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Kampf gegen WaldbrändeGroße Pläne: Unternehmer wollen Löschflugzeuge privat betreiben

08. Mai 2023, 10:18 Uhr

Die extreme Trockenheit in den vergangenen Jahren hat die Zahl der Waldbrände in Deutschland deutlich steigen lassen. Erst im vergangenen Jahr gab es zahlreiche Großbrände, die zum Teil erst nach Tagen gelöscht werden konnten – auch Sachsen-Anhalt war davon betroffen. Experten gehen davon aus, dass Waldbrände bald noch häufiger vorkommen. Feuerwehren verlangen deshalb eine bessere Unterstützung aus der Luft. Eine kleine Gruppe engagierter Piloten und Geschäftsleute will sich nun darum kümmern.

Es waren Szenen wie in Hollywood-Filmen, als im vergangenen September ein großer Waldbrand am Brocken wütete. Tagelang hingen Rauchwolken am höchsten Berg Sachsen-Anhalts. Bis zu acht Löschhubschrauber und sogar zwei große Löschflugzeuge aus Italien mussten die Feuerwehr im Kampf gegen die Flammen unterstützen. Der Einsatz der italienischen Maschinen vom Typ Canadair CL-415 stellte eine Premiere in Deutschland dar. Es war das erste Mal, dass hierzulande solche großen Löschflugzeuge den Feuerwehren zu Hilfe kamen.

Der Harzer Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse erinnert sich noch gut an den Einsatz. Aus seiner Sicht ging an den beiden großen Maschinen vor einem Jahr kein Weg vorbei: "Wir brauchten in einem sehr unzugänglichen Gebiet Löschwasser. Die Hubschrauberressourcen, die wir angefordert hatten, waren erschöpft. Aber unsere Einschätzung war, wir brauchen da oben noch mehr Löschwasser. Und das ging über die Canadair-Maschinen."

Das kann uns jederzeit erneut wiederfahren und dann ist es gut, wenn man sowas in der Hinterhand hat.

Kai-Uwe Lohse | Kreisbrandmeister Landkreis Harz

Diese Einschätzung teilt auch Kersten Tessmann. Der aus Niedersachsen stammende Pilot lebt heute vorwiegend in Spanien und kennt sich mit den Waldbränden auf der iberischen Halbinsel gut aus: "Ich war bereits selbst betroffen von solch einem Waldbrand und musste deshalb auch schon mein Haus verlassen." Er befürchtet, dass solche großen Brände in Deutschland zunehmen werden – eine verlässliche Unterstützung aus der Luft sei dann unbedingt nötig. Deshalb hat Tessmann mit anderen Piloten und Geschäftsleuten Anfang des Jahres die Deutsche Luft Brand Bekämpfung (DLBB) gegründet.

Erster privater Canadair-Betreiber in Europa

Kersten Tessmann will mit der DLBB in erster Linie den Feuerwehren am Boden helfen. Bildrechte: MDR/Thomas Tasler

Das junge Unternehmen will der der erste private Betreiber des Canadair-Löschflugzeugs in Europa werden. Ziel der DLBB sei dabei, sich auf den Klimawandel vorzubereiten, so Tessmann: "Wir sind angetreten, um die von den Klimabedingungen hervorgerufenen Großbrände, die kommen werden, zu bekämpfen." Tessmann geht – wie auch viele Fachleute in dem Gebiet – davon aus, dass die durch den Klimawandel verursachten Dürreperioden in Mitteleuropa und in Deutschland zunehmen werden. Dann brauche es große Löschflugzeuge, die die Feuerwehren am Boden unterstützen können, fasst Tessmann seine Einschätzung zusammen.

Mehr über die Löschflugzeuge Canadair CL-415 ↓

Die Canadair CL-415 ist der einzige Flugzeugtyp der westlichen Welt, der speziell für die Feuerbekämpfung aus der Luft konstruiert wurde. Sie ist der Nachfolger der Canadair CL-215, von der sie sich durch die modernen Propellerturbinen und ein moderneres Cockpit unterscheidet. Der Typ hatte seinen Erstflug im Jahr 1993 und wird aktuell von Kanada, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Malaysia, Marokko, Spanien und den USA als Löschflugzeug eingesetzt.

Durch sein Amphibienfahrgestell kann die Maschine zu Land und zu Wasser starten und landen sowie rund 6.000 Liter Löschwasser transportieren. Die in Sachsen-Anhalt bislang vorwiegend zum Löscheinsatz genutzten Polizeihelikopter können lediglich 500 Liter transportieren.

