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Lydia Hüskens, Vorsitzende der FDP Sachsen-Anhalt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Peter Gercke

Mögliche Ministerin für Infrastruktur und DigitalisierungLydia Hüskens: "Wir müssen bei Digitalisierung jetzt etwas machen"

23. August 2021, 19:44 Uhr

In Sachsen-Anhalt wollen CDU, SPD und FDP bei der Digitalisierung neue Wege gehen. Künftig soll Lydia Hüskens für das Thema als Ministerin verantwortlich sein. In einem ausführlichen Interview erklärt die FDP-Politikerin, wie sie die Verwaltung digitalisieren und die Schulen ans Breitband anschließen will. Außerdem Thema: Bürokratieabbau, Infrastrukturprojekte und ihren Ansatz für Klimaschutz in Sachsen-Anhalt.

Im Flur läuft noch ein Bautrockner und in den Wänden stecken leere Dübel. Aber die neue FDP-Fraktion kommt langsam an. Die Liberalen haben ihre neuen Büros schräg gegenüber vom Landtag bezogen. Für Fraktionschefin Lydia Hüskens ist es das erste Interview hier. Läuft alles nach Plan, bekommt sie bald ein Büro in einem Ministerium dazu: Unter Schwarz-Rot-Gelb will Hüskens Sachsen-Anhalts neue Ministerin für Infrastruktur und Digitalisierung werden.

MDR SACHSEN-ANHALT: Frau Hüskens, "Digitalisierung ist das Überlebensthema" heißt es im Werbespot der FDP zur Bundestagswahl. Sachsen-Anhalt hängt da weit zurück. Sie sollen Digitalisierungsministerin werden. Kommt jetzt also Doktor Hüskens mit der Digitalisierungsspritze?

Lydia Hüskens: Wir müssen jetzt etwas bei der Digitalisierung machen. Wenn wir Mitte September in die neue Regierung gehen, will ich zunächst schauen: Wo stehen wir exakt? Wo sind welche Probleme? Woran liegt es, dass manche Termine in den letzten Jahren nie gehalten werden konnten?

Der Termin für Breitband für Schulen oder Gewerbegebiete beispielsweise wurde viermal verlegt. Ich gehe davon aus, dass es da wirklich Probleme gibt bei der Umsetzung. Die will ich mir einfach mal vortragen lassen. So dass man dann überlegt, wie wir das lösen können, um möglichst zeitnah das Ziel zu erreichen, das wir erreichen wollen.

Dieses Interview deckt mehrere Themen des neuen Koalitionsvertrags ab. Zum Thema Digitalisierung hören Sie Lydia Hüskens ungekürzt hier:

Die FDP saß fünfzehn Jahre lang nicht in der Regierung. Die Umstrukturierung der Ressorts könnte laut Menschen, die sowas schon mitgemacht haben, bis zu einem Jahr dauern. Wann ist das neue Superministerium einsatzfähig?

Wir werden schneller arbeitsfähig sein. Aus dem einfachen Grund, weil kein eigenes Digitalisierungsministerium bilden. Das physische Umziehen, die Zuordnung in der Abteilung – das dauert sicherlich ein paar Tage. Aber dann muss es losgehen und die Digitalisierungsabteilung mit den anderen Ressorts ins Gespräch kommen. Damit wir möglichst schnell zu einer Konzeption kommen, um das Land voranzubringen.

Sie wollen zunächst eine Digitalisierungsstrategie erarbeiten. Wann steht die?

Das kann ich erst sagen, wenn ich gesehen habe, wo eigentlich Probleme gesehen werden und wo man nur die Bremse lockern muss.

Lydia Hüskens will unbedingt in Sachsen-Anhalt mitregieren. Das hatte sie bereits am Wahlabend klargemacht:

Die drei Parteien wollen für ein Corona Sondervermögen 1,5 Milliarden Euro Schulden machen und damit auch in die Digitalisierung investieren. Werden damit bereits alle Ausgaben des Ressorts gedeckt?

Der klassische Einzelplan für Digitalisierung muss natürlich die ganz normalen Aufgaben abbilden und finanzieren. Das Sondervermögen soll die Aufgaben abdecken, wo wir schlicht ergreifend gemerkt haben, dass Digitalisierung uns hier krisenfester macht.

Sind alle Aufgaben, die Sie sich gegeben haben, nun gedeckt, oder nicht?

Viele sollten gedeckt sein. Ob es alle sind, kann ich tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt sagen.

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Sachsen-Anhalts Verwaltung soll digitalisiert werden und so Geld gespart werden. Wie viel Geld denn genau?

