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Wohngebiet in MuldensteinGoitzsche-Unternehmer dreht zwölf Familien Wasserhahn ab – Streit eskaliert

10. April 2024, 19:00 Uhr

Das Wohngebiet "Zur Luther Linde" in Muldenstein hängt an der alten Wasserleitung eines abgerissenen Kindergartens. Der zuständige Wasserversorger Midewa erkennt die aus seiner Sicht unzulängliche Erschließung der Häuser nicht an und will die Hauseigentümer nicht als Kunden aufnehmen. Anwohner, Gemeinde und Versorger fordern Nachbesserungen vom Bauträger. Der Chef der Baufirma, Ingo Jung, bestreitet Fehler.

Die morgendliche Dusche konnte Jan Kohlwes immerhin noch zu Ende bringen an jenem Mittwoch, dem 31. Januar. Als der Vater zweier Kinder kurz darauf aber den Wasserhahn in der Küche seines Eigenheims aufdreht, bekommt er einen Schrecken: Plätschern, Tröpfeln, dann gar nichts mehr. Für die nächsten zwei Tage sollte dieser Zustand andauern.

In der Messenger-Gruppe des kleinen Neubaugebiets "Zur Luther Linde" in Muldenstein (Anhalt-Bitterfeld) ist direkt einiges los, erinnert sich Kohlwes: Auch seine Nachbarn, zwölf Familien, sitzen von einer Sekunde auf die andere auf dem Trockenen. Einige erkundigen sich schnell in den Häusern weiter unten an der Friedersdorfer Straße: Ein Rohrbruch, wie sie hier offenbar öfter mal vorkommen, ist es nicht. Im restlichen Dorf läuft das Wasser, wie es soll.

Muldenstein: Streit um Wasserleitungen schwelt seit Jahren

Spätestens da bestätigt sich Jan Kohlwes’ böse Vorahnung, nämlich, dass der Bauträger des Neubaugebiets ernst gemacht und den Bewohnern das Wasser abgedreht hat – ohne Frist. "Er hat das schon öfters angedroht. Da hat man sich immer gedacht: Das kann er nicht bringen. Hier wohnen Familien, hier wohnen kleine Kinder, hier wohnen teilweise Babys."

Es ist der vorläufige Höhepunkt eines Streits um möglicherweise unsachgemäß verlegte Wasserleitungen, der die Hauskäufer seit Jahren viel Zeit und noch mehr Nerven gekostet hat.

Unter anderem die gute Lage des Wohngebiets "Zur Luther Linde" hat die jetzigen Eigentümer teilweise aus Berlin und Leipzig nach Muldenstein in Anhalt-Bitterfeld gebracht. Bildrechte: MDR/Exakt

MDR SACHSEN-ANHALT und MDR Exakt haben mit insgesamt vier der zwölf betroffenen Familien gesprochen. Sie haben ihre Eigenheime an der Mulde im Grünen zwischen 2019 und 2021 gekauft. Gebaut und vermarktet wurden die Immobilien von der J & J Immoservice GmbH. Die Häuser in attraktiver Lage mit Gartengrundstück wurden nach MDR-Informationen komplett schlüsselfertig für vergleichsweise günstige 200.000 Euro angeboten.

Leitungen über private Grundstücke verlegt

Nach dem jeweiligen Einzug erlebten die Neu-Muldensteiner allerdings eine faustdicke Überraschung: Als sie sich beim zuständigen Wasserversorger Midewa (Wasserversorgungsgesellschaft in Mitteldeutschland) anmelden wollen, erhalten sie die völlig unerwartete Antwort, dass das nicht möglich sei.

"Die Midewa hat uns gesagt, dass die Leitungen vom Bauträger ausschließlich über private Grundstücke verlegt worden sind", beschreibt Manuela Liebich, die mit ihrer dreiköpfigen Familie seit Januar 2020 im Wohngebiet lebt. Es fehle der Nachweis, dass die Anlage den Anforderungen an ein öffentliches Trinkwassernetz entspreche, sei ihr mitgeteilt worden.

