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Maßnahme gegen LehrermangelSachsen-Anhalts Bildungsministerium mit Zusatzstunde für Lehrer zufrieden – die Lehrkräfte nicht

05. Dezember 2023, 14:21 Uhr

In Sachsen-Anhalt unterrichten Lehrerinnen und Lehrer seit April jede Woche eine Stunde mehr. Das soll den Lehrermangel im Land ausgleichen. Die sogenannte Vorgriffstunde wirkt, meint das Bildungsministerium. Das System, mit dem die Stunden gebucht und ausgezahlt werden, wird derzeit aber noch überarbeitet. Von Lehrergewerkschaft und Lehrern gibt es heftige Kritik an der Mehrarbeit.

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Seit April unterrichten Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen-Anhalt wöchentlich eine Stunde mehr, um den Lehrermangel auszugleichen. Das Bildungsministerium wertet die zusätzliche Pflichtstunde als Erfolg. Wie Ministeriumssprecher Elmer Emig der Mitteldeutschen Zeitung sagte, wurden damit rein rechnerisch 500 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen.

Buchung und Auszahlung der Zusatzstunde wird noch überarbeitet

Emig bilanziert: "Die 500 zusätzlichen Stellen, die durch die Vorgriffstunde generiert werden sollten, wurden bereits erreicht." Der Berechnung liegt laut Ministerium zugrunde, dass jeder Vollzeitlehrer pro Schuljahr rund 1.000 Unterrichtsstunden erteilt. Etwa eine halbe Million Schulstunden seien auf diese Weise abgesichert worden.

Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT teilte Emig mit, die Erfassung und Buchung der Zusatzstunde werde derzeit überarbeitet. Sobald die Buchungen für das vergangene Schuljahr abgeschlossen seien – das solle bis Mitte Dezember passieren – wolle man die Daten digital erfassen. Im Frühjahr 2024 solle dann ein monatlicher Rhythmus für Meldungen und Auszahlungen eingeführt werden. Allerdings würden die Zusatzstunden zeitversetzt zwei Monate später ausgezahlt.

Bildungsministerium sieht Zusatzstunde für Lehrer als Erfolg an

Auch Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) wird in der Mitteldeutschen Zeitung zitiert und spricht von einem Erfolg. "Zu Recht können das Ministerium und seine nachgeordneten Behörden stolz darauf sein, dass viele Punkte des bildungspolitischen Dialogs bereits umgesetzt oder auf den Weg gebracht wurden." 

Zusatzstunde wegen niedriger Unterrichtsversorgung

Vor knapp einem Jahr war die Unterrichtsversorgung im Dezember 2022 auf durchschnittlich 93,5 Prozent gesunken. Eine Datenanlayse gibt detailliertere Einblicke, wo die Versorgung besonders schlecht war. Der Punkt der Abdeckung ist allerdings klar im Koalitionsvertrag der Landesregierung von Sachsen-Anhalt beschrieben: "Wir halten am Ziel der 103-prozentigen Unterrichtsversorgung fest."

Das Problem ist nur: Bisher waren viele Schulen im Land weit von diesem Ziel entfernt. Zu Beginn des neuen Schuljahres teilte das Bildungsministerium im August mit, die schulformübergreifende Unterrichtsversorgung liege bei rund 95,5 Prozent. Das seien rund 3,5 Prozentpunkte mehr als zum vorhergehenden Schuljahresbeginn.

Nachdem bereits im Dezember 2022 klar wurde, dass die Unterrichtsversorgung weit entfernt von der Zielvorgabe ist, machte der Ministerpräsident Reiner Haseloff das Thema zur Chefsache. Bei einem Bildungsgipfel im Januar war schließlich angekündigt worden, dass Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen-Anhalt ihre Wochenarbeitszeit um eine Stunde erhöhen. Dadurch solle die Unterrichtsversorgung wieder auf 100 Prozent steigen, hatte Haseloff damals erklärt.