Theoretisch stehen die großen Canadair-Löschflugzeuge den Feuerwehren zwar auch in der anstehenden Waldbrabandsaison zur Verfügung. Sachsen-Anhalts Innenministerium zufolge können diese Maschinen über das europäische Katastrophenhilfesystem RescEU angefordert werden. Kreisbrandmeister Lohse kritisiert aber, dass oft wertvolle Zeit vergehe, bis die angeforderten Maschinen tatsächlich einsatzbereit sind. DLBB-Geschäftsführer Tessmann geht außerdem davon aus, dass die Canadair-Maschinen aus Italien, Spanien oder Griechenland wenn überhaupt, erst sehr spät nach Deutschland kommen können, weil sie auch in ihren jeweiligen Heimatländern händeringend gebraucht würden.

Schnelle Alarmierung ist essentiell

Bildrechte: MDR/Jörg Schramma

Ähnlich sieht das auch Jörg Schramma. Der frühere Luftwaffen-Kampfflieger ist heute Chefpilot der DLBB. Wie wichtig eine schnelle Alarmierung von Löschflugzeugen ist, habe er selbst im vergangenen Jahr in Treuenbrietzen in Brandenburg erlebt, so der erfahrene Flieger: "Als der Waldbrand losging, habe ich den aus der Luft gesehen und gemeldet. Der Waldbrand mündete dann darin, dass das Ganze in Brand stand und rund herum die Orte evakuiert werden mussten. Hätten wir damals schon früh ein Flugzeug eingesetzt, hätte der Großeinsatz der Feuerwehren danach gar nicht stattgefunden."

Um schnell an potentiellen Einsatzorten sein zu können, will die DLBB ihre Flugzeuge im Länderdreieck Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachen stationieren. Das sei wichtig, um die von Waldbränden gefährdeten Regionen im Harz und in Brandenburg jederzeit schnell zu erreichen. "Aber auch die Entfernung in südlichere Waldbrandregionen ist noch hinnehmbar", erklärt DLBB-Geschäftfsführer Tessmann die Ortsauswahl. Derzeit seien der Flughafen Leipzig/Halle und der Flughafen in Braunschweig in der engeren Auswahl für eine Stationierung. Eine Entscheidung für einen der beiden Standorte soll noch im Mai getroffen werden.

Ausbildung soll noch dieses Jahr beginnen

Schon Ende des Jahres soll dann eine gebrauchte, ältere Canadair-Maschine gemietet und in Deutschland für erste Trainingsflüge stationiert werden. Bis 2026 sollen bis zu vier Löschflugzeuge vom Typ Canadair CL-415 betrieben werden. Erste Löscheinsätze soll es 2024 geben.

Dass dieser Zeitplan überaus ambitioniert ist, räumt auch Markus Lüer ein. Der Ingenieur ist Pilot und bei der DLBB für die technischen Aspekte des Flugbetriebs zuständig. Er meint: "Das ist sehr schnell, denn wir starten ja von null. In der normalen gewerblichen Luftfahrt hat man bekannte Muster, man hat existierende Vorschriften. Man greift da auf Ressourcen und Strukturen zurück, die es schon gibt"

Löschflugzeuge sind Neuland in Deutschland

Markus Lüer zufolge ist der Betrieb von Löschflugzeugen deutlich komplizierter als der von normalen Verkehrsflugzeugen. Bildrechte: MDR/Thomas Tasler

Mit dem Betreiben von Löschflugzeugen hingegen betrete man in Deutschland in vielerlei Hinsicht Neuland, fasst Lüers die Situation der DLBB zusammen: "Das geht schon los mit der Technikerausbildung, der Pilotenausbildung und dem Werkzeug. Man steht vor einem Berg von Novitäten und Problemen wo wahrscheinlich eins das andere nach sich zieht, wo man sich so langsam durchwurschteln muss."

Eine Zulassung für den Betrieb von Luftfahrzeugen habe man beim Luftfahrt-Bundesamt (LBA) zwar bereits beantragt. Aber auch hier müsse man zum Teil bei den Grundlagen beginnen, erklärt Jörg Schramma: "Alleine der Begriff 'Crew-Comfort-Level' sagt dem LBA gar nichts – also die Frage, wie tief können die Piloten fliegen. Das müssen die Besatzungen selbst entscheiden und das kann auch schon mal unter 30 Metern Flughöhe liegen. Diese Zahlen haben die im LBA noch nie gehabt."