Das kann im Augenblick noch keiner beziffern. Uns geht es vor allem darum, die Arbeit und Leistungen der öffentlichen Hand effizienter zu machen. Bürger, Unternehmen, Verbände, Vereine nervt es, dass Verwaltungsverfahren so lange dauern. Wir wollen mit der Digitalisierung auf der einen Seite dafür sorgen, dass das besser und schneller für die Bürger wird. Auf der anderen Seite wollen wir die Arbeit auch mit potenziell weniger Personal hinbekommen.

Wird also beim Personal gespart?

Wir haben nicht vor, in einzelnen Bereichen die Personalzahl zu reduzieren. Vordergründig geht es darum, Aufgaben der öffentlichen Hand auf einem hohen Niveau auch dann sicherstellen zu können, wenn der demografische Wandel in diesem Bereich deutlicher seinen Spuren hinterlässt. Da sieht man schon die ersten Vorboten.

Schwarz-Rot-Gelb will ab 2022 eine Deckungslücke von 1,5 Milliarden Euro jährlich schließen. Laut SPD-Finanzpolitiker Andreas Schmidt auch durch die Digitalisierung der Verwaltung. Ist das überhaupt realistisch?

In der Summe und so kurzfristig: nein. Ich entlasse die Mitarbeiter ja nicht, sondern ich bekomme eine Rendite erst, wenn jemand üblicherweise aus Altersgründen den öffentlichen Dienst verlässt oder zu einem anderen Arbeitgeber wechselt.

Andreas Schmidt, Ko-Landesvorsitzender der SPD, Anfang August über die Finanzpläne von CDU, SPD und FDP:

Auf welche Einsparungen muss sich das Land dann einstellen, wenn in den nächsten Monaten die Haushaltsverhandlungen beginnen?

Als Koalitionspartner haben wir uns das Ziel gesetzt, die Wirtschaft möglichst schnell wieder hochzufahren. So können wir mehr Steuereinnahmen generieren. Wir müssen dafür alles machen – von der Entbürokratisierung bis hin zur Beschleunigung von Planungsverfahren. Auf der anderen Seite werden wir sicherlich in den nächsten ein, zwei Jahren auch über Einsparungen diskutieren müssen.

Auch den Ihnen zugedachten Ressorts?

Ich muss dafür zu sorgen, dass diese wichtigen Bereiche, die die Infrastruktur des Landes darstellen, dass deren nötige Aufgaben auch finanziert werden. Ob es da das eine oder andere gibt, das man schieben oder worauf man verzichten kann, muss ich mir erst ansehen.

Bei Mobilität ist im Vertragsentwurf die Rede von "klugen Anreizen", vom "Zukunftslabor für vernetzte Mobilität" und einer "Angebotsoffensive". Konkrete Zahlen und Ziele fehlen. Ein richtiger Plan offenbar auch. Können Sie garantieren, dass es in Sachsen-Anhalt bald einen besseren ÖPNV gibt als jetzt?

Das ist unser Ziel. Der öffentliche Personennahverkehr und der Individualverkehr sollen als Partner nebeneinander existieren können. Es gibt aber viele Räume in Sachsen-Anhalt, in denen ich mit dem ÖPNV überhaupt nicht vorankomme. Da brauchen wir bessere Taktungen und ein besseres Ineinandergreifen. Dieser Aufgabe wollen uns stellen. Gemeinsam mit den Verkehrsträgern und in sinnvoller Abstimmung mit dem Schülerverkehr.

Grundsätzliche Veränderungen wird es aber nur geben, wenn es die im Vertragsentwurf erwähnten Bundesmittel nach der Bundestagswahl auch tatsächlich kommen, oder?

Ja. Wir werden das sicherlich nicht aus reinen Landesmittel stemmen können. Im Landtagswahlkampf haben wir kritisiert, dass Förderprogramme des Bundes oder EU in Sachsen-Anhalt oft nicht so schnell umgesetzt werden können, wie das wünschenswert ist. Auch das ist ein Punkt, wo man besser werden kann.

Die Koalition in spe bekennt sich zur Fertigstellung der A14 und der A143 bis 2024. Die Bauarbeiten waren von zahlreichen Verzögerungen geprägt. Werden wir Sie mit der Schere beim Durchschneiden der beiden Bänder erleben?

Das ist mein Ziel. Aber Sie haben völlig recht: Das sind immer natürlich eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten. Mein Navigationssystem hat die A143 schon seit fünf Jahren eingebucht. Ich will da mehr Dynamik reinbekommen und werde mit den Kolleginnen und Kollegen im Ressort sprechen, warum man da nicht entsprechend vorangekommen ist.

Ein Blick auf den schleppenden Fortschritt bei der Nordverlängerung der A14. Hier der Abschnitt Samswegen im Jahr 2020:

An vielen Stellen des Vertragsentwurfs ist die Rede von Planungsbeschleunigungen. Ist das das erste Projekt, das Sie als Ministerin angehen würden?

