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Die Texte der 28-Jährigen polarisieren, auch ihr Künstlerinnenname Yung FSK18 deutet auf explizite Inhalte hin Bildrechte: Paulina Schröder

Studierende schreiben für den MDRHalle: Kunst mit Haltung – "Widerstand heißt kritisch bleiben!"

08. März 2024, 11:01 Uhr

Yung FSK18 rappt und das Kollektiv "Error*ines" designt. Damit sind Sie in Halle Teil einer Nische, die versucht, ihre feministische Haltung kreativ auszuleben. Warum künstlerischer Ausdruck wichtig ist und was sie anspornt: Ein Gastbeitrag einer Studentin aus Halle über kreativen Feminismus.

von Marianna Martens, Studentin Multimedia und Autorschaft

Dieser Text ist im Rahmen des Projekts "Studierende schreiben" in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entstanden.

Kunst mit politischem Anspruch: Künstlerische feministische Projekte finden sich in Halle auch außerhalb der Burg Giebichenstein. Yung FSK18 ist Musikerin, Klara Goiny Grafikerin und Mit-Editorin des "Error*ines – The Megazin" Grafik-Heftes. Hier berichten beide über ihre kreativ-feministische Praxis in und aus Halle

Yung FSK18: Rap zwischen Erotik und Kampfgeist

Sozialarbeiterin, Videokünstlerin, Rapperin: Konzertveranstaltende kündigen sie als Multitalent und eine der wichtigsten Akteurinnen des sexpositiven feministischen Raps in Deutschland an. In der Szene kennt man sie als Yung FSK18, in der hallischen Subkultur und ihrem Freundeskreis war sie früher als Action Ahrens bekannt. Die Texte der 28-Jährigen polarisieren, auch ihr Künstlerinnenname Yung FSK18 deutet auf explizite Inhalte hin – Freiwillige Selbstkontrolle ab achtzehn Jahren.

Zwischen Erotik und Kampfgeist, Ärger und Spaß spielt sich ab, was viele ebenfalls unter dem Rap-Subgenre Slut- oder Pornorap einordnen würden. Yung FSK18 sieht das anders: Ihrer Meinung nach braucht es kein eigenes Subgenre für weibliche Rapper, wenn sie über die gleichen Themen wie ihre männlichen Kollegen sprechen – "aber wenn die Leute das so wollen, dann ist es auch Pornorap, weil ich bin eine Frau und ich rede über Sex".

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Widerstand heißt auf jeden Fall kritisch zu bleiben.

Yung FSK18 | Rapperin aus Halle

In ihren Texten geht es aber um viel mehr als das: Sie handeln von Freundschaft, Lifestyle-Themen und Party-Eskapaden, jedoch auch von der kritischen Auseinandersetzung damit. Widerstand heiße, kritisch zu bleiben und so bezeichnet Yung FSK18 ihre Musik als thematischen Mix, der Politisches und insbesondere Feministisches behandelt. Sie sei dagegen, dass FLINTA in unserer Gesellschaft oft noch die Position hätten, dass ihr Dasein "dadurch legitimiert wird, dass sie für Männer da sind, dass sie für Männer gut aussehen, dass sie sich um Männer kümmern."

Wofür steht FLINTA?FLINTA ist das Akronym für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, transsexuelle und geschlechtneutrale (agender) Personen. Es bezeichnet Personengruppen, die aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit patriarchal diskriminiert werden.

Yung FSK18 ist auch weit über Halle hinaus bekannt. Bildrechte: Paulina Schröder

Texte, die weibliche Lust enttabuisieren sollen

Wie passt Rap, der unter anderem explizit sexuelle Inhalte teilt, mit einer feministischen Agenda zusammen? Sexuelle und körperliche Autonomie sind die Stichworte, die die Brücke schlagen: "Es muss erst mal eine Enttabuisierung stattfinden, dass Du darüber nachdenken und reden kannst, was da passiert, was Du magst und was Du nicht magst", sagt die Künstlerin.

