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#hinREISENDGeocaching statt Sightseeing in Wittenberg – ein Selbstversuchvon Alexander Kühne, MDR SACHSEN-ANHALT

26. November 2023, 05:00 Uhr

Wie entdeckt man die Wiege der Reformation, ohne sich zu langweilen? Und das am besten noch mit der ganzen Familie? Das macht Geocaching möglich. MDR-Reporter Alexander Kühne hat es in Wittenberg ausprobiert und einige Fans der digitalen Schatzsuche getroffen.

Da stehe ich nun auf einer Grüninsel vorm Bahnhof, um mich herum parkende Autos. Die App-Version von "geocaching.com" sagt, dass der Geocache ziemlich genau hier versteckt sein muss. Aber wo? Es bleibt mir wohl nichts übrig, als einfach drauf los zu suchen.

Ich schaue hinter die Sträucher – aber das ist ja eigentlich Quatsch, denn dann würde der Cache doch bei jedem Rückschnitt entdeckt werden. Ich klopfe gegen den Laternenmast, ob er manipuliert ist – aber das ist wohl kaum möglich und bestimmt auch illegal. Auch der leere Kaffeebecher ist tatsächlich nur Müll und keine raffinierte Attrappe.

Geocachen – Was ist das?Geocaching ist eine Art Schnitzeljagt. Ziel ist es, versteckte Gegenstände aufzuspüren – die Caches. Für die Suche braucht man ein Smartphone oder ein GPS-Gerät. Die geographischen Koordinaten der Verstecke werden im Internet veröffentlicht. Wer ein Cache findet, kann sich in ein beiliegendes Buch eintragen.

Oft liegt dem Cache auch ein Geschenk bei, das man als Andenken mitnehmen kann. Wer mag, hinterlässt im Gegenzug ein anderes Geschenk.

Gut versteckt am Gullideckel

Das ist schwieriger, als ich dachte. Frustrierend! Vor allem, weil ich nicht weiß, wonach ich eigentlich suche. Wie sieht so ein Geocache überhaupt aus? Dann fällt mir plötzlich am Gullideckel etwas auf: In einem der Löcher steckt doch etwas! Tatsächlich, geschickt eingehangen und in Rostoptik gut getarnt, hole ich die kleine Dose hervor. Das Glücksgefühl des Erfolgs zaubert mir ein breites Grinsen ins Gesicht.

Jetzt will ich aber auch wissen, was da drin ist und schraube die Dose auf. Ein zusammengerollter Zettel kommt zum Vorschein, das sogenannte Logbuch, in dem man sich mit Namen und Datum verewigen kann. Der Stift ist deshalb das wichtigste Utensil des Geocachers!

Reporter Alexander mit einem selbstgefundenen Cache. Bildrechte: Jörg Wagner/MDR

Auf zum zweiten Cache

Ich lege die Dose heimlich zurück in ihr Versteck. Man muss beim Suchen nämlich darauf achten, dass Außenstehende das Versteck nicht sehen und die Dose im schlimmsten Fall wegschmeißen – erste Regel des Geocacher-Kodex. Das hat doch ziemlich Spaß gemacht. Ich will gleich den nächsten finden. Zumal der Bahnhofsparkplatz nicht die schönste Location für meinen Einstieg in die Geocaching-Welt war.

Aber immerhin konnte ich nach meiner Ankunft in der Lutherstadt Wittenberg gleich loslegen. Das Geocaching war ja vor knapp 10 Jahren ein ziemlicher Hype, aber es scheint sich gut entwickelt zu haben, denn die App zeigt mir unzählige weitere Verstecke in der gesamten Stadt an.

Tourismus trifft Schatzsuche

Ich gehe in Richtung Altstadt zu den Sehenswürdigkeiten – schließlich bin ich ja in erster Linie Tourist. Ein schöner gepflegter Park umschließt die Innenstadt wie ein Ring. Hier wartet gleich der nächste Cache auf mich. Das gefällt mir schon besser – hier sind auch nicht so viele Menschen wie am Bahnhof, auf die ich Acht geben muss. Ich begebe mich zum angezeigten Standort und stehe vor dem gleichen Problem wie vorhin: Wo soll ich nur anfangen?

Manche Steine im Gehweg sehen locker aus – doch die sind alle fest. Der eine Baum hat ein perfekt für ein Versteck geeignetes Astloch – doch das ist zu weit oben, da kommen nur Eichhörnchen ran. Ich klopfe wieder gegen eine Laterne – was habe ich nur immer mit den Laternen?

Steckt der Cache im Baum? Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Es wird schwierig

Nach ein paar Minuten habe ich alle offensichtlichen Versteckmöglichkeiten abgeklappert. Es wird schon wieder knifflig. Die App bietet zwar eine Beschreibung, aber die Hinweise sind bei diesem Cache eher dürftig. Es wird schon wieder frustrierend.

Ich hangele mich an einer Hauswand entlang, gucke unter Wasserschläge und hinter ein Halteverbotsschild – tada, da ist er ja! Das kam dann doch unerwartet. Das Glücksgefühl ist wieder da und das dumme Grinsen auch. Ich werde langsam süchtig.