Wie ihre Nachbarn erfuhr Manuela Liebich erst kurz nach ihrem Einzug von der Wasser-Problematik in ihrem neuen Heim. Bildrechte: MDR/Exakt

Midewa: "Keine stabile, sichere Versorgung möglich"

Es geht aber offenbar auch um die Art, wie die Leitungen vom Bauträger an das Wassernetz angeschlossen wurden. Wie Midewa-Chef Uwe Störzner im MDR-Gespräch erläutert, wird das gesamte Gebiet über die alte Leitung eines längst abgerissenen Kindergartens versorgt, die die Midewa ausschließlich als Bauwasser-Anschluss vorübergehend wieder in Betrieb genommen habe. Sechs Doppelhäuser hingen also an einem einzigen Hausanschluss, der dafür viel zu klein und eigentlich bereits stillgelegt gewesen sei.

"Wenn hier alle gleichzeitig den Rasen wässern, werden die Häuser weiter oben am Hang kein Wasser mehr haben. Das ist vorprogrammiert", sagt Störzner. Eine stabile, sichere Versorgung könne so nicht gewährleistet werden. Alle Anwohner, mit denen der MDR gesprochen hat, bestätigen Probleme mit dem Wasserdruck, insbesondere im Sommer.

Die Erschließung ist komplett unzulänglich.

Uwe Störzner | Geschäftsführer Midewa

Weitere Probleme kommen aus Sicht der Midewa hinzu. Vom ehemaligen Kindergarten-Anschluss aus, der an der Grenze zum Wohngebiet in der öffentlichen Straße endet, verläuft die Leitung, die zu den Häusern abzweigt, in den Vorgärten. Sie liegt dort laut Störzner nicht nur in zu geringer Tiefe, sondern sei auch durch andere, oberirdische Anlagen wie Klimaanlagen oder Wärmepumpen überbaut worden. Diese müssten folglich weichen, wollte man beispielweise in einem Störfall an die Leitung heran.

Midewa-Chef Uwe Störzner sagt, die Erschließung des Wohngebiets entpreche keinerlei technischem Regelwerk. Bildrechte: MDR/Exakt

Bewohner in dauerhaftem Abhängigkeitsverhältnis zum Bauträger

Im Normalfall hätte laut Midewa für das Wohngebiet eine neue, ausreichend große Versorgungsleitung in der öffentlichen Straße "Zur Luther Linde" verlegt werden müssen, von der aus dann jedes Haus separate Anschlussleitungen hätte bekommen müssen – mit jeweils separater Wasseruhr und Absteller auf öffentlichem Grund. "Genau das und nicht mehr haben wir auch so vorgegeben", so Störzner.

Sein Fazit: "Die Erschließung ist komplett unzulänglich und entspricht keinerlei technischem Regelwerk. Das können wir unter diesen Rahmenbedingungen nicht in unser Netz übernehmen."

Die Bewohner bringt das in eine missliche Lage: Denn sie können keine direkten Versorgungsverträge mit der Midewa abschließen, solange diese die Leitungen nicht in ihr Netz übernimmt. Aus Sicht der Midewa bleibt stattdessen die J & J Immoservice GmbH offiziell Abnehmerin jenes Wassers, das durch den alten Kindergarten-Anschluss ins Wohngebiet fließt.

Geschäftsführer Ingo Jung: "Leitungen ausreichend"

Der Bauträger steht damit zwischen Versorger und Anwohnern und tritt nun als eine Art Wasser-Zwischenhändler bzw. in eigenen Worten als "Durchleiter" auf – fragt Zählerstände der Anwohner ab und stellt Wasserrechnungen. Die Anwohner befinden sich entsprechend in einem dauerhaften Abhängigkeitsverhältnis zum Bauträger, und zwar unfreiwillig, denn gewusst haben sie von diesen Umständen beim Kauf nach eigenen Angaben nichts. Alle erklären gegenüber dem MDR unisono, dass sie andernfalls auch nicht in der "Luther Linde" gekauft hätten.

Geschäftsführer der J & J Immoservice GmbH ist der Unternehmer Ingo Jung. Er hat unzählige Bauprojekte rund um Bitterfeld-Wolfen umgesetzt, kauft und verkauft Immobilien, entwickelt und betreibt touristische Infrastruktur am Goitzsche-See. Insbesondere ist er auf vielen Flächen aktiv, die bei der umstrittenen Privatisierung eines Teils der Goitzsche im Jahr 2013 an den Merckle-Konzern verkauft wurden. Darunter das Ferienhaus-Gebiet Schlossterrassen in Pouch, gegen das zahlreiche Verfahren wegen illegalen Dauerwohnens laufen.

