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Handwerk unter DruckWie fünf Bäcker die Krise spüren

17. November 2022, 10:15 Uhr

Ohne Ofen kein Brot, keine Brötchen, kein Gebäck: Steigende Energiepreise machen dem Bäckerhandwerk in Sachsen-Anhalt zu schaffen. Die Betriebe fordern Entlastungen von der Politik. Und Energie ist nicht das einzige Problem der Branche, wie fünf Bäcker bei MDR SACHSEN-ANHALT erzählen.

Deutschlandweit haben Bäckermeister die Politik zum Handeln aufgerufen. Sie fürchten in der Energiekrise eine Pleitewelle und fordern, bei Strompreisen deutlich entlastet zu werden. Am Mittwoch wurde ein Forderungspapier im Wirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt übergeben.

Im Kern geht es darum, dass die kleinen und mittleren Bäckereibetriebe so behandelt werden wie die Industrie, die beim Strompreis mit günstigeren Konditionen entlastet wird. "Wir brauchen eine verbindliche Aussage zur Gleichbehandlung", sagte Bäcker Lutz Pfeiffer aus Haldensleben. Außerdem brauche es eine Härtefallregelung für Betriebe, die keine Altverträge mehr hätten und die Energiekosten schon jetzt nicht mehr tragen könnten. Viele Betriebe hätten die sechs- bis siebenfachen Energiekosten zu schultern. Einige Bäcker hätten bereits ihren Betrieb schließen müssen.

Hintergrund: Unterschiedliche Preisbremsen für Mittelstand und GroßindustrieLaut Plänen des Bundes sollen Industriebetriebe mit der geplanten Strompreisbremse ab Januar einen Netto-Preis von 13 Cent pro Kilowattstunde Strom zahlen. Die Preisdeckelung soll für 70 Prozent des Verbrauchs in 2021 gelten. Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen hingegen sollen nach dem Willen von Bund und Ländern ein subventioniertes Grundkontingent von 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs erhalten. Der Preis je Kilowattstunde wird mit 40 Cent brutto veranschlagt.

Auch bei der Gaspreisbremse gibt es unterschiedliche Modelle. Für bis zu 25.000 große industrielle Gasverbraucher ist ab Januar 2023 ein Preisdeckel von 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs vorgesehen. Die Preisbremse für Verbraucher und den Mittelstand hingegen soll ab März 2023 in Kraft treten. Hier ist ein Preisdeckel von 80 Prozent vorgesehen bei 12 Cent pro Kilowattstunde. Es wird angestrebt, die Preisbremse rückwirkend schon ab Februar gelten zu lassen. Bereits vom Bundesrat beschlossen ist, dass Gas- und Fernwärmekunden im Dezember die Abschlagszahlung für einen Monat erlassen bekommen.

Außerdem sorgen sich die Bäcker um weitere Kosten: Höhere Zinsen bei Banken, Lohnerhöhungen und auch um die Folgen der Inflation, die die Preise treibe und Kunden zum Sparen zwinge.


MDR SACHSEN-ANHALT hat fünf Bäcker aus dem Raum Börde und Salzlandkreis gefragt:

Denni Nitzschke aus Calvörde:

Die Kunden kaufen weniger und bewusster ein. Früher vier, fünf Brötchen 'auf Verdacht', jetzt nur noch zwei. Auch im Kuchenbereich: Statt ein Stück jeden Tag nehmen die Kunden jetzt häufig nur noch Kuchen fürs Wochenende. Wir haben die Preise auch angezogen. Bis zu drei Euro beim Baumkuchen. Wir müssen auch unsere Rechnungen zahlen.

Michael Schwarz aus Biere:

Die Kunden sind sparsamer geworden. Wir haben die Preise erhöhen müssen und fahren im besten Fall noch die Umsätze vom letzten Jahr, allerdings bei viel höheren Kosten. In diesem Jahr hatten wir noch keinen Monat mit schwarzen Zahlen. Auch die Banken halten sich zurück. Man kommt viel schwerer an Kredite und Finanzierungen. Und die Zinsen sind auch gestiegen.

Lutz Pfeiffer aus Haldensleben:

Die Zinsen steigen. Investitionen sind fast nicht mehr möglich, weil man keine Finanzierung oder keine Kredite mehr kriegt, in den Größenordnungen, die man haben muss, weil die Banken natürlich sehr zurückhaltend sind. Und bei der Energie gibt's eine Lücke: Wenn man beschließt, ab März eine Deckelung zu geben: Was ist mit den drei Monaten, die kommen? Sollen wir die voll bezahlen? Bei mir im Betrieb wären das Mehrkosten von 180.000 Euro.

Andreas Nisar aus Haldensleben:

Wenn keine zusätzliche Hilfe kommt, schaffen es vielleicht 50 Prozent der Betriebe. Die Zukunft unseres Handwerks sieht so aus, dass viele schließen werden. Es gibt nicht nur das Energie- und Lohnproblem. Sondern auch das Nachwuchsproblem. So wie es aussieht, möchte keiner mehr im Handwerk arbeiten.

Hubertus Nitzschke aus Berenbrock:

Wir hatten im Altkreis Haldensleben um 1990 noch 36 Bäckereien, heute sind es noch fünf. Die kleinen Handwerksmühlen leben auch von den Bäckern in der Region. Wenn es denen schlecht geht, kommt das auch bei uns an. Die Entwicklung ist ein bisschen dramatisch. Das schlimmste ist die Unsicherheit. Neben den extrem gestiegenen Energiepreisen haben sich auch die Getreidepreise verdoppelt. Das müssen wir auch weitergeben. Wir befürchten katastrophale Umsatzeinbrüche.

MDR (Max Hensch, André Plaul)

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Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. November 2022 | 06:30 Uhr

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