"Verrückt nach den kleinen Schätzen"

So – jetzt will ich aber wirklich etwas von der Stadt sehen. Mitten auf dem Marktplatz ist auch ein Cache versteckt – aber wenn ich den lösen will, muss ich in der App Premium-Mitglied werden. Geld wollte ich eigentlich nicht bezahlen.

Ich schreibe dem Besitzer des Caches, "Eismann77", eine Nachricht. Wir treffen uns in einem Café auf eine Latte Macchiato. Er erzählt, dass er eigentlich Roland Adam heißt und mehr als 10.000 Geocaches auf der ganzen Welt gefunden hat. "Du kommst einfach an Orte, an die du als Tourist niemals gekommen wärst", schwärmt er. Deshalb ist er also so verrückt nach den kleinen Schätzen.

Auf dem Wittenberger Marktplatz lässt sich auch ein Geocache finden. Bildrechte: Jörg Wagner/MDR

Tipp vom Profi: Es gibt noch weitere Apps

Roland Adam zeigt mir seine Ausrüstung, die aus mehr als nur einem Stift besteht. Teleskop-Spiegel, Magnetstab, Taschenlampe und noch viel mehr – ich bin beeindruckt. Und er hat noch einen Tipp, wie ich seinen Cache lösen kann, ohne bezahlen zu müssen. Es gibt nämlich noch Drittanbieter-Apps, wie C:GEO, die komplett kostenfrei sind – nur leider nicht ganz so einfach und nutzerfreundlich aussehen.

Ich gehe zum Marktplatz und kann mir auf der neuen App tatsächlich die Beschreibung des Caches durchlesen. Es handelt sich um einen speziellen Rätselcache. Fünf Rätsel sind in der Altstadt verteilt und deren Lösung ergibt die Koordinaten der Dose – raffiniert! Allerdings brauche ich noch eine weitere App, um an die Rätsel ranzukommen.

Die ist zwar auch kostenlos, aber langsam wird es verwirrend. Ich hole mir noch einen erfahrenen Cacher zur Hilfe. Marco Bordel bringt gleich seine Familie mit. Gattin Anne und Sohn Ole müssen auch in jedem Urlaub mit auf Tour, so können wie die Rätselstrecke gleich auf Familientauglichkeit testen.

Wie die Ausrüstung eines Geocachers aussehen kann. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Thomas Eisenhuth

Rätselspaß in der ganzen Stadt

Für das erste Rätsel müssen wir eine Inschrift am Lutherdenkmal finden. Das ist schnell gemacht. Auf dem Weg zur zweiten Station erzählt Marco, dass seine Cousine ihn mit dem Cache-Fieber angesteckt hat. "Da waren wir in einer 50 Zentimeter hohen Höhle und da konnte ich auch die Nacht vorher nicht schlafen, aber das war mit eine der tollsten Erfahrungen", erzählt Marco, der seitdem über 8.000 Caches gefunden hat.

Das zweite Rätsel finden wir am Lutherhaus. Die App gibt die Frage erst her, wenn man davorsteht. Wir müssen herausfinden, wie lange Martin Luther hier gelebt und gewirkt hat. Dafür könnten wir reingehen und uns die Ausstellung ansehen, es reicht aber auch, die Infotafel am Eingang zu lesen.

Auf dem Weg zum Melanchthonhaus, der dritten Station, erzählt Anne, dass sie zuletzt im Urlaub in Paris genau solch einen Rätselcache gelöst haben. "Man kann an den Sehenswürdigkeiten schlecht unbemerkt so eine Dose verstecken, deshalb ist die Rätselvariante auch dort meist verbreitet", erzählt Anne und löst gleich das nächste Rätsel. Am Melanchthonhaus müssen die Bögen im Giebel gezählt werden.

Reporter Alexander mit Familie Bordel auf Geocache-Suche. Bildrechte: Jörg Wagner/MDR

Geocaching ist auch was für Kinder

Das vierte Rätsel übernimmt Ole. Er ist mittlerweile in den vielen Urlauben unfreiwillig auch zum Cache-Profi geworden. "Es ist okay, ich mag es nur nicht, wenn wir sieben Tage pro Woche nichts Anderes machen als Cachen", erzählt er und findet schnell die Lösung zur Frage, wann die Universität gegründet wurde, an der wir gerade angekommen sind. Hier haben Luther und Melanchthon zusammen dafür gesorgt, dass diese Uni damals zur bekanntesten in ganz Deutschland wurde.

Ole hilft beim Lösen des letzten Rätsels. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Zum Schluss müssen wir an der Schlosskirche nur noch die berühmte Thesentür finden und uns mit römischen Zahlen rumschlagen. Doch auch das Rätsel lässt sich lösen. Jetzt haben wir die Koordinaten, um die finale Dose zu finden. So haben wir in kurzer Zeit alle wichtigen Sehenswürdigkeiten in Wittenberg angesteuert – und dank des Geocachings auf lustige und spannende Art und Weise.

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MDR (Alexander Kühne, Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Unterwegs in Sachsen-Anhalt | 25. November 2023 | 18:15 Uhr

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