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In Weißenfels ging auch der Frauenarbeitskreis auf die Straße und beteiligte sich mit einem Redebeitrag. Bildrechte: MDR/ Daniela Schulze

Demos gegen RechtsextremismusWarum Menschen in Weißenfels jetzt auf die Straße gehen

05. Februar 2024, 08:04 Uhr

"Nie wieder ist jetzt" – diese Worte bringen aktuell viele Menschen in Deutschland auf die Straßen, um sich für Demokratie stark zu machen. So auch in Weißenfels. Hier hat das Bündnis für Toleranz dazu aufgerufen, ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Hunderte folgten dem Aufruf. Das sind die Gründe für ihr Engagement.

Ein verregneter Sonntagnachmittag in Weißenfels. Nur wenige Menschen sind auf den Straßen zu sehen. Hier und da ein paar Spaziergänger, auf dem Marktplatz spielen Kinder Fußball. Gegen 15 Uhr verändert sich das Bild: Immer mehr Menschen versammeln sich auf dem Platz, mit bunten Regenschirmen – und noch bunteren Demoschildern. Sie sind dem Aufruf des "Bündnisses für Toleranz" gefolgt, das hier eine Kundgebung unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt! – Gemeinsam für Demokratie" veranstaltet.

In Weißenfels haben sich nach Angaben der Polizei etwa 450 Menschen bei der Demo gegen Rechtsextremismus versammelt. Bildrechte: MDR/Daniela Schulze

Demo nach Correctiv-Recherche zu Geheimtreffen mit AfD

Das Bündnis, das sich aus Vertretern von Politik, Kirchen, Zivilgesellschaft und Vereinen zusammensetzt, will an diesem Sonntag gemeinsam mit den Weißenfelserinnen und Weißenfelsern ein Zeichen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus setzen. Hintergrund sind die Enthüllungen des Recherchekollektivs Correctiv, die deutschlandweit Menschen auf die Straßen treiben.

Die Journalisten enthüllten, dass sich rechte Politiker und Unternehmer bei einem Geheimtreffen unter anderem über Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen ausgetauscht hatten. Dabei war auch der sachsen-anhaltische AfD-Fraktionschef, Ulrich Siegmund. Auf Nachfrage hatte Siegmund erklärt, er sei als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen. Er wolle zudem weder deutsche Staatsbürger noch Menschen mit gültigen Aufenthaltsstatus ausweisen.

Hunderte Weißenfelserinnen und Weißenfelser sind dem Aufruf des "Bündnisses für Toleranz" am Sonntag schließlich gefolgt. Die Polizei spricht von 300 Teilnehmenden. Eric Stehr, der die Demo angemeldet hat, schätzt 400 bis 500 Personen. Das Spektrum der Anwesenden reicht von jung bis alt, von links bis konservativ.

Forderungen: von stärkerer Wahlbeteiligung bis AfD-Verbot

Stehr, der für die Linke im Stadtrat sitzt und Mitglied des "Bündnisses für Toleranz" ist, zeigt sich zufrieden: "Ich habe persönlich mit weniger Menschen gerechnet. Jetzt muss man natürlich auch sehen, dass es regnet, was nicht so viele Leute auf die Straße treibt, selbst wenn es um wichtige Themen wie Demokratie geht."

Der erste Redebeitrag kommt vom Frauenarbeitskreis. Die Frauen, die sich hier engagieren, sorgen sich um die Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder. Sie warnen unter anderem davor, von Rechtsextremisten in traditionelle Rollen zurückgedrängt zu werden und sind froh, dass sich bei den Demonstrationen eine bisher schweigende Mehrheit aus allen Teilen der Bevölkerung zu Wort meldet. Eine weitere Rednerin fordert im Anschluss ein AfD-Verbot.

Der Frauenarbeitskreis Weißenfels hielt eine Rede bei der Demo gegen Rechtsextremismus. Bildrechte: MDR/Daniela Schulze

Weißenfels: Hass von Rechts im Netz

Neben viel Applaus von Seiten der Teilnehmenden gibt es vereinzelt Zwischenrufe von Menschen, die die Kundgebung vom Marktrand aus beobachten und offenbar stören wollen. Die Demonstrierenden lassen sich davon jedoch nicht beeindrucken. Bereits im Vorfeld habe es einige negative Reaktionen gegeben, erzählt Stehr – vor allem im Netz. Als Demo-Anmelder habe er auch persönlich Hass aus der rechtsextremen Szene erfahren.

"Es trifft einen, aber man darf sich von so etwas nicht mürbe machen lassen", so Stehr. Umso wichtiger sei es, gegen Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen, gerade im ländlichen Raum, wo rechte Strukturen schneller Fuß fassen könnten. Der Burgenlandkreis sei, im negativen Sinne, ein Vorzeigebeispiel, erklärt er.


Man traut sich kaum, hier für Demokratie einzustehen, weil der Druck von rechts so groß ist.

Lydia Tornow I Demoteilnehmerin

Ähnlich nimmt das auch Demoteilnehmerin Lydia Tornow wahr. Die junge Frau ist gemeinsam mit Freunden auf den Markplatz gekommen, um Haltung zu zeigen. Sie hofft damit Menschen, die sich noch nicht auf die Straße trauen, Mut zu machen. "Man traut sich kaum, hier für Demokratie einzustehen, weil der Druck von rechts so groß ist", so Tornow.

Lydia Tornow demonstriert in Weißenfels, gemeinsam mit Freunden, gegen Rechtsextremismus. Bildrechte: MDR/ Daniela Schulze

Demo-Teilnehmer: "Menschen müssen eben an der Demokratie mitarbeiten"

Einen weiteren Anwesenden, der anonym bleiben möchte, beschäftigt noch etwas anderes: "In den ostdeutschen Bundesländern sind wir prädestiniert, leicht autoritäre Tendenzen, wie soll ich es ausdrücken, zu akzeptieren, einfach hinzunehmen und vielleicht sogar als das kleinere Übel wahrzunehmen. Und genau das müssen wir verhindern."

Auch er bestätigt, dass sich viele Menschen noch nicht trauen würden, sich offen für Demokratie und Toleranz zu engagieren. Diese müssten bestärkt werden. Die Demonstrationen könnten eine Chance sein, die Menschen zum Handeln zu bewegen und demokratische Mittel zu nutzen, um selbst etwas zu erreichen: "Die Menschen müssen eben an der Demokratie mitarbeiten."


Demokratie lebt davon, dass Menschen sich einmischen.

Patrick Hommel, Stadtpfarrer

Stadtpfarrer von Weißenfels: Gemeinsam für Solidarität

Dass Demokratie harte Arbeit ist, betont auch Stadtpfarrer Patrick Hommel in seinem Beitrag, der die Kundgebung gegen 16 Uhr abschließt: "Demokratie lebt davon, dass Menschen sich einmischen. Und das heißt auch, dass sie widersprechen, dass sie sich ihre eigene Meinung bilden und die auch sagen."

Er appelliert dafür, gemeinsam für eine Politik einzustehen, die sich den konkreten Problemen der Menschen stellt und für eine Politik, die das nicht auf dem Rücken der Schwachen macht. "Lasst uns gemeinsam eintreten für Mitmenschlichkeit und Solidarität und Vertrauen", so Hommel. Mit einer Einladung zum Beisammensein und Kerzen anzünden in der Marienkirche beendet er die Veranstaltung. Und der Marktplatz in Weißenfels leert sich allmählich wieder.

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MDR (Daniela Schulze)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 05. Februar 2024 | 06:30 Uhr

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