Thema ist die Ermächtigung des eigenen Körpers in einer Gesellschaft, in der Frauen noch zu oft objektifiziert würden – umso weniger das Thema Sex und weibliche Lust tabuisiert seien und umso ehrlicher Menschen darüber sprächen, desto klarer könne man seine eigenen Grenzen abstecken, erklärt Yung FSK18. Aber das Schwert sei zweischneidig betont die Musikerin: Ihre Texte könnten fehlinterpretiert werden und dazu führen, dass ein neues Stereotyp etabliert würde, welches Frauen unter Druck setze, um in das Bild der sexuellen Freizügigkeit zu passen. 

Ich bin dagegen, dass Frauen und FLINTA in unserer Gesellschaft oft noch die Position haben, dass ihr Dasein dadurch legitimiert wird, dass sie für Männer da sind, dass sie für Männer gut aussehen, dass sie sich um Männer kümmern.

Yung FSK18 | Rapperin aus Halle

Rapperin will über die Zwänge der Gesellschaft aufklären

Ihre Musik sei immer schon autobiografisch gewesen, sagt die Hallenserin. Ihre Motivation zum Musikmachen stamme aus Egoismus: Es sei eben jener Druck, die Wahrnehmung von Ungerechtigkeit in Bezug auf ihr Geschlecht und die Probleme, die sich daraus ergeben, die sie nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei anderen jungen Frauen sehe. Man könne die Erwartungen der Gesellschaft an Frauen nicht erfüllen, seien es gängige Schönheitsideale oder rollentypisches Verhalten. Darüber möchte Yung FSK18 mit ihrer Musik aufklären.

Rapperin Yung FSK18 will junge Frauen dazu anregen, sich aus gesellschaftlichen Zwängen zu befreien. Bildrechte: Paulina Schröder

Ihre künstlerische Arbeit habe ihr geholfen, sich aus einigen dieser Zwänge zu befreien. Sie hofft, jungen Frauen mit ihrer Kunst zu helfen, indem sie darauf aufmerksam macht, dass weibliche Lust, der Körper und Stereotypen nicht zu entsprechen kein Grund zur Scham sind. Die Inhalte ihrer Songs würden besonders von Männern falsch aufgefasst. Sie merke, dass sie nicht damit umgehen könnten, weil sie sich teilweise angegriffen fühlten, "obwohl dass das Letzte ist, was ich will", sagt Yung FSK18. 

Ich merke auch sehr stark, dass [...] viele Männer gar nicht damit umgehen können, weil sie sich teilweise angegriffen oder erniedrigt fühlen, obwohl das das Letzte ist, was ich will.

Yung FSK18 | Rapperin aus Halle

Yung FSK18 leistet kreativen feministischen Protest – auch, wenn ihre Texte nicht explizit politisch sind. Das liege daran, dass komplexe gesellschaftspolitische Zusammenhänge nicht in Punchlines passten, Songtexte zu Verkürzungen neigten und eine stichhaltige Analyse dadurch nicht möglich sei, meint sie. Dennoch könne politische Musik empowern, also eine Macht entfalten, und wenn sie dazu beiträgt, humanistische Werte zu vermitteln und für Chancengleichheit zu plädieren, eine wichtige Rolle einnehmen. Neben den manchmal politischen, erotischen und melancholischen Tönen bleibt die zentrale Botschaft von Yung FSK18’s Werk sehr eindeutig: Mach, was Du willst, hab Spaß dabei und lass dich nicht von gesellschaftlichen Normen unterdrücken. 

"Error*ines" – ein Grafik-Magazin aus Halle verbindet Feminismus und Kunst

Einer ähnlichen Botschaft hat sich das Hallenser Grafik-Magazin "Error*ines – The Megazine" in seiner ersten Ausgabe gewidmet. Im April 2021 wurde das Heft ins Leben gerufen und startete seine erste Auflage unter dem Thema "Lust und Egoismus – was macht dir Bock?"

Das vierköpfige Team hinter dem Grafik-Magazin habe sich während des Studiums an der Burg Giebichenstein kennengelernt und das Projekt während der Corona Pandemie entwickelt, erklärt Klara Goiny, Teil des Error*ines-Kollektivs, im Interview. Insgesamt 25 Personen aus Halle und anderen Städten hätten sich an der Erstausgabe 2021 beteiligt. Im Dezember vergangenen Jahres sei die mittlerweile dritte Ausgabe des Grafik-Magazins erschienen, die auch internationale Beiträge aus der Schweiz oder sogar Indien enthalte.

