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Kommentar zur Landtagswahl 2021Haseloff schlägt AfD – die schweigende Mehrheit gewinnt

06. Juni 2021, 21:11 Uhr

Die Umfragen zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt haben sich nicht bewahrheitet, das enge Rennen zwischen CDU und AfD bleibt aus. Haseloffs klare Absage an die AfD hat jene mobilisiert, die die in Teilen rechtsextreme Partei nicht in Führung sehen wollen, aber sich sonst zurückhalten. Mit der starken CDU allein ist nicht viel gewonnen, denn die Gefahr namens AfD bleibt. Die Arbeit der Parteien geht jetzt also erst richtig los. Und auch die Koalitionsbildung wird kein Selbstläufer. Ein Kommentar.

Sein kategorisches Nein brachte die Entscheidung: der alte und wohl neue Ministerpräsident, Reiner Haseloff. Bildrechte: picture alliance/dpa | Robert Michael

Es ist ein altes Lied. Die AfD beansprucht gerne für sich, Stimme einer schweigenden Mehrheit zu sein. Doch Obacht, in Sachsen-Anhalt hat sich einmal mehr das Gegenteil bewahrheitet: Während regelmäßig bei AfD-Themen die Kommentarspalten und sozialen Medien überlaufen und mancher Wahlkämpfer Gewaltandrohungen über die Marktplätze brüllt, lässt die CDU die AfD laut den ersten Hochrechnungen deutlich hinter sich.

Haseloffs klare Kante gegen die AfD holt die entscheidenden Stimmen

Das Duell aber hat nicht die Partei selbst entschieden. Sondern der Ministerpräsident. Reiner Haseloff (CDU) profitiert von einem Amtsinhaberbonus, den er sich als Steuermann in der Corona-Pandemie erarbeitet hat. Er profitiert aber auch von seiner stets klaren Absage an eine Zusammenarbeit mit der AfD. Sonst wäre der Zulauf im Vergleich zu den letzten Umfragen nicht erklärbar. Da lag die AfD noch in Schlagdistanz zur CDU.

Für Haseloff dürften auch weniger diejenigen gestimmt haben, die sich in den vergangenen Jahren bei Demonstrationen wie "Unteilbar" engagiert haben. Eher war es die schweigende Mehrheit, die dann doch nicht wollte, dass Sachsen-Anhalt das erste Bundesland wird, in dem die hier in Teilen rechtsextreme AfD die stärkste Kraft bei einer Landtagswahl wird.

Die CDU hat dafür in der Auseinandersetzung mit der Partei kaum etwas getan, sieht man einmal von Haseloffs kategorischen Nein ab. Hätte es das nicht gegeben, der Wahlabend wäre wohl anders ausgegangen. Einige bis dato mächtige CDU-Abgeordnete hatten in der Vergangenheit nämlich die Zusammenarbeit mit der AfD gefordert. Doch diese CDU-Rechtsaußen waren zuletzt abgetaucht und dürften nach diesen Ergebnissen jetzt wohl in die zweite und dritte Reihe zurückrücken.

Koalitionsbildung wird kein Selbstläufer und Wahlkampf sollte aufgearbeitet werden

Für die nächste Landesregierung hat die CDU nun die breite Auswahl aus SPD, Grünen und FDP als mögliche Partner. "Kenia", "Deutschland", "Jamaika" – alles scheint derzeit möglich. Die Menschen im Land wünschen sich eher eine Zusammenarbeit von CDU mit SPD und FDP. Dafür stünden beide wohl bereit.

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Haseloff wollte sich am Abend noch nicht festlegen. Er weiß sehr gut, dass keine der drei Varianten für die CDU ein Selbstläufer wäre, egal, wie stark man nun ist. Jede Koalition hätte unterschiedliche Möglichkeiten und Schwierigkeiten.

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Es wird aber auch über den Wahlkampf nochmal zu sprechen sein. Die Grünen bezeichneten Haseloff in der Corona-Frage als "Geisterfahrer", der CDU-Mann revanchierte sich wenige Tage vor der Wahl mit einer steilen These: Wer nicht ihn und die CDU wähle, also auch nicht eine der Koalitionsparteien, "der schadet dem Land". Er allein könne schließlich die AfD aufhalten. Ein harter Schlag für all jene, die zuletzt versucht haben, die AfD zu stellen – und die mehrheitlich eben nicht in der CDU zu finden sind. So können die Parteien nicht weiter miteinander umgehen.

