Modernes ArbeitenCo-Working-Spaces: "Sachsen-Anhalt ist ein Reallabor von Vielfältigkeit"
Den Arbeitsort flexibel selber wählen – Co-Working-Spaces machen es möglich. Sie locken auch gestresste Großstädter auf das flache Land. Damit sind sie eine Chance für kleinere Gemeinde, ist Berater Tobias Kremkau überzeugt.
- Sachsen-Anhalt hat eine vielfältige Co-Working-Szene mit unterschiedlichen Organisationsformen.
- Gerade für kleinere Orte sind Co-Working-Spaces eine Chance, ihre Attraktivität zu steigern.
- Noch sei das Potential für Co-Working-Spaces in Sachsen-Anhalt nicht ausgeschöpft, ist sich Experte Tobias Kremkau sicher.
Sachsen-Anhalt: ein "Reallabor für Co-Working", so nennt es Tobias Kremkau. "Alles, was ich in Europa und weltweit an Entwicklung in Sachen Co-Working sehe, passiert auch in Sachsen-Anhalt." Kremkau muss es wissen, er ist Experte für Co-Working. Der gebürtige Magdeburger arbeitet bei "CoWorkLand", einer Genossenschaft, die Gründer und Betreiber von Co-Working-Spaces unterstützt und vernetzt.
Was ist ein Co-Working-Space?In Co-Working-Spaces können Einzelpersonen, Teams oder ganze Firmen Schreibtische oder Büroräume anmieten. Weitere Einnahmequellen der Co-Working-Spaces sind Events oder die Vermietung von Meetingräumen.
Die Einrichtungen durften trotz der Pandemie in Betrieb bleiben, allerdings unter Einhaltung der Hygienevorschriften. Schließlich waren die Spaces oft auch Firmensitze kleiner Unternehmen.
In Sachsen-Anhalt ist Co-Working-Szene besonders vielfältig. Im Land gebe es rund 30 Co-Working-Spaces, erzählt Kremkau im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. "Das ist wesentlich mehr als in Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern." Natürlich sei die Zahl nicht mit Berlin oder Brandenburg vergleichbar, stellt Kremkau klar. "Brandenburg profitiert einfach auch von dem Pendeldrang nach Berlin."
Co-Working ist längst kein Stadtphänomen
Natürlich gebe es die meisten Spaces in den großen Städten des Landes. "In Halle gibt es einen Co-Working-Space, der von der Größe und der Zielgruppe genau so in Berlin Mitte stehen könnte", erzählt Kremkau.
Inzwischen sind Co-Working-Spaces aber kein ausschließliches Stadtphänomen mehr. Kürzlich hat die Gemeinde Hohe Börde in Nordgermersleben, einem Dorf mit rund 700 Einwohnern, einen kommunalen Co-Working-Space gegründet.
Damit soll den Einwohnern ein Angebot gemacht werden, um wohnortnah zu arbeiten. So können die Menschen auch tagsüber in der Region bleiben und müssen nicht immer nach Magdeburg reinpendeln.
Tobias Kremkau | Co-Working-Berater
Auch in Salzwedel hat der Landkreis einen Co-Working-Space gegründet.
Eine bunte Co-Working-Landschaft
Was auffällt, sind die unterschiedlichen Organisationsformen von Co-Working-Spaces. Kremkau spricht von einer "bunten Co-Working-Szene" in Sachsen-Anhalt. Neben den Gründungen durch Kreise oder Gemeinden gibt es auch verschiedene private Gründungen. In Güsen im Landkreis Jerichower Land habe ein Verein einen Co-Working-Space gegründet. Daneben würden auch Einzelpersonen Spaces gründen, wie beispielsweise in Wernigerode das "Wohnzimmer", erzählt Kremkau.
Auch Kirchen gründen inzwischen Co-Working-Spaces. In Deutschland gibt es noch nicht einmal zehn Stück. Und der einzige in Ostdeutschland ist das Gründerinnenhaus in Halle.
Tobias Kremkau | Co-Working-Berater
Diese Vielfältigkeit in Sachsen-Anhalt sei einmalig, sagt Kremkau. "Ich beobachte so etwas in anderen Bundesländern nicht." Kremkau vermutet, dass niedrigere Mieten und ein vergleichsweise geringer wirtschaftlicher Druck für eine große Experimentierfreude sorgen würden.
Chance für kleine Kommunen
Gerade für kleine Kommunen würden Co-Working-Spaces eine große Chance bieten, ist sich Kremkau sicher. Schließlich seien Orte mit Co-Working-Spaces beliebte Zufluchtsorte für stressgeplagte Großstädter.
Wir sehen im ländlichen Raum, wenn er über einen guten Anschluss an den Fernverkehr verfügt, durchaus Wanderungsbewegungen.
Tobias Kremkau | Co-Working-Berater
Allerdings sind passende Orte zum Arbeiten auf dem Land nur ein Kriterium. Wanderungswillige Städter brauchen auch Kindergärten, Schulen und Supermärkte. Dadurch profitiert auch die lokale Wirtschaft von Co-Working-Spaces. "Durchschnittlich gibt jeder Co-Working-Space-Nutzer elf Euro am Tag im Umfeld seines Arbeitsortes aus", rechnet Kremkau vor. Dazu kommt: Die Menschen pendeln weniger. Infrastruktur und Umwelt werden so geschont.
Co-Working hat Wachstumspotenzial
Es überrascht nicht, dass Berater Kremkau Co-Working-Spaces in Sachsen-Anhalt eine erfolgreiche Zukunft prophezeit. "Rund fünfzig Prozent aller Arbeitnehmer können mobil arbeiten", rechnet er vor. Handwerker könnten sich mit den Spaces die Kosten für ein permanentes Büro sparen. Große Unternehmen oder Verwaltungen würden dezentrale Arbeitsplätze für ihre Mitarbeitenden suchen, dafür seien Co-Working-Space-Anbieter der geeignete Ansprechpartner.
Große Firmen wollen nicht mit einzelnen Co-Working-Anbietern jedes Mal einen Nutzungsvertrag aushandeln. Die wollen ein dezentrales Netzwerk mit einer zentralen Abrechnung und einer rechtssicheren Nutzung. Das geht nur über Zusammenschlüsse.
Tobias Kremkau | Co-Working-Berater
Fakt ist aber auch: Gründer von Co-Working-Spaces brauchen Durchhaltevermögen. Im Schnitt dauert es zwei Jahre, bis sich so ein Angebot selbst trägt. Laut Kremkau würden Förderprogramme zur Überbrückung der Anfangszeit eine Gründung einfacher machen.
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MDR (Hannes Leonard), dpa
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