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Frau unter MännernWarum so wenige Frauen als Fahrlehrerinnen arbeiten

01. Oktober 2022, 18:12 Uhr

Frau am Steuer, Abenteuer – das ist längst kein zeitgemäßer Spruch mehr. Trotzdem: Die, die jungen Menschen das Autofahren beibringen, sind in Sachsen-Anhalt meist Männer. Dabei ist der Bedarf durchaus da. Laura Heinrich lässt sich in Halberstadt zur Fahrlehrerin ausbilden – und beweist, wieso es wichtig ist, als Frau in der Branche zu arbeiten.

Der Sicherheitsgurt rastet ein, Seiten- und Rückspiegel werden mit Bedacht eingestellt. Im Auto ist es still. Ansgar Schröder ist hoch konzentriert. Der 17-Jährige wartet auf eine freie Lücke, um sich in den Feierabendverkehr Halberstadts einzuordnen.

Blinker links, Schulterblick – Ansgar gibt Gas. Es ist eine seiner letzten Fahrstunden vor der praktischen Führerscheinprüfung. 45, 48, dann 50 km/h. "Sehr schön", sagt eine ruhige Stimme vom Beifahrersitz. "An der nächsten Ampel bitte nach links", sagt Laura Heinrich weiter. Sie ist eine der wenigen Fahrlehrerinnen Sachsen-Anhalts – genauer: Sie möchte es werden.

Fahrlehrerinnen werden gebraucht

Laura Heinrich hat die achtmonatige schulische Weiterbildung absolviert. Sie wusste schon früh, dass sie etwas nah am Menschen machen wollte. Was genau, hatte sich aber erst später herausgestellt. Nun macht sie ihren Fahrlehrerschein in "Tom's Fahrschule" in Halberstadt bei Dima Faltin.

Dass sie nur eine von zwei Frauen dort ist, stört sie keineswegs: "Klar, das ist immer noch ein Männer-dominierter Beruf. Das hat man bei Beginn der Ausbildung gemerkt. Aber ich sage mal so: Egal, ob Mann oder Frau, jeder kann den Beruf gleich gut ausführen."

Ich sage mal so: Egal, ob Mann oder Frau, jeder kann den Beruf gleich gut ausführen.

Laura Heinrich | Fahrlehrerin auf Probe

Der Ausbilder und Fahrlehrer Dima Faltin ist froh, dass Laura Heinrich zum Team gehört. Denn Fahrlehrerinnen werden gebraucht, verrät er MDR SACHSEN-ANHALT. Gerade Frauen mit einem anderen kulturellen Hintergrund wollten lieber von einer Frau am Steuer unterrichtet werden, sagt der Ausbilder. Doch im Allgemeinen sind es die meisten Schüler und Schülerinnen sogar gewohnt, von einer Lehrerin unterrichtet zu werden. Laut Faltin entwickeln die Fahrschüler da eine "gewisse Sympathie und fühlen sich geborgener".

Die meisten Fahrlehrerinnen im Harz und der Altmark

Doch aktuell haben die Fahrschülerinnen und -schüler kaum eine Wahl. Wie wenig Fahrlehrerinnen es in Sachsen-Anhalt gibt, zeigen Zahlen, die die Landkreise MDR SACHSEN-ANHALT auf Anfrage zugeschickt haben.

Demnach arbeiten an den 335 Fahrschulen in Sachsen-Anhalt insgesamt 1.017 Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer. Darunter befinden sich nach Angaben der einzelnen Landkreise 70 Fahrlehrerinnen. Einzig die Stadt Magdeburg konnte hierzu keine Angaben machen.

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Den höchsten Anteil an Fahrlehrerinnen mit jeweils 14 Prozent gibt es im Altmarkkreis Salzwedel (acht Fahrlehrerinnen unter 65 Fahrlehrern insgesamt) und im Landkreis Harz (sieben Fahrlehrerinnen unter 50 Fahrlehrern insgesamt). Knapp dahinter liegt der Saalekreis mit 13,2 Prozent. Die wenigsten Fahrlehrerinnen mit 2,7 Prozent arbeiten im Salzlandkreis. Hier sind unter den 77 Menschen, die eine Fahrlehrererlaubnis haben, gerade einmal zwei Frauen.

Keine Vorurteile – Es kommt auf den Typ Mensch an

Wie ein Metronom gibt der Blinker den Takt an der Kreuzung an. "Denk' an den Schulterblick", erinnert Laura Heinrich ihren Schüler Ansgar freundlich. Er nickt und schaut über Lauras Sitz nach hinten. Gelb, dann Grün – freie Fahrt.

Seit Anfang Mai macht er seine Fahrstunden bei Laura Heinrich und Dima Faltin. Ob er bei einem Mann oder einer Frau das Fahren lernt, ist ihm egal: "Beide sind sehr entspannt. Dima lässt einen mehr machen und sagt weniger. Laura gibt dafür mehr Tipps. Es gibt aber keine Diskussionen wegen des Geschlechts, wir diskutieren wenn dann über die Fahrweise", sagt Ansgar, während er in eine Einbahnstraße einbiegt.