Andere Parteien leiden nicht nur unter dem Amtsinhaberbonus der CDU

Der vor der Wahl vorhergesagte grüne Aufschwung blieb hingegen aus. Die Partei könnte am Ende nur sechststärkste Kraft werden, trotz leichter Zugewinne. Dafür dürfte auch der Streit um das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium beigetragen haben. In Vorwahlumfragen haben die Grünen vor allem bei der Kompetenz für Umweltschutz eingebüßt. Der miserable Zustand der ausgedorrten und teils abgestorbenen Wälder im Harz, der oft scharfe Kampf mit den Landwirten – all das wiegt symbolisch schwerer als die Erfolge wie das Natura 2000 und das Grüne Band.

Die FDP kann sich freuen. Im Wahlkampf hat sie gerade noch so viele Wählende nachhaltig überzeugen können, dass sie der Haseloff-Effekt nicht doch noch aus dem Landtag geworfen hätte.

Letzterer hat vor allem die SPD getroffen. Anders als von den Umfragen prognostiziert, scheint man doch noch einmal abzurutschen und schneidet wohl historisch schlecht ab. Dennoch stehen alle Zeichen auf Weiterregieren. Das sollte die Partei auch versuchen, denn wenn sie nicht einer ihrer drei Führungspersonen zu landesweiter Bekanntheit und einem Profil verhilft, wird die nächste Wahl schlechter ausfallen.

Die Linke wird zumindest darauf aufbauen können, noch drittstärkste Kraft zu sein. Für die nächste Wahl braucht es aber mehr Konsequenz im Wahlkampf, sowohl was Themensetzung, Stil als auch Motivation der Mitgliederschaft betrifft. Sonst wird vor allem das demografische Problem der alternden Anhängerschaft nicht auszugleichen sein.

Die Gefahr namens AfD bleibt bestehen

Und die AfD? Die wird sich von diesem Ergebnis wohl kaum zähmen lassen. Zu radikal ist der Landesverband. Was im Wahlkampf auffiel: Als einzige Partei hielt die AfD durchweg Kundgebungen im Land ab, mit überschaubarem Andrang. Die Anti-Lockdown-Politik mobilisierte weit weniger als das Thema Migration vor fünf Jahren. Abgeordnete beklagten zuletzt, dass sich einige Wählende wohl zu viel von einer Stimme bei der Partei erhofft hatten: Für die AfD sei es schwer, ihre parlamentarische Arbeit als Erfolg zu verkaufen.

Doch die Gefahr durch die Partei bleibt. Zum einen repräsentiert die AfD weiterhin mehr als ein Fünftel aller Wählenden. Zum anderen haben die lange zerstrittene Fraktion und auch die Landespartei in den letzten Jahren die Reihen geschlossen.

Dabei dürfte es jetzt auch bleiben, obwohl man das eigene Ziel wohl knapp verpassen wird: Der tiefstapelnde Spitzenkandidat Kirchner wollte gern ein Viertel aller Abgeordneten stellen. Damit kann man die Regierung vors Landesverfassungsgericht ziehen. Dafür bräuchte die AfD nun Hilfe, die sie nur schwerlich bekommen wird.

Die nächste Krise kommt bestimmt. Die AfD, deren Anhänger ihr auch deutlich mehr Kompetenzen zuschreiben als noch vor fünf Jahren, wird sie wieder für sich zu nutzen versuchen. Die anderen Parteien, einschließlich Haseloff und der CDU, werden neben aller Abgrenzung auch die inhaltliche Auseinandersetzung suchen müssen. Sie werden schneller sein müssen, besser vor Ort vernetzt. Und sie müssen erklären, wohin das Programm der AfD führt, etwa in der Schulpolitik. Die Arbeit geht also erst richtig los.

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MDR/Thomas Vorreyer

Dieses Thema im Programm:MDR Extra – Die Entscheidung in Sachsen-Anhalt | 06. Juni 2021 | 17:45 Uhr

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