Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Die Brockenbahn in Wernigerode (Archivbild). Bildrechte: Dirk Bahnsen/HSB

NachhaltigkeitWernigerode: Klimaschutz trotz Brockenbahn

31. Mai 2019, 19:20 Uhr

Das Thema Klimaschutz hat die Kommunal- und Europawahlen bestimmt. Auch in Wernigerode haben die Grünen damit gepunktet und mehr Stimmen bekommen. Dabei unternimmt die Stadt bereits einiges in Sachen Klimaschutz.

von Roland Jäger, MDR SACHSEN-ANHALT

Viele Male schnauft sie jeden Tag mitten durch die Stadt und stößt dabei tonnenweise CO2 aus: Die Brockenbahn. Das Wahrzeichen der Stadt Wernigerode ist nicht gerade ein Parade-Beispiel für modernen Klimaschutz.

Dennoch ist Wernigerode in den letzten Jahren mit zahlreichen Preisen für Klima- und Umweltschutz ausgezeichnet worden: Die Stadt ist Trägerin des Nachhaltigkeitspreises und des European Energy Awards; darf sich Fair Trade Town nennen. Der Grund: Wernigerode hat schon 2014 ein umfangreiches Klimaschutzkonzept aufgestellt.

Größter CO2-Emittent: Die Industrie

"Es ist nicht einfach, all die Punkte umzusetzen", sagte Oberbürgermeister Peter Gaffert MDR SACHSEN-ANHALT:

"Klimaschutz geht nicht allein mit Stadtverwaltung und Bürgern, sondern natürlich nur mit der Industrie." Die öffentlichen Gebäude seien für nur ein Prozent der Emissionen verantwortlich – der Löwenanteil werde von den Unternehmen produziert. Es gebe regelmäßige Treffen zwischen Stadt und Unternehmen. Er bemerke, dass bei den Unternehmen bereits mehr für das Energiesparen getan werde. Dabei hebt Gaffert besonders die Hasseröder-Brauerei und den Auto-Zulieferbetrieb NEMAK hervor.

Wie die Parteien bei der Stadtratswahl abgeschnitten haben

Bei den Kommunalwahlen haben die Grünen in Wernigerode weitere Mandate für den Stadtrat errungen; kommen auf fünf von vierzig Sitzen – immer noch deutlich weniger als CDU (12), Linke (8) und SPD (8) – aber mehr als nach den Kommunalwahlen 2014 (3).

Den Grünen, ist das nicht konkret genug. Die Treffen zwischen Stadtverwaltung und Unternehmen seien zwar ein guter Start, sagt Stadträtin Sabine Wetzel (B'90/Die Grünen), aber es fehlten konkrete Maßnahmen: "Zum Beispiel die Hotels bräuchten ein vernünftiges Verkehrsleitsystem, damit die Gäste gut ankommen und nicht kreuz und quer durch die Stadt fahren. Wir bräuchten Anreize, um mehr Photovoltaik, mehr Solarenergie, zu installieren." Laut Wetzel wollen die Grünen im Stadtrat dafür eintreten, E- und Wasserstoff-Mobilität in Wernigerode zu fördern.

Kommunaler Klimaschutz hat enge Grenzen

Doch die Möglichkeiten der Kommunen, auf die CO2-Emissionen von Industrie-Betrieben Einfluss zu nehmen, sind sehