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Über Messengerdienste und auf Sozialen Netzwerken werden mitunter Straftaten wie Beleidigungen oder Verleumdungen begangen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Experten dafürNeuausrichtung bei Staatsanwaltschaft soll Ermittlungen zu Hass im Netz besser machen

23. November 2022, 16:31 Uhr

Mit einer sogenannten Zentralstelle für Hasskriminalität im Internet will Sachsen-Anhalts Justizministerin Franziska Weidinger die Verfolgung von Hasskommentaren und Verleumdungskampagnen neu aufstellen. Bei einem Fachgespräch im Justizausschuss wurde deutlich, wie groß das Problem mit Hass im Netz ist. Die bislang bekannten Pläne gehen aber nicht allen weit genug.

Hasskommentare und Beleidigungen im Netz treiben Behörden und Politik um. In Sachsen-Anhalt plant die Landesregierung nun, stärker dagegen vorzugehen. Dass das Not tut, zeigte am Mittwoch eine Anhörung im Justizausschuss des Landtags.

Betroffene von Hasskriminalität gebe es viele, schilderten Expertinnen: Frauen, queere und migrantische Menschen, Jugendliche, aber auch Politiker und Journalisten. Diese würden durch Hass aus der Öffentlichkeit gedrängt, sagte Bianca Biwer vom Hilfswerk "Weisser Ring". Der Weisse Ring führt mittlerweile sogar "Aussteigerlisten" von Menschen, die sich wegen Hass im Internet nicht mehr äußern. Biwer sprach von "Demokratiegefährdung".

Der Polizeiwissenschaftler Martin Thüne warnte zudem vor wirtschaftlichen Schäden, wenn Betroffene länger ausfallen. Denn Hassgewalt greife Menschen "als Person an", so Thüne. Entsprechend nah gehe sie. Die digitale Form, also etwa via Facebook, E-Mail oder Telegram, sei dabei die häufigst wahrgenommene Gewalt. Angezeigt werde sie aber selten.

Justizministerin Weidinger: Neue Zentralstelle kommt

"Wir müssen da einfach schlagfertiger werden", sagt Justizministerin Franziska Weidinger. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Klaus-Dietmar Gabbert

Sachsen-Anhalts Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) will 2023 eine Zentralstelle für Hasskriminalität im Internet einrichten. Bei der Staatsanwaltschaft Halle liefen dann alle Ermittlungen in einem neuen Dezernat zusammen. Die Stelle müsste sich dann landesweit mit Delikten wie Volksverhetzung, Beleidigungen oder der Bedrohung im Netz befassen. So sieht es ein internes Konzept ihres Hauses vor.

"Wir müssen da einfach schlagfertiger werden und das Wissen der verschiedenen Akteure bündeln und zusammenarbeiten", sagte Weidinger dem MDR am Rande der Anhörung. Das habe sich in Gesprächen mit verschiedenen Ermittlungsbehörden gezeigt.

Die Zentralstelle soll auch digitale Forensik betreiben, also die Spurensicherung im Netz und auf Computern. Die Spezialisierung bei der Ermittlungsarbeit sei auch deshalb nötig, da Hetzer teilweise anonym agierten.

Weil mögliche Gewalttäter oft zuerst online auffällig werden, hofft man im Justizministerium, künftig schneller auch auf diese aufmerksam zu werden. Zudem soll die Zentralstelle Trends bei Straftaten herausarbeiten. Von diesem Wissen würde die gesamte Strafverfolgung im Land profitieren, heißt es.

Andere Bundesländer haben bereits Zentralstellen

Durch öffentliche Ansprechpartner soll auch das Vertrauen von Betroffenen in die Ermittlungsarbeit gestärkt werden. Derzeit geht man von einer hohen Dunkelziffer aus, da viele Betroffene keine Anzeige erstatteten. In Magdeburg war das zuletzt in mindestens einem Fall auch durch die Ermittlungsbehörden selbst verhindert worden, wie Recherchen des "ZDF-Magazin Royale" zeigten. Hier versagte allerdings die Polizei.

In Bundesländern wie Brandenburg oder Hessen gibt es eine solche Zentralstelle der Staatsanwaltschaften bereits. Allein im Nachbarland Niedersachsen hat man dort im vergangenen Jahr über 1.000 Verfahren eröffnet. Etwas weniger als ein Drittel wurde auch vor Ort zur Anklage gebracht.

"Dort wo Zentralstellen existieren, werden Fälle gezielter verfolgt, weniger Verfahren eingestellt", sagte Anna Wegscheider, Juristin bei der Hilfsorganisation "HateAid" bei der Anhörung im Justizausschuss. Dafür brauche es keine neuen Gesetze.

Ruf nach Unterstützung von Beratungsstellen

Entsprechend breit war die Unterstützung für Weidingers Plan, in Sachsen-Anhalt nachzuziehen. Mehrere Experten stellten sich zudem hinter Forderungen der Grünen im Landtag. Diesen geht der Plan des Ministeriums nicht weit genug. Sie bemängeln das Fehlen einer Gesamtstrategie gegen Hasskriminalität und wollen Beratungsstellen stärker einzubeziehen. Letztere will auch die Linke besser stellen.

Wann genau Sachsen-Anhalts Zentralstelle für Hasskriminalität nun startet, steht noch nicht fest. Franziska Weidinger will ihr Konzept noch dem Rechtsausschuss vorstellen. Man sei aber startklar, so Weidinger. Wie viel Personal gebraucht wird, wollte sie nicht sagen. Im Haushaltsentwurf der Landesregierung für 2023 ist ein genereller Aufwuchs bei Sachsen-Anhalts Justiz geplant.

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MDR (Thomas Vorreyer)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. November 2022 | 17:00 Uhr

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