Was die vertrackte Situation rund ums Wasser in der "Luther Linde" in Muldenstein anbelangt, sieht Jung keine Fehler bei sich. Der Hausanschluss des ehemaligen Kindergartens sei mit seinen "2,5 Kubikmetern Durchflussmenge" vollkommen ausreichend für das Wohngebiet, sagte der Unternehmer dem MDR im März bei einem Treffen in seinem Büro in Muldestausee. Probleme mit dem Wasserdruck, wie von den Anwohnern geschildert, bestreitet er.

Ingo Jung bestreitet, dass seine Firma bei der Erschließung des Wohngebiets in Muldenstein Fehler gemacht hat. (Archivbild) Bildrechte: MDR Exakt

Bauweise laut Ingo Jung nicht unüblich

Die Leitungen im Wohngebiet seien überdies ordnungsgemäß durch Fachfirmen verlegt worden. Der Verlauf in den Vorgärten sei nicht unüblich. Die Häuser von vorn über die öffentliche Straße anzuschließen, sei keine Pflicht. Er habe das Recht, eine "innere Erschließung" zu machen, so Jung.

Natürlich hat ein Versorger das gerne, wenn er das geschenkt bekommt.

Ingo Jung | Geschäftsführer der J & J Immoservice GmbH

"Alles, was ich in meinem Grundstück mache, entscheidet der Bauträger und nicht irgendein Versorger. Ich muss sicherstellen, dass vom Übergabepunkt des Versorgers aus alles, was man dann übergeben möchte, was man aber nicht übergeben muss, ordnungsgemäß nach bestimmten Richtlinien gebaut ist. Und genau das haben wir überall gemacht."

Jung berichtet, er habe auch in anderen Gebieten so gebaut wie in der "Luther Linde", weil dies gängige Praxis sei. Bei diesen anderen Bauprojekten hätten Versorger die Leitungen "teilweise" übernommen. "Aber ich übergebe nichts mehr, weil ich meine Leitungen, die ich teuer bezahle, nicht an einen Versorger verschenke. Natürlich hat ein Versorger das gerne, wenn er das geschenkt bekommt."

Bauwasseranschluss bereits 2019 von Midewa gekündigt

Dass das in der "Luther Linde" offensichtlich nicht der Fall ist, der Versorger die Anlagen also eben nicht einmal geschenkt haben will, hat aus Jungs Sicht mit Abneigungen gegen seine Person zu tun. Er wolle nun jedenfalls gerichtlich einfordern, dass die Midewa die Anlagen übernimmt. Ein Gerichtsverfahren sei bereits anhängig.

Dass es sich bei der aktuellen "Hauptleitung" des Wohngebiets um einen Anschluss handelt, der ursprünglich nur vorübergehend für Bauwasser sorgen sollte, nennt Jung "eine Mär". Es handle sich um einen Trinkwasseranschluss, über den ein entsprechender Versorgungsvertrag mit der Midewa bestehe.

Nach MDR-Informationen ist der 2017 geschlossene Liefervertrag jedoch bereits im Mai 2019 von der Midewa gekündigt worden, und zwar, als das Versorgungsunternehmen im Oktober 2018 feststellte, dass das als Bauwasser gelieferte Trinkwasser ohne seine Zustimmung an die ersten Hauskäufer weitergeleitet worden sei. Das geht aus einem Schreiben der Midewa an einen Anwohner-Anwalt aus dem Jahr 2020 hervor, das dem MDR vorliegt.

Ingenieurkammer Sachsen: "Macht man einfach nicht"

Darin heißt es weiter: "Eine Einstellung der Wasserversorgung über den Bauwasseranschluss erfolgte bis dato nicht, da eine Versorgung mit Trinkwasser sonst nur über Wasserwagen möglich wäre." Es handle sich dabei allerdings um reine Kulanz. Ein offizieller Antrag der J & J Immoservice GmbH auf Wiederinbetriebnahme der Kindergarten-Leitung als Trinkwasseranschluss für das Wohngebiet sei bereits im August 2017 schriftlich mit Verweis auf die unzureichende Dimensionierung des Bauwasseranschlusses sowie die ungesicherte Lage zurückgewiesen worden.

Wenn die Darstellung der Midewa stimmt, wäre dem Bauträger folglich von Anfang an bewusst gewesen, dass ein Anschluss des Wohngebiets über die alte Kindergarten-Leitung Probleme mit dem Versorger bringen würde.