Es gibt keine Diskussionen wegen des Geschlechts, wir diskutieren wenn dann über die Fahrweise.

Ansgar Schröder | Fahrschüler bei Tom's Fahrschule

Laura Heinrich fühlt sich durch Ansgar bestätigt. Auch sie hat gemerkt, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob ein Mann oder eine Frau das Fahren-Lernen beibringt. Es komme viel mehr darauf an, welchen Typ Mensch die Fahrschüler oder die Fahrschülerinnen wählen. Schließlich müssen sie sich mit auch ein Stück weit mit dem Lehrer oder der Lehrerin identifizieren können, sagt sie.

Viele haben den Beruf nicht auf dem Schirm

Die junge Generation ist also aufgeschlossen – Vorurteile scheinen beim Fahren längst keine Rolle mehr zu spielen. Es stellt sich hier also die Frage: Warum gibt es dann so wenige Fahrlehrerinnen in Sachsen-Anhalt, wenn alte Rollenklischees doch längst aufgebrochen sind?

Laut Ausbilder Dima Faltin hat der Beruf des Fahrlehrers immer noch ein veraltetes Image. Oft lassen sich Frauen von der technischen Seite des Berufs abschrecken, sagt er. Doch die Zeiten, in denen man Autos noch selbst auseinander bauen konnte, sind vorbei: "Unser Beruf geht wirklich in die Richtung Verkehrspädagogik. Der pädagogische Teil wird tatsächlich viel, viel stärker vertreten."

Unser Beruf geht wirklich in die Richtung Verkehrspädagogik. Der pädagogische Teil wird tatsächlich viel, viel stärker vertreten.

Dima Faltin | Ausbilder und Fahrlehrer Toms Fahrschule

Laut Fahrlehrerin Laura Heinrich ist das aber nicht der einzige Punkt: "Ich glaube, dass viele Menschen im Allgemeinen diesen Beruf nicht wirklich auf dem Schirm haben", erklärt sie. Das liege vor allem daran, dass "Fahrlehrer" kein klassischer Ausbildungsberuf ist, sondern eine Weiterbildung – und die kann man erst ab einem Alter von 21 Jahren beginnen.

Fahrschule beklagt fehlende Unterstützung vom Land

Frühzeitig Werbung während der Fahrstunden zu machen, ist laut Faltin und Heinrich aber auch keine Option. Die meisten Jugendlichen sind noch in der Findungsphase, so Faltin, nur wenige hätten dann schon die geistige Reife, dass sie wissen, welchen Beruf sie einschlagen wollen. "Natürlich gibt es auch die Situation, in der ich sage: 'Du bist von der Persönlichkeit super im Pädagogischen. Da spreche ich dann als Lehrer auch eine Empfehlung aus", sagt er scherzhaft.

Heinrich und Faltin fühlen sich beim Anwerben des Nachwuchses jedenfalls vergessen. Vom Land Sachsen-Anhalt komme nämlich keine Unterstützung, die junge Fahrlehrerinnen für den Beruf begeistern könnte. Auf Nachfrage beim Sozialministerium, werden MDR SACHSEN-ANHALT allerdings zwei Programme genannt, die dafür sorgen sollen, dass Mädchen oder junge Frauen schon frühzeitig in Männer-dominierte Berufe reinschauen können.

Eines der Programme ist der Girls' Day - Mädchen-Zukunftstag. Auf der offiziellen Website dazu heißt es, dass Mädchen in Berufe der Forschung, Wissenschaft, Technik, Informatik und Handwerk schauen können, in denen der Frauenanteil bei weniger als 40 Prozent liegt. Das trifft auch auf die Branche zu, für die Laura Heinrich sich entschieden hat. Allerdings ist ihr Beruf unter den knapp 400 "Girl's Day-Berufen" nicht aufgelistet. Fahrlehrerin zu werden, dürften somit die wenigsten auf dem Schirm haben.

Interesse beim Girls' Day

Doch ab und an gibt es auch, neben Laura Heinrich, einen Hoffnungsschimmer: "Vor zwei oder drei Jahren hatte ich auch mal zwei Damen am Girls' Day hier. Die waren absolut fasziniert, nur leider waren sie bis dato noch zu jung", so Ausbilder Dima Faltin.

Laura Heinrich ist aber positiv gestimmt, dass sie nicht die einzige Fahrlehrerin an Toms Fahrschule bleiben wird: "Ich denke, wie auch in anderen Berufen, ist der Beruf im Kommen. Ich denke, dass sich das irgendwann schon ausgleichen wird", sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht.

Laura Heinrich wird nach Abschluss ihrer Prüfungen fester Bestandteil von Tom's Fahrschule werden: Sie ist dann eine eine von zwei Frauen unter elf Männern.

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MDR (Maximilian Fürstenberg)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 25. September 2022 | 19:00 Uhr

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