Die von der Landesregierung Anfang März beschlossene Regelung verpflichtende "Vorgriffstunde" ist laut Bildungsministerium für fünf Jahre eingeführt worden. Die Lehrer können wählen, ob sie sich die zusätzliche Schulstunde auszahlen lassen oder in späteren Jahren abbummeln wollen. Laut Sprecher haben sich bisher rund 75 Prozent für das Geld entschieden.

Elternrat in Sachsen-Anhalt zweifelt Zahlen an

Der Landeselternrat zweifelt die positive Bilanz der Ministeriums an. Ihm fehlten belastbare Zahlen. Thomas Senger vom Landeselternrat sagte, man könne bislang nicht beobachten, dass Unterrichtsausfälle signifikant reduziert worden seien. Man wisse allerdings nicht, wie viele Stunden ausgefallen wären, wenn es die zusätzliche Pflichtstunde nicht gegeben hätte.

Scharfe Kritik von GEW: Erfolgsmeldung sei "Fake"

Die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Sachsen-Anhalt bezeichnete die Erfolgsmeldung als "Fake". Vielerorts gebe es nicht einmal 90 Prozent Unterrichtsversorgung, insbesondere an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen. Zudem würde die Zahl der Schülerinnen und Schüler innerhalb der nächsten zehn Jahre weiter steigen.

Die Vorgriffsstunde reiche schon jetzt nicht aus. Die Arbeitsbedingungen haben sich aus Sicht der Gewerkschaft verschlechtert. Wie GEW-Landesvorsitzende Eva Gerth MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstag sagte, wird die Vorgriffsstunde als Missachtung der Leistung der Lehrkräfte betrachtet.

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Erst im September hatte die GEW gefordert, die zusätzliche Unterrichtsstunde für Lehrkräfte wieder abzuschaffen. Gerth sagte dem MDR damals, das Ziel einer hundertprozentigen Unterrichtsversorgung sei damit nicht erreicht worden. Außerdem sei die Vorgriffsstunde über die Köpfe der Lehrer hinweg beschlossen worden. Gerth sagte weiter, die Lehrkräfte seien wegen der zusätzlichen Stunde frustriert. Sie sprach sich für freiwillige Regelungen und mehr Anreize aus.

Lehrer wehren sich vor Gericht gegen Zusatzstunde

Auch bei Lehrkräften in Sachsen-Anhalt steht die zusätzliche Stunde in der Kritik. Einige Lehrkräfte weigern sich sogar, die angeordnete zusätzliche Unterrichtsstunde zu halten. Das Landesschulamt sprach von einer einstelligen Zahl. Man sei mit den Lehrerinnen und Lehrern im Gespräch.

Andere Lehrer wehren sich rechtlich dagegen, dass sie in Sachsen-Anhalt eine Stunde mehr unterrichten sollen. Eine Entscheidung über die Klage am Oberverwaltungsgericht steht noch aus. Schlagzeilen hatte der Fall einer fristlos gekündigten Grundschullehrerin aus dem Altmarkkreis Salzwedel gemacht.

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Linke in Sachsen-Anhalt sehen Mehrarbeit für Lehrer ebenfalls kritisch

Auch die Partei "Die Linke" hält an ihrer Kritik an der Zusatzstunde fest. Eva von Angern, Co-Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, Lehrerinnen und Lehrer gehörten zu Hauptleidtragenden des Lehrermangels.

Die sogenannte Vorgriffsstunde sei aus Sicht des Bildungsministeriums und der Kinder möglicherweise ein Erfolg. Jedoch würden die Lehrkräfte selbst mit ihren Interessen und Problemen nicht ernst genommen werden. Es müsse alles dafür getan werden, damit Lehrkräfte im System blieben. Dafür müsse man sie eher motivieren und nicht gängeln.

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MDR (Susanne Ahrens, Anja Höhne, Leonard Schubert, Maren Wilczek) | Erstmals veröffentlicht am 30.11.2023

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. November 2023 | 22:00 Uhr

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