Zahlreiche Sondergenehmigungen notwendig

Außerdem müsse man eine Vielzahl an Sondergenehmigungen beantragen, fasst Schramma die schwierige Situation zusammen. "Von einer Genehmigung für das Unterschreiten der Mindestflughöhe über Sonderlandefreigaben auf irgendwelchen Seen, Tümpeln und Flüssen, bis hin zu Abwurfgenehmigungen aus der Luft. Da kommt eins zum anderen und das ist natürlich auch ein langwieriger Prozess, das bei den Behörden durchzukriegen."

Trotz all dieser Regularien, die Waldbrandbekämpfung aus der Luft ist und bleibt ein gefährliches Geschäft. Auch Markus Lüer sieht, dass diese Art des Fliegens ein erhebliches Gefahrenpotenzial birgt: "Da kommt es durchaus zu Verlusten. So wie im letzten Jahr, als eine Canadair in Italien in einem engen Tal abstürzte und alle Besatzungsmitglieder ums Leben kamen."

Chefpilot Schramma sieht vor allem in den thermischen Winden, die in einem Waldbrand entstehen, ein großes Risiko: "Da kriegt man thermische Stöße ab, die sind schon gewaltig. Und wenn man mit so einem Löschflugzeug reinfliegen muss, das relativ behäbig ist und langsam fliegt, dazu die schlechte Sicht durch den Rauch, da muss man schon ganz genau wissen, was man da tut und wie man das Ganze vorbereitet."

Erste Löschpiloten kommen von der Luftwaffe

DLBB-Chefpilot Jörg Schramma möchte möglichst schnell mit der Ausbildung der Piloten beginnen. Bildrechte: MDR/Thomas Tasler

Deshalb will Schramma auch möglichst bald mit der Ausbildung künftiger Löschpiloten beginnen. Er setzt dabei zunächst auf erfahrene Flieger, die er noch aus seiner Zeit bei der Luftwaffe kennt. So seien die ersten Piloten bereits von ihm persönlich ausgewählt worden: "Das können nur Leute sein, die aus dem militärischen Bereich kommen, die mal eine Tiefflugausbildung genossen haben, die im Prinzip wissen auf was für Gefahren man sich da einlässt. Einer ist dabei, der kommt von einer Transall (Anm. d. Red.: großes Transportflugzeug der Luftwaffe), der kennt das ohnehin schon. Der hat viel Tiefflug gemacht. Das ist eine sehr anspruchsvolle Nummer, die auch eine entsprechende Vorbereitung verlangt."

Neben dem fliegerischen Aspekt kann aber auch der unternehmerische Aspekt des neugegründeten Unterenhmens als anspruchsvoll bezeichnet werden. Denn der gewinnorientierte Betrieb von Löschflugzeugen sei in Deutschland derzeit kaum möglich, meint Florian Haferkorn, der zweite Geschäftfsführer der DLBB: "Grundsätzlich gilt ja, je länger ein Flugzeug in der Luft ist, desto eher kann man damit Geld verdienen. Die Löschflugzeuge werden aber nur auf Abruf angefordert. Das heißt, wir können gar keine effiziente Geschäftsplanung machen. Wir wissen ja letztendlich gar nicht, ob es überhaupt brennt."

Vorbild Seenotrettung

Deshalb habe man die DLBB als gemeinnützige GmbH gegründet, um von Privatleuten, Waldbesitzern, Forstunternehmen aber vor allem großen Versicherungen Spenden einnehmen zu können. DLBB-Geschäftsführer Haferkorn vergleicht das Unternehmensmodell daher auch mit der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), die ihre Ausgaben ausschließlich aus Spenden finanziert: "Wir haben hier keinen Aktionär, wir haben keinen Gesellschafter, der befriedet werden muss, weil er Gewinne haben muss oder möchte. Wir haben einfach einen Auftrag, der zu erfüllen ist."

Letztendlich wolle man mit der privat organisierten Anschaffung von Löschflugzeugen der größer werdenden Gefahr durch Waldbrände eben auch vorbeugend begegnen, ganz so wie die DGzRS mit ihren Rettungsbooten auch jederzeit für die Seenotrettung bereit ist, so Haferkorn.