Der Gedanke dabei ist laut Goiny, ein Netzwerk zu schaffen und kreative feministische Arbeit aus institutionellen Räumen wie der Burg herauszuholen. Das sei wichtig, um FLINTA-Personen, die sich nicht professionell künstlerisch betätigen, einen Raum zu geben. Denn der Zugang zur Kunst- und Kulturszene bliebe ihnen immer noch oft verwehrt. Deshalb sei die Einladung, "Error*ines – The Megazine" mitzugestalten, ausschließlich an diese Personengruppe gegangen, betont die 28-Jährige.

Feministisches Grafik-Magazin kommt gut an – steht aber vor Herausforderungen

Den Herausgebenden ist es Goiny zufolge wichtig gewesen, das Magazin in Halle zu verwurzeln und den örtlichen Ursprung zu verdeutlichen. Bisher wurde es ausschließlich in der feministischen Buchhandlung Kohsie und in einem Hallenser Spätkauf öffentlich zum Verkauf angeboten. "Error*ines – The Megazine" komme gut an: Sie erhielten mittlerweile vermehrt Anfragen, an der Gestaltung des Heftes mitzuwirken. Doch es gebe auch Herausforderungen in der kreativ-feministischen Arbeitsweise des Kollektivs, erklärt Klara Goiny. Oft sei es nicht einfach, die Mischung aus gemeinschaftlicher Arbeit, Freundschaft und möglichst hierarchiefreien Arbeitsprozessen zu vereinen.

Dazu komme die schwierige finanzielle Situation. Das Magazin entstehe ehrenamtlich, die Einnahmen würden gespendet oder in die nächste Ausgabe investiert. Zunächst konnte das Team dahinter die Strukturen der Kunsthochschule nutzen und das Magazin teilfinanzieren. Das Vorhaben wurde mit einer Förderung durch das Programm "Fem Power" unterstützt, eine Initiative des Landes Sachsen-Anhalt und des Europäischen Sozialfonds für Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft und Forschung. Die Initiative wurde jedoch Ende 2022 eingestellt.

Yung FSK18 und das Error*ines-Kollektiv: Kunst braucht Freiraum und Förderung

Was kann man tun, wenn Fördermöglichkeiten gestrichen werden, die sich unter anderem für kreativ formulierte Geschlechtergerechtigkeit einsetzen? Es sei extrem wichtig, nach wie vor darüber zu sprechen, sich auszutauschen und zu überlegen, wie kreative und feministische Projekte weiter unterstützt und am Leben gehalten werden könnten, so Klara Goiny.

Yung FSK18 finanziere ihre Musik ebenfalls noch aus eigener Tasche. Ohne das Programm "Neustart Kultur - Initiative Musik" der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, der GEMA und des Deutschen Musikrats wäre es für die junge Musikerin noch schwieriger, sagt sie.

Weder das Error*innes-Kollektiv noch Yung FSK18 können von ihrer kreativen Passion leben, das wurde im Gespräch mit den jungen Frauen deutlich. Geld ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Was es auch brauche, seien Freiräume und Orte, an denen kreativ gearbeitet werden könne, meint Error*innes-Kollektivmitglied Goiny. Und wenn es schon an Ersterem mangelt, so sind Klara Goiny und Yung FSK18 sich im Bezug auf Zweiteres einig: Halle hat mehr als genug Platz und bietet jede Menge Potenzial und Raum für kreative Gesellschaftskritik.

Bildrechte: Paulina Schröder

Über die AutorinMarianna Martens Medienlaufbahn begann vor knapp zehn Jahren mit einem FSJ Kultur als tagesaktuelle Redakteurin und Moderatorin beim freien Radiosender LOHRO in Rostock. Neben ihrem Studium der Kulturwissenschaften und Ästhetischen Kommunikation sowie internationaler Kulturpolitik in Hildesheim produzierte sie mehrere geförderte und international ausgezeichnete Kurzfilme und Musikvideos. Aktuell arbeitet sie an ihrem ersten dokumentarischen Langfilm. Getreu dem Motto: Am "Anfang war das Wort" studiert sie seit 2023 den Master Multimedia und Autorschaft, um die inhaltlichen Zugänge zu medialer Praxis zu erforschen.

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MDR (Maren Wilczek)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. März 2024 | 08:10 Uhr

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