Doch hätte es ihm offenbar auch unabhängig davon klar sein können. Zu dieser Einschätzung kommt der Ingenieur für Tiefbau und Präsident der Ingenieurkammer Sachsen, Dr.-Ing. Hans-Jörg Temann, als er von dem Fall in Muldenstein hört. "Einen Hausanschluss zu nutzen, um dort ein Erschließungsnetz dahinter aufzubauen, ist absolut unüblich. Das macht man einfach nicht", sagte Temann dem MDR. 

Hausanschlüsse hätten in der Regel viel kleinere "Nennweiten" als eine Versorgungsleitung. Und da könnten natürlich Druckverluste auftreten. "Das entspricht in keiner Weise den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik und die muss der Bauträger nun einmal einhalten, wenn er das noch an den Verband übergeben soll."

Landgericht Dessau entscheidet für Anwohner

Die Hauseigentümer in der "Luther Linde" fühlen sich von der J & J Immoservice GmbH getäuscht. Transparent gemacht worden sei die Gemengelage während der Kaufverhandlungen jedenfalls nicht, berichtet Manuela Liebich. Wer ein erschlossenes Grundstück mit Haus kaufe, wo das Wasser aus dem Hahn komme, müsse in Deutschland doch davon ausgehen können, dass alles seine Richtigkeit habe, fasst sie etwas ratlos zusammen. "Es buddelt doch niemand erst noch den Vorgarten auf, um zu sehen, was dort liegt."

Es buddelt doch niemand erst noch den Vorgarten auf, um zu sehen, was dort liegt.

Manuela Liebich | Anwohnerin

Aus Sicht diverser Anwälte, die die Bewohner der "Luther Linde" über die Jahre einschalteten, verletzt die J & J Immoservice GmbH eindeutig die Vereinbarungen in den Kaufverträgen. Dem MDR liegt einer der Kaufverträge vor. Darin heißt es, dass die Häuser schlüsselfertig und voll erschlossen verkauft worden sind. Enthalten ist sogar noch der Passus, dass das "Vertragsobjekt" eine Beschaffenheit aufweisen muss, die bei Werken gleicher Art erwartet werden kann.

Eine Familie – der Name ist der Redaktion bekannt – konnte Ende Februar nun auch gerichtlich einen ersten Erfolg verbuchen. Das Landgericht Dessau verurteilte die J & J Immoservice GmbH dazu, einen ordnungsgemäßen Anschluss an das Wasserversorgungsnetz der Midewa herzustellen.

Ingo Jung: "Habe Berufung eingelegt"

Ingo Jung bestätigt das im MDR-Gespräch und winkt zugleich ab. Weil ein nicht mehr bevollmächtigter Anwalt das Verfahren betreut hätte, habe er von dem Prozess zunächst gar nicht gewusst und erst nach einem schon im Oktober ergangenen, sogenannten Versäumnisurteil Kenntnis erhalten. Er habe nun zunächst Berufung eingelegt. Für ihn sei das noch dazu ein Urteil, das keinem etwas nütze. Denn der geforderte vertragsgemäße Anschluss sei ja bereits vorhanden, so bewertet Jung das.

Zusätzlich habe seine Firma 2019 ein Kostenangebot der Midewa angenommen und für einen Betrag zwischen 10.000 und 15.000 Euro von einer Fachfirma bereits eine neue Hauptleitung von der Friedersdorfer Straße her bauen lassen. Die Midewa weigere sich jedoch, diese abzunehmen. "Darum kann sie nicht in Betrieb gehen, sonst hätte man vielleicht mehr Wasserdruck – was ich nicht glaube, weil der Wasserdruck ausreichend gut ist", so Jung.

Auch zu dieser Leitung äußerte sich die Midewa bereits 2020 in dem genannten Schreiben an den Anwohner-Anwalt. So sei dieser Anschluss ebenfalls abweichend von den eigenen Forderungen verlegt worden. Zudem rette er nichts, da der Rest der Anlage dennoch in den Vorgärten verlaufe, so Midewa-Chef Uwe Störzner auf MDR-Nachfrage dazu.