Entbürokratisierung – und dazu gehören Planungsbeschleunigungen – muss man am Anfang aufsetzen. Das sind Sachen, die nie schnell gehen. Sie müssen zunächst feststellen, auf welche Verfahrensteile Sie zum Beispiel verzichten können und welche Sie durch Digitalisierung beschleunigen können, so dass die Daten nicht mehr per Post kommen. Da bin ich sehr gespannt, auch auf die Ideen aus dem dem Ressort.

Die Landesentwicklung ist wichtig für Energie und Klima. Sie wollen eine klimaneutrale Wirtschaft fördern. Warum aber sind die Ziele dafür so verhalten formuliert? Statt zum Beispiel einen konkreten Teil der Landesfläche für Wind- und Solarstromproduktion zur Verfügung zu stellen wollen, heißt es nur, diese soll bevorzugt auf Brachflächen und Deponien stehen.

Wir haben Flächenzahlen tatsächlich vermieden. Wenn ich Photovoltaik-Anlagen auf einen Acker setze, habe ich einen erheblichen Flächenverbrauch. Auf Dächern oder an Häuserwänden wäre der kleiner. Regenerative Energie sollen eine größere Bedeutung im Land bekommen. Da gab es keine Diskussionen. Wir stehen zu den Klimazielen.

Die drei Parteien wollen Sachsen-Anhalt zum Vorreiter für grünen Wasserstoff machen. Dafür braucht es regenerative Energien im großen Maße. Die Grünen haben auch deshalb zwei Prozent der Landesfläche für eben diese gefordert.

Ich habe einfach nirgendwo gehört, wie die die Flächengröße herleiten. In unseren Gesprächen mit den Grünen hat das Thema, nach meiner Erinnerung, keine Rolle gespielt.

Mit ein paar bestückten Dächern werden Ihre Ziele kaum zu schaffen sein.

Das Land stellt bereits jetzt alles andere als wenig Flächen für regenerative Energien zur Verfügung. Ich erkenne Sachsen-Anhalt im Dunkeln an diesem wunderschönen Diskolicht. Wir wollen Photovoltaik auch auf Konversionsflächen, den alten LPG-Flächen errichten.

Und wir diskutieren in der Landwirtschaft über eine kombinierte Nutzung. Also auf einer Fläche wird Ackerbau betrieben, auf der anderen stehen Photovoltaikanlagen. Das wird seitens der Landwirte enorm nachgefragt, gerade auch auf Böden, deren Ertrag sonst nicht so hoch ist.

Das schwarz-rot-gelbe Zauberwort beim Klimaschutz heißt "Akzeptanz". Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger stärker mitnehmen. Was passiert, wenn die sich nicht mitnehmen lassen? Stehen Sie dann auch als Infrastrukturministerin in der ersten Reihe?

Wir haben es in Sachsen-Anhalt lange einfach versäumt, vor allem die ländliche Bevölkerung bei Photovoltaik und Windenergie mitzunehmen. Wenn ich im Schlagschatten eines Windparks wohne und weiß, dass darüber Infrastruktur im Dorf mitfinanziert wird oder deshalb der Strom im Ort preiswerter ist, kann man das meiner Meinung nach manchmal eher akzeptieren. Sonst bleibt nur Benachteiligung. Das ist eine Kommunikationsaufgabe, der sich das gesamte Kabinett stellen muss.

Beispielhaft für die Diskussion um Windkraft in Sachsen-Anhalt steht ein Windpark in Osterburg, über den der MDR 2020 berichtete:

Angesichts von Klimaklagen oder des dramatischen Berichts des Weltklimarats dürften in den nächsten Jahren in Berlin und Brüssel erhebliche politische Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden. Verteidigen Sie die dann auch?

Eine Landesregierung muss bundesrechtliche Vorgaben umsetzen, egal ob die ihr gefallen oder nicht. Ich persönlich halte aber nichts davon, Menschen immer mehr zuzumuten. Stadt und Land driften da in der gesamten Bundesrepublik auseinander. Wir haben eine urbane Bevölkerung, die ganz klare Vorstellungen hat, wie nachhaltig sie leben möchte, und dazu häufig Forderungen aufstellt. Und wir haben eine ländliche Bevölkerung, die in ihrer Wahrnehmung überwiegend die Lasten davon trägt. Das ist auf Dauer so nicht zu halten.

Aber wie würden Sie sich gegenüber den Menschen verhalten?

Ich würde das genauso kommentieren, wie ich es gerade gemacht habe. Was ich allerdings nicht tun werde, ist, das mit Begeisterung gut zu finden. Das muss ich nicht.

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MDR/Thomas Vorreyer

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 24. August 2021 | 17:00 Uhr

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