Was ist eine gemeinnützige GmbH?

Hauptunterschied zwischen einer klassischen GmbH und der gemeinnützigen GmbH ist die Gemeinwohlorientierung, welche diese Form in die Nähe von anderen gemeinnützigen Rechtsformen wie Vereinen, Stiftungen oder Genossenschaften rückt. Wie bei der klassischen GmbH ist auch hier die Haftung der einzelnen Gesellschafter auf die Höhe der Einlage beschränkt. Die gemeinnützige GmbH verfolgt aber nicht das Ziel, Gewinn zu erwirtschaften. Sollte es trotzdem am Ende des Geschäftsjahres mehr Einnahmen als Ausgaben geben, muss die Differenz gemeinnützigen Zielen zukommen. Außerdem kann das Unternehmen Zuwendungsbestätigungen für Spenden ausstellen, welche die Spender von der Steuer absetzen können.

Neues Unternehmen als Wegbereiter?

Co-Geschäftsführer Florian Haferkorn sieht die DLBB auch in der Verantwortung, politische Grundlagenarbeit zu betreiben. Bildrechte: MDR/Thomas Tasler

Haferkorn sieht die DLBB daher auch als Wegbereiter, um Löschflugzeuge hierzulande überhaupt erst zu einem Thema zu machen. Dass es von der Politik bislang eher stiefmütterlich behandelt wurde, könne Haferkorn aber auch nachvollziehen: "Politiker kommen in der Regel nicht aus der Fliegerei und haben sich mit dem Thema Katastrophenschutz nicht intensiv beschäftigt ab. Und dann müssen sie teilweise im mit gefährlichem Halbwissen schnellstmögliche Entscheidungen treffen. Die Politiker im Nachhinein zu kritisieren, ist dann natürlich einfach. Wir müssen ihnen nun Wege zeigen oder Möglichkeit geben, passende Lösung zu finden."

Politische Debatte um Löschflugzeuge nimmt Fahrt auf

Wie diese Lösungen aussehen können, darüber ist man sich in der Politik allerdings noch nicht einig. So zieht Sachsen-Anhalt eine Beschaffung eigener Löschflugzeuge derzeit nicht in Betracht. Aus dem CDU-geführten Innenministerium hieß es, die Feuerwehren im Land könnten bereits auf sämtliche Löschflugzeuge im Rahmen des europäische Katastrophenhilfesystem RescEU zurückgreifen. Dazu gehörten auch zwei bereits in Braunschweig stationierte kleine Löschflugzeuge. Außerdem habe der Landkreis Harz ein kleines Löschflugzeug in Ballenstedt stationiert.

Vielen Waldbrandexperten ist das aber nicht genug. Erst Mitte April haben sie bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Inneres und Heimat eine schnelle Verbesserungen der Waldbrandbekämpfung gefordert. Die Bundesvorsitzender der Deutschen Feuerwehr Gewerkschaft, Siegfried Maier erklärte dabei, der Einsatz von Löschflugzeugen erfordere spezielles Wissen und Können, weshalb auch die Vorhaltung von speziellen Besatzungen notwendig sei. Löschflugzeuge und Löschhubschrauber müssten parallel vorgehalten werden.

EU will Löschflugzeugflotte aufstocken

Bereits letztes Jahr hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) eine Verdopplung der Brandbekämpfung aus der Luft angekündigt. So werde die EU ihre Flotte um zehn kleine Löschflugzeuge und drei zusätzliche Hubschrauber erweitern. Zuvor hatte schon die CDU/CSU-Fraktion gefordert, gemeinsam mit den Ländern die Beschaffung von Löschflugzeugen zu prüfen. Sachsen-Anhalts Wirtschafts- und Forstminister Sven Schulze (CDU) hatte sich daraufhin für einen Stützpunkt der EU-weiten Löschflugzeugflotte in Deutschland ausgesprochen.

Welche Rolle die DLBB bei all diesen Plänen spielen könnte, ist aber unklar. Sowohl Kersten Tessmann als auch sein Geschäftsführerkollege Florian Haferkorn planen den Start ihrer Löschflieger zunächst ohne politischen Rückenwind. Ein direktes Gesprächsangebot aus Berlin oder Brüssel habe bislang keiner von beiden erhalten.

Mehr zum Thema: Waldbrand und Löschflugzeuge

MDR (Thomas Tasler)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 19. April 2023 | 05:00 Uhr

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