Anwohner zahlen aus Protest keine Wasserrechnungen

Anke Maiwald war eine der ersten, die ins Neubaugebiet zogen. 2019 kaufte sie ihre Doppelhaushälfte. "Ich wollte hier die Ruhe genießen, nach Feierabend ins Grüne raus und einfach entspannen." Stattdessen gehen bei ihr die Streitigkeiten um die Wasserleitung an die Substanz, wie sie sagt. "Und da geht es auch nicht bloß ums Geld, sondern darum, wie viel Zeit unseres Lebens wir schon damit verbracht haben, uns zu ärgern." Hinzu komme, dass ihr Haus praktisch unverkäuflich sei, solange ein ordentlicher Wasseranschluss fehle.

Anke Maiwald war in Muldenstein auf der Suche nach Ruhe, doch die Streitigkeiten mit dem Bauträger zehren an ihr. Bildrechte: MDR/Daniel Salpius

Der Großteil der zwölf Familien wehrt sich gegen die Situation, indem sie der J & J Immoservice GmbH seit mehreren Jahren weder Zählerstände meldet noch Wasserrechnungen begleicht. Auch Anke Maiwald handhabt das so. "Ich habe dem Bauträger mitgeteilt, dass ich keine Gebühren zahle, solange die Erschließungsmaßnahmen, wie sie uns notariell zugesichert sind, nicht abgeschlossen sind."

Das Spiel ist riskant, schließlich verbrauchen die Anwohner das Wasser ja, nehmen also trotz allem eine Leistung in Anspruch. "Die Bewohner schulden uns in Summe mittlerweile 20.000 bis 30.000 Euro", berichtet Ingo Jung dem MDR. Er sei da in den vergangenen Jahren sehr kulant gewesen. "Aber irgendwann muss das Thema ja mal auf den Punkt gebracht werden." Ende Januar war für den Unternehmer der Zeitpunkt da, er drehte dem Wohngebiet das Wasser ab.

Gericht: J & J Immoservice GmbH bei Rechnungen im Recht

Die Anwohner erwirkten daraufhin eine einstweilige Verfügung vor Gericht gegen die J & J Immoservice GmbH. Mit Erfolg: Das Unternehmen musste das Wasser nach zwei Tagen wieder andrehen – vorerst.

Der Beschluss des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen liegt dem MDR vor. Darin stellt das Gericht zum Nachteil der Anwohner gleichwohl klar, dass erstens bereits durch die Nutzung des Wassers ein Versorgungsvertrag zwischen den Anwohnern und dem Bauträger besteht und dass das Abdrehen des Wassers per se rechtens gewesen wäre, wenn die J & J Immoservice GmbH zuvor ordnungsgemäß gemahnt und die Abstellung zwei Wochen vorher angekündigt hätte.

Genau das hole man gerade nach, so Jung. "Sie haben jetzt alle eine Mahnung bekommen. Und das Nächste, was wir machen, wenn sie nicht bezahlen, ist, dass wir wieder abstellen."

Bauträger kann nur allen Familien oder keiner Wasser abstellen

Allerdings könnte das Unternehmen dabei ein Problem bekommen, das selbstgeschaffen ist. Die separaten Absteller der einzelnen Häuser liegen zusammen mit dem Leitungssystem auf dem privaten Grund der Käufer, nämlich in den besagten Vorgärten. Hier darf die J & J Immoservice GmbH nicht ran. Jungs Firma kann daher immer nur entweder keiner oder allen Familien auf einmal das Wasser über den zentralen Absteller des Kindergarten-Anschluss abstellen.

Das heißt, sobald auch nur eine Familie ihre Rechnung begleicht, wäre eine Abstellung gegenüber dieser Partei unzulässig und ein gerichtlicher Eilantrag trotz allem wahrscheinlich erfolgreich, so dass Jung das Wasser wieder – und entsprechend dann für alle Haushalte – anstellen müsste.

Kritik an Gemeinde Muldestausee: "Hat seit langem Kenntnis davon"

In der verfahrenen Situation üben die Anwohner der "Luther Linde" nicht zuletzt auch Kritik an der Gemeinde Muldestausee, zu der Muldenstein gehört. Jan Kohlwes, der im Mai 2021 mit seiner Familie ins Wohngebiet gezogen ist, fragt sich, warum die Gemeinde nicht gewarnt habe, warum auch kein Baustopp verhängt worden sei, solange das Problem mit dem Wasser bestehe. Schließlich hätten doch alle seit langem Kenntnis davon.

