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Visualisierung einer möglichen Bebauung des Riebeckplatzes. Bildrechte: Vestico / Stadt Halle (Saale)

Entscheidung vor einem JahrZukunftszentrum in Halle zwischen Vorfreude und Ernüchterung

14. Februar 2024, 10:36 Uhr

Exakt ein Jahr ist es her, dass eine Auswahl-Jury Halle (Saale) erkoren hatte, Standort für das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation zu sein. Bierlaune im Brauhaus in Halle schloss sich an, Bürgermeister Egbert Geier schmiss eine Runde für alle, die an der erfolgreichen Bewerbung beteiligt waren und jene, die sich einfach mit freuten. In der Zwischenzeit ist viel passiert.

Die Vorfreude ist geblieben, vor allem aber bei jenen, die sich regelmäßig mit dem Projekt und seinen Chancen für die Region befassen. Bei vielen Bürgern hat sich jedoch eine gewisse Ernüchterung, fast schon motzig zu sein, breitgemacht. Das Geld sei etwa in maroden Schulen besser investiert, heißt es da und es wird verwiesen auf andere gut gemeinte Projekte, wie etwa das Charlottencenter in Halle, das in der Praxis schnell an Strahlkraft verlor.

Zukunftszentrum keine "Totgeburt"

Die ehemalige Chefin der Auswahl-Jury für das Zukunftszentrum und SPD-Bundestagsabgeordnete für Mansfeld-Südharz, Katrin Budde, kann die Skepsis der Leute verstehen. Das Zukunftszentrum sei mit dem Charlottencenter oder der in der Kritik stehenden Hasselbachpassage in Magdeburg nicht zu vergleichen: "Das Zukunftszentrum ist eine Bundes-Institution, die vom Bund bezahlt wird und für die Stadtgesellschaft und die Menschen in Deutschland und Europa da ist." Budde ergänzte mit Blick auf die Relevanz des Themas Zukunft: "Die Institution wird qua ihrer Arbeit Menschen nach Halle holen, deshalb kann es gar keine Totgeburt sein, weil wir Menschen hier in Halle ins Gespräch bringen und mit ihnen darüber reden, wie die Zukunft aussieht."

Vorbehalte gegenüber dem Projekt kennt auch die Vorsitzende des Halleschen Stadtrates, Katja Müller (LINKE). "Es wird viel gemotzt", sagt sie im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. "Aber Schulen würden marode bleiben, auch wenn wir das Zukunftszentrum nicht bauten – es sind einfach andere Töpfe." Dann wird sie grundsätzlicher: "Wir haben einhellige Freude über die Entscheidung für Halle erlebt und jeder wusste, dass es ein langer Weg werden wird. Dass aber nach einem Jahr der Stadtgesellschaft bereits die Puste abhandengekommen ist und man sich in kleinteiligen Debatten verliert, ist traurig."

Am Riebeckplatz in Halle soll das Zukunftszentrum entstehen. Bildrechte: picture alliance/dpa/Heiko Rebsch

Was macht das Zukunftszentrum Deutsche Einheit in Halle?

In Ostdeutschland soll ein Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation entstehen. Als Standort haben sich auch zahlreiche Städte in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beworben. Anfang 2023 hat die Stadt Halle (Saale) den Zuschlag bekommen. Das Zukunftszentrum soll ein wichtiger Ort der Begegnung zwischen Ost und West und des lebendigen und lernenden Dialogs über die unterschiedlichen Umbruch-Erfahrungen in Europa, sagte der Ostbeauftragte des Bundes, Staatsminister Carsten Schneider (SPD) MDR SACHSEN-ANHALT. Das Zentrum soll bis 2028 in Halle entstehen und pro Jahr eine Million Gäste in die Saale-Stadt locken. Für Baumaßnahmen und den Umbau des benachbarten Riebeckplatzes werden laut aktueller Schätzungen rund 70 Millionen Euro gebraucht.

"Knaller und Gewinn" für Halle und die Region

Dabei spielt die Stadtrats-Chefin auf hartnäckige Gerüchte an, die "Hochstraße" müsse abgerissen werden, was jedoch nicht stimme. Lediglich die ohnehin wenig befahrenen Brücken von der Merseburger Straße kommend über den Riebeckplatz müssten weichen. Katja Müller gibt zu, dass Probleme gelöst werden müssen, aber man müsse vor allem den langfristigen Nutzen des Zukunftszentrums sehen. "Das Ding bleibt ein Knaller und ein Gewinn für Halle und die ganze Region", so die Stadtratsvorsitzende.

Ähnlich begeistert und zuversichtlich äußert sich auch der Bürgermeister der Stadt Halle, Egbert Geier (SPD): "So etwas Großes, Gutes und Visionäres und Nachhaltiges, wie es das Zukunftszentrum ist, geht nicht einfach. Da müssen alle an einem Strang ziehen und hart arbeiten und das haben Stadt, Land und Bund meiner Meinung nach auch gemacht." Geier verweist dabei ausdrücklich auf die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat, als es darum ging, den Beschluss zu fassen, das Zukunftszentrum in die Mitte des Riebeckplatzes zu rücken und auf die erfolgreiche Suche nach Lösungen zur Finanzierung der neuen Infrastruktur rund um den Riebeckplatz und das Zukunftszentrum. Bisher werden für den Bau 200 Millionen Euro eingeplant.

Kritik aus der Bevölkerung nachvollziehbar

Dennoch: Kritik aus der Bevölkerung, dass auch ein Jahr nach der Entscheidung weitgehend unklar ist, was ganz konkret ins Zentrum kommt, kann Kathrin Budde durchaus nachvollziehen. Sie verweist – ähnlich wie Geier – aber auch auf die notwendigen verwaltungstechnischen Abläufe im Hintergrund, die bislang die Kräfte bündelten. "Das Zentrum wird sichtbar werden, wenn wir den Architektur-Wettbewerb starten und die Träger-Gesellschaft gründen. Das alles soll im ersten Halbjahr geschehen", versprach Budde. "Der Aufbau-Stab wird eine Tür haben, ein Fenster und Menschen, die ansprechbar sind." Bei der Entstehung des Zentrums sollten ausdrücklich auch die Wünsche und Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden. Entsprechende Dialog-Formate, etwa mit Kirchen oder auch mit jungen Menschen, haben bereits stattgefunden.

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MDR (Marc Weyrich, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 14. Februar 2024 | 06:30 Uhr

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