vielfalt und gegen Homo- und Transfeindlichkeit". Es gebe noch viel zu tun.

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

Die zweite Bestimmung, die auf Queerpolitik eingeht, findet sich recht weit hinten im Koalitionsvertrag unter der Überschrift "Gleichberechtigung und Vielfalt":

Die Arbeit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ist für die Förderung der Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Deutschland unverzichtbar. Wir wollen die Bundesstiftung daher weiterhin über eine institutionelle Förderung in ihrer Aufgabenwahrnehmung absichern.

(Zeile 6275-6278, KoaV)

Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gibt es seit 2011. Seit 2017 bekommt sie eine Förderung aus dem Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Im Jahr 2020 waren Mittel in Höhe von bis zu 705.000 Euro eingestellt. Das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wurde also eingehalten.

Die Stiftung erinnert an den Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld und soll Bildungs- und Forschungsprojekte zu LGBTTIQ* realisieren und so deren Diskriminierung entgegen wirken. Auf Anfrage von MDR AKTUELL wollte sich der scheidende Direktor der Stiftung, Jörg Litwinschuh-Barthel, nicht zur politischen Bilanz der Großen Koalition äußern. Litwinschuh-Barthel ist der Gründungsdirektor der Stiftung. Seine Stelle wurde neu ausgeschrieben. Medienberichten zufolge geht das auf eine persönliche Intervention von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht zurück. Aus dem Ministerium hieß es dazu sinngemäß, nach zwei Amtszeiten von Litwinschuh-Barthel sei es Zeit für frischen Wind. Insider gehen davon aus, dass künftig eine Frau die Stiftung leiten soll.

Fazit: Viel Luft nach oben

Was sich die GroKo in Sachen Queerpolitik ins Programm geschrieben hatte, war mehr als dünn. "Frei und sicher" können queere Menschen in Deutschland nicht wirklich leben. Homo- und Transfeindlichkeit ziehen sich durch Gesellschaft und Institutionen. Hier gibt es noch viel Arbeit für künftige Bundesregierungen.

Allgemein

Die "Vereinbarkeit von Familie und Beruf", eine "Baby-Begrüßungsgeld" oder das Wechselmodell für geschiedene Eltern? Lesen Sie hier, mit welchen Ideen CDU/CSU, SPD, AfD, FDP, Linke und die Grünen punkten wollen.

CDU/CSU

Familienleistungen sollen automatisiert und digital aus einer Hand kommen, Sozialbeiträge für Geringverdiener nicht steigen, die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden und perspektivisch auch der Steuerfreibetrag für Alleinerziehende auf 5.000 Euro steigen. Ebenso "perspektivisch" könnten Familien mit dem vollen Grundfreibetrag für Kinder und dem Einstieg in ein "Kindersplitting" gefördert werden. Das Ehegattensplitting soll aber bleiben. Das Rentenalter soll nicht weiter als bis 67 Jahre steigen, das Rentensystem jedoch nachhaltiger werden. Vorgestellt wird etwa die Idee einer "Generationenrente", in die der Staat monatlich einen Betrag pro Kind einzahlen könnte. Auch will die Union eine Altersvorsorgepflicht für alle Selbständigen, die nicht anders abgesichert sind. Die betriebliche Altersvorsorge soll so gestärkt werden, dass mehr Menschen sie nutzen. Der von der CSU geforderte Ausbau der Mütterrente steht nicht im Programm, weil die CDU das für unfinanzierbar hält. Soziale Sicherheit soll Armut verhindern und ein Leben in Würde ermöglichen. Das "Prinzip des Forderns und Förderns" will die Union erhalten. Mit ihr werde es kein bedingungsloses Grundeinkommen geben. Sie setzt auf eine Offensive zur Aus- und Weiterbildung. Für Menschen mit Behinderungen will die Union eine barrierefreie Umwelt. Ziel sei zudem ein "inklusiver erster Arbeitsmarkt" und stärkeres betriebliches Eingliederungsmanagement.

SPD

Die SPD will den Sozialstaat stärken. Sie plant Verbesserungen beim Elterngeld, eine dauerhafte Verdoppelung der Kinderkrankentage auf 20 Tage pro Elternteil sowie eine neue Familienpflegezeit mit bis zu 15 Monaten Lohnersatz bei Pflege eines Angehörigen. Eine Kindergrundsicherung soll die bisherigen Leistungen wie Kindergeld und Kinderfreibetrag ersetzen. Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen steuerlich bessergestellt werden. Arbeitslosengeld soll für langjährige Einzahler länger als heute gezahlt werden. Ein Bürgergeld soll die Hartz-IV-Grundsicherung ersetzen, die Höhe ist offen. In den ersten zwei Jahren des Bezugs sollen Vermögen und der Wohnungsgröße nicht überprüft werden. Selbstständige, Beamte und Abgeordnete sollen in die gesetzliche Rente einbezogen und das Rentenniveau soll bei mindestens 48 Prozent stabilisiert werden. Den Staatsdienern wird zugesichert, "das Gesamtniveau ihrer Alterssicherung" zu erhalten. Daneben soll die betriebliche Altersversorgung ausgeweitet werden. Das Konzept Riester-Rente wird aufgegeben, stattdessen mehr auf klassische private Angebote der Altersvorsorge gesetzt. Die SPD plant ein neues standardisiertes öffentliches Angebot nach dem Vorbild Schwedens. Untere und mittlere Einkommensgruppen sollen Zuschüsse bekommen.

AfD

Die AfD definiert Familie als Vater, Mutter und Kinder. Sie will sich für eine "geburtenfördernde Familienpolitik" einsetzen. Die Partei will ein steuerliches Familiensplitting einführen, die vollständige steuerliche Absetzung von kinderbezogenen Ausgaben und die Absenkung der Mehrwertsteuer für Artikel des Kinderbedarfs auf den reduzierten Satz. Die AfD will zudem einen finanziellen Ausgleich für Eltern für die Rentenbeiträge von 20.000 Euro je Kind schaffen. Die AfD möchte damit auch Trennungen von Eltern vermeiden, da aus ihrer Sicht finanzieller Druck "oft zu instabilen Ehen und Trennungen" führen. Im Fall von Trennungen soll der Vater mehr einbezogen werden, "da die Mehrheit der Trennungskinder bei den Müttern aufwächst". Die Partei spricht sich gegen Schwangerschaftsabbrüche aus und will die Hürden dafür erhöhen. Die AfD fordert, Kinder in Kitas und Schulen noch nicht mit gewissen politischen und gesellschaftlichen Themen in Kontakt kommen zu lassen und nennt als Beispiel die Klimapolitik, Gleichstellungsbestrebungen und eine diverse Sexualaufklärung – Themen, denen die Partei kritisch oder ablehnend gegenübersteht. Die Partei will den Zugang für EU-Ausländer zum deutschen Sozialsystem beschränken. So sollen nur noch jene die Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten, die für einen Job nach Deutschland gekommen sind und diesen bereits "für einen angemessenen Zeitraum" ausgeübt haben. Generell will die AfD Sozialleistungen nur noch auf inländische Konten überweisen.

FDP

Die Höhe der Sozialausgaben soll grundsätzlich bei 50 Prozent des Bundeshaushalts gedeckelt werden. Zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie will die FDP Betriebskindergärten steuerlich fördern, einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung garantieren und Betreuungskosten steuerlich abzugsfähig machen. Die FDP fordert nach der Geburt eines Kindes einen "Partnerschutz" analog zum Mutterschutz für zehn Arbeitstage oder halbtägig für 20 Tage. Alleinerziehende können eine andere Person benennen, etwa Familienangehörige. Die FDP plant ein sogenanntes Kinderchancengeld. Es besteht aus einem Grundbetrag, Flexibetrag und nichtmateriellen Angeboten. Beim Elterngeld Plus soll der Rechtsanspruch um drei Partnermonate auf eine Gesamtbezugsdauer von 15 Monaten verlängert werden, auch für Alleinerziehende. Familien und Alleinerziehende will die FDP steuerlich entlasten. Am Splittingverfahren für Ehe- und eingetragene Lebenspartnerschaften hält sie fest. Steuerfinanzierte Sozialleistungen wie das ALG II, die Grundsicherung im Alter, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder das Wohngeld sollen gebündelt werden. Das Einkommen von Jugendlichen aus ALG-II-Familien soll bis zur Höhe eines Minijobs gar nicht angerechnet werden. Die FDP will mit einem Modell "Vier Mal 1.000 Euro" Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik verbinden: bis zu 1.000 Euro beim sogenannten Midlife-BAföG, 1.000 Euro steuerlicher Freibetrag für arbeitgeberfinanzierte Weiterbildungen, 1.000 Euro Steuerfreibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligung, ein Startbonus von 1.000 Euro in der gesetzlichen Aktienrente, der mit jedem neu geborene Kind steigt sowie 1.000 Euro Sparer-Pauschbetrag. Die FDP will eine Doppelbesteuerung von Renten verhindern und die Beweislastumkehr zugunsten der Steuerpflichtigen einführen. In der Grundsicherung soll das Schonvermögen steigen, insbesondere das Altersvorsorge-Vermögen, die selbst genutzte Immobilie und das für die Erwerbstätigkeit benötigte angemessene Kraftfahrzeug.

DIE LINKE

Die Linke lehnt Kürzungen im Sozialbereich ab. Um Familie und Beruf besser zu vereinbaren, will die Linke das Elterngeld auf 12 Monate pro Elternteil (24 Monate für Alleinerziehende) verlängern und auf mindestens 400 Euro erhöhen. Der Anspruch soll bis zum siebten Lebensjahr des Kindes verlängert werden und nicht länger auf Sozialleistungen angerechnet werden. Die Linke fordert einen besonderen Kündigungsschutz für Eltern mit kleinen Kindern. Kinderkrankentage sollen verlängert werden und auch für Beschäftigte in Mini- und Midi-Jobs, Soloselbständige und Freiberufler gelten. Für alle Beschäftigten soll es ein Recht auf vorübergehende Arbeitszeitverkürzung geben. Außerdem braucht es der Linken zufolge einen Rechtsanspruch auf familiengerechte Arbeitszeiten – für alle, die Verantwortung in Erziehung und Pflege übernehmen. Die Linkspartei lehnt das Ehegattensplitting ab und setzt sich für geschlechtergerechte Steuermodelle ein. Die Linke will Kinderrechte im Grundgesetz verankern und Jugendämter mit mehr Personal ausstatten. Das Kindergeld soll auf 328 Euro monatlich erhöht werden. Außerdem will die Partei eine Kindergrundsicherung aufbauen, um Kinder- und Jugendarmut zu bekämpfen. Hartz IV soll nach dem Willen der Linkspartei abgeschafft werden. Die Partei setzt sich stattdessen ein für ein sanktionsfreies Mindesteinkommen von 1.200 Euro. Auch im Alter soll der Partei zufolge durch eine solidarische Mindestrente niemand weniger als 1.200 Euro im Monat zur Verfügung haben. Zudem will die Linke die Doppelbesteuerung der Renten abschaffen. Die Linke lehnt die Rente mit 67 ab. Der Renteneintritt soll spätestens wieder mit 65 Jahren ohne Abschläge möglich sein. Wer 40 Jahre lang Beiträge gezahlt hat, soll nach Vorstellung der Linken bereits ab 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Die Partei möchte das gesetzliche Rentenniveau außerdem bei 53 Prozent festschreiben. Die Linkspartei will, dass in Zukunft auch Abgeordnete, Freiberufliche, Selbständige, Unternehmer und Beamte nach dem Vorbild Österreichs in die gesetzliche Rente einzahlen. Die Linke setzt sich dafür ein, dass das Ost-Rentenniveau auf Westniveau steigt. Die Umrechnung der Ostgehälter bei der Rente soll erhalten bleiben, solange Lohnunterschiede zwischen Ost und West bestehen. Ausbildungszeiten sollen stärker bei der Rente anerkannt werden. Die Partei will auch Zeiten der Erwerbslosigkeit, der Kindererziehung und der Pflege stärker berücksichtigen. Die Linkspartei will kommunale Angebote gegen soziale Isolation und Einsamkeit im Alter und gemeinschaftliche Begegnungsorte fördern.

GRÜNE

Kinder und Familie nehmen einen relativ großen Anteil des Wahlprogramms ein. Im Zentrum stehen dabei die Kinderrechte, die die Grünen gern im Grundgesetz sehen würden, und Grundsicherungskonzepte, die die bestehenden Sozialleistungen ablösen sollen. Mit der "Kindergrundsicherung" streben die Grünen eine Zusammenlegung von Kindergeld, Kinderzuschlag, Sozialgeld und von Bedarfen für Bildung und Teilhabe an. Je geringer das Familieneinkommen ist, desto höher soll die Kindergrundsicherung ausfallen. Mit der "KinderZeit Plus" wollen die Grünen die Elternzeit auf 24 Monate ausweiten. Außerdem soll sie bis zum 14. Lebensjahr genommen werden können. Für den zweiten Elternteil will die Partei zusätzlich eine 14-Tage-Freistellung nach der Geburt eines Kindes. Das Kinderkrankengeld soll auf 15 Tage im Jahr pro Kind und Elternteil angehoben werden – bei Alleinerziehenden analog 30 Tage. Alle Schulkinder aus Hartz-IV-Familien (oder bei Kinderzuschlags-Bezug) sollen Laptops oder Tablets gestellt bekommen. Mit dem "Pakt für das Zusammenleben" nach französischem Vorbild sollen zwei Menschen auch ohne Ehe Verantwortung füreinander übernehmen können. Soziale Eltern sollen durch die Weiterentwicklung des sogenannten Kleinen Sorgerechts besser gestellt werden: Auf Antrag beim Jugendamt soll die elterliche Mitverantwortung auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden können. Mit einer Reform des Abstammungsrechts wollen die Grünen dafür sorgen, dass lesbische Mütter automatisch als rechtlicher zweiter Elternteil gelten – auch ohne Adoptionsverfahren. Eine Kostenerstattung für künstliche Befruchtung soll es nach dem Willen der Partei auch für nicht-verheiratete und lesbische Paare sowie alleinstehende Frauen geben. Bisher ist sie verheirateten Paaren vorbehalten. Hartz IV wollen die Grünen abschaffen und durch eine "Grundsicherung" ersetzen. Dabei sollen die Leistungen schrittweise angehoben und individualisiert werden. Die Anrechnung von Erwerbsarbeit soll attraktiver gestaltet werden. Das Rentenniveau soll bei 48 Prozent stabilisiert werden, die Rente mit 67 beibehalten. Die bereits eingeführte Grundrente soll "repariert" und zu einer "Garantierente" weiterentwickelt werden. An die Stelle der Riester-Rente soll ein öffentlich verwalteter Bürgerfonds treten. Alle Arbeitgeber sollen eine betriebliche Altersvorsorge anbieten.

Quelle: MDR