Zwischen Muldestausee und der J & J Immoservice GmbH besteht ein städtebaulicher Vertrag über das Wohngebiet "Zur Luther Linde" – geschlossen im Jahr 2016 und Grundlage für die Bebauung.

Laut Vertragstext hat sich Ingo Jung mit seiner Firma gegenüber der Gemeinde Muldestausee verpflichtet, alle notwendigen Erschließungsmaßnahmen auf eigene Rechnung durchzuführen. Ferner wurde die Baufirma explizit dazu verpflichtet, die Anschlüsse zu den technischen Bedingungen zu errichten, die die Versorger vorgeben. Jung legt das anders aus. Für ihn endet die Mitsprache der Versorger am "Übergabepunkt" ins Wohngebiet. Die innere Erschließung sei dagegen seine Sache.

Ferid Giebler: Keine Mehrheit im Gemeinderat für Klage

Aus Sicht des parteilosen Bürgermeisters von Muldestausee, Ferid Giebler, hat der Bauträger die Verpflichtungen des städtebaulichen Vertrags unter anderem beim Thema Wasserversorgung nicht eingehalten. Man sei im Gespräch und habe um Erfüllung der offenen Verpflichtungen gebeten. "Aber darauf wird nicht reagiert und die Maßnahmen werden nicht erledigt, zumindest nicht so, wie vom Trinkwasserversorger gefordert", beschreibt Giebler.

Bürgermeister Ferid Giebler sieht den Bauträger in der Pflicht, Maßnahmen im Sinne der Versorger nachzuerfüllen. Bildrechte: MDR/Lucas Riemer

Zwar habe die Gemeinde die Möglichkeit zu klagen, jedoch könnten dann erst einmal immense Prozesskosten auf Muldestausee zukommen. Und dafür gebe es aktuell keine Mehrheiten im Gemeinderat, so Giebler.

Wir arbeiten inzwischen nur noch mit Bürgschaften.

Ferid Giebler | Bürgermeister Muldestausee

Aus den Querelen um die "Luther Linde" habe man aber Lehren gezogen. "Wir arbeiten inzwischen nur noch mit Bürgschaften, sie sind jetzt fester Bestandteil in jedem städtebaulichen Vertrag. Das ist Standard." Würden vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt, greife man auf diese Sicherheiten zurück und sorge entsprechend selbst für die Umsetzung, so Giebler. Bei der "Luther Linde" sei das 2016 unter seiner Vorgängerin versäumt worden.

Beim Abwasser besteht offenbar ähnliches Problem

Um eine künftige Lösung für die zwölf Familien in Muldenstein zumindest in etwas greifbarere Nähe zu rücken, hat Giebler den Bauträger eines neuen Wohngebiets ganz in der Nähe überzeugen können, seine Versorgungsleitungen an der Straße "Zur Luther Linde" entlang zu verlegen und einen Umweg in Kauf zu nehmen. Zudem wurden die Leitungen extra größer dimensioniert, so dass sie auch die sechs Doppelhäuser der Luther Linde mitversorgen könnten.

Dank dieser Leitungen würde der Bau eines separaten Hausanschlusses laut Midewa gerade einmal rund 2.300 Euro pro Haus kosten. Die Bewohner fürchten allerdings, dass als nächstes der Abwasserzweckverband vor der Tür stehen könnte, wenn sie sich darauf einließen, selbst für Versorger-konforme Leitungen aufzukommen. Beim Abwasser bestehe nämlich eine sehr ähnliche Problematik wie beim Wasser, berichten sie.

Über die MDR-RechercheDieser Artikel ist im Rahmen eines neuen Investigativ-Teams des Mitteldeutschen Rundfunks entstanden, in dem Journalistinnen und Journalisten aller drei Landesfunkhäuser (MDR SACHSEN-ANHALT, MDR THÜRINGEN, MDR SACHSEN) zusammenarbeiten. Ziel ist, regionale Kompetenzen zu stärken.

Recherche-Schwerpunkte sollen unter anderem Rechtsextremismus, organisierte Kriminalität und Korruption auf kommunaler Ebene sein. Bei Anregungen zu investigativen Themen erreichen Sie das neue Investigativnetzwerk MDR Recherche unter recherche@mdr.de

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MDR (Oliver Matthes, Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm:MDR Exakt | 10. April 2024 | 20:15 Uhr

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