Studierende schreiben für den MDRWildbiene sucht Lebensraum: Wieso Imkern nicht die Lösung ist
Imkern liegt im Trend – gefördert wird aber vor allem die Honigbiene. Das trägt wenig zur Artenvielfalt bei. Grüne Städte mit Konzepten gegen die Hitze könnten dagegen Wildbienen und anderen Insekten helfen. Ein Fachmann aus Halle erklärt, wie das funktionieren könnte. Ein Gastbeitrag einer Studentin aus Halle.
Dieser Text ist im Rahmen des Projekts "Studierende schreiben" in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entstanden.
- Die Honigbiene wird durch Imkerinnen und Imker gefördert. Der Artenvielfalt hilft das aber nicht.
- Vor allem in Städten führt die steigende Zahl an Honigbienen zum Konkurrenzkampf mit anderen Bienen- und Insektenarten um die knappen Ressourcen.
- Wildbienen brauchen mehr Schutz in städtischen Räumen. Es gilt vor allem, Hitzeinseln zu vermeiden, etwa durch Begrünung mit mehr Bäumen.
Die Zahl der Imkerinnen und Imker in Deutschland nimmt seit Jahren zu, wie Erhebungen des Deutschen Imkerverbandes zeigen. Mit ihnen steigt die Zahl der Bienenvölker. Die Motivation dahinter ist oft der Wunsch, etwas für die Umwelt zu tun. Mitzuhelfen, die Biodiversität zu erhalten. Also Sorge zu tragen, die Menge der Insektenarten, ihre Anzahl und das Zusammenleben mit der Umwelt zu stärken.
So ist das auch bei Hobbyimker Felix Gadow aus Halle: Ein Kurs an der Universität weckte das Interesse des Studenten an der Bienenhaltung. Die sieben Bienenvölker von Felix Gadow leben in der Kleingartenanlage "Vorwärts Ammendorf". Mit diesem Standort ist er zwar kein klassischer Stadtimker, die Bienen meist auf dem Balkon oder im Garten halten – aber auch er will damit die Umwelt schützen.
Imkern im Trend
Dass Imkern zum Trend geworden ist, bestätigt Panagiotis Theodorou, Wissenschaftler an der Universität Halle. Sein Forschungsschwerpunkt sind die Auswirkungen der Urbanisierung auf die Biodiversität von Insekten, speziell Bienen. Er sagt: "Was aus guten Gründen geschieht, hat eher einen negativen Effekt. Der Lebensraum für Bienen und Insekten ist knapp in unseren Städten." Hitze, versiegelte Flächen und immer geringere Ressourcen an Blüten, Wasser und Nistmaterial erschweren ihnen das Leben. Die steigende Anzahl an Honigbienen verschärfe diese Situation zusätzlich, erklärt Theodorou. Hinzu komme, dass nicht alle Hobbyimkerinnen und -imker das Wissen zur Bekämpfung und Eindämmung von Krankheiten oder der Varroamilbe haben. "Das schadet dann allen Bienen", so Theodorou.
Der Lebensraum für Bienen und Insekten ist knapp in unseren Städten.
Panagiotis Theodorou, Biologe
Honigbiene im Konkurrenzkampf mit Wildbienen?
Dass der Verlust von Biodiversität vor allem an Honigbienen gemessen wird, ist für Theodorou nachvollziehbar – aber zu kurz gedacht. Nachvollziehbar, da Bienen eine sehr wichtige Rolle im ökologischen System spielen. Zu kurz gedacht, da Bienen nur eine Art von Insekten sind. Der Rückgang von Anzahl und Spezies sei bei anderen Insekten deutlich stärker.
Laut Roter Liste ist rund die Hälfte der mehr als 580 Wildbienenarten in Deutschland gefährdet. Demgegenüber steht die Honigbiene. Ihr Überleben wird vom Menschen aus wirtschaftlichen Zwecken zur Gewinnung von Honig oder Wachs und aufgrund ihres positiven Images als (Honig-)Biene Maja stark gefördert, erklärt Theodorou. So stieg die Zahl der Honigbienen in den vergangenen Jahren sogar leicht an. Für eine bunte Blütenvielfalt und widerstandsfähige Biodiversität braucht es jedoch das Zusammenwirken aller Bienen: Durch bevorzugte Blüten oder unterschiedliche Wohlfühltemperaturen bei der Pollensuche, ergänzen sich Honig- und Wildbiene in ihrer Arbeit.
Eine Stadt für Bienen und Menschen
Um diese Wechselwirkungen auch zukünftig zu erhalten, rät Theodorou zu einem ganzheitlichen Ansatz: "Eine klimaangepasste Stadtentwicklung ist nicht nur gut für uns Menschen, sondern hilft auch den Bienen". Das beginnt bei der Begrünung von Garten- und Balkonbeeten mit regionalen Blütensamen, einem verringerten Einsatz von Pestiziden oder seltenerem Mähen. "Besonders schädlich sind städtische Hitzeinseln", mahnt Theodorou. Dort braucht es beispielsweise mehr Bäume als Schattenspender und Luftfilter. "Zukünftig müssen wir Städte so gestalten, dass wildes Leben ebenfalls existieren kann. Wir sind abhängig von allen Organismen, um uns herum."
Dieser Ansatz ist auch Teil von Felix Gadows Hobbyimkerei. Denn durch die Bienenhaltung versucht er, Menschen an das Thema Umweltschutz heranzuführen. So gibt er zum Beispiel Kindergärten der Umgebung Einblicke in seine Arbeit mit den Honigbienen. Ihm ist bewusst: "Die Honigbiene stirbt nicht aus. Es braucht mehr Schutz für die Wildbienen." So hat er zum Beispiel einen bunten, blütenreichen Balkon. Der Standort seiner Bienenstöcke ist ebenso kein Zufall. "Meine Bienenstöcke sind Teil einer nachhaltigeren Gestaltung der gesamten Gartenanlage", erklärt Gadow. Die Bienenvölker stehen unter einem begrünten Dach. Es wurden Bäume gepflanzt, Insektenhotels und Unterschlüpfe für Amphibien errichtet.
Damit kann er nicht nur seinem Hobby, der Bienenhaltung nachgehen, sondern trägt gleichfalls zum Schutz von Wildbienen im städtischen Raum bei.
Über die AutorinValerie Börner studiert nach ihrem Bachelor der Europastudien in Chemnitz nun MultiMedia & Autorschaft in Halle. Seit dem Besuch beim Imker weiß sie, dass sie auf Bienenstiche nicht allergisch reagiert. Dennoch bevorzugt sie den gleichnamigen Kuchen.
MDR (Sarah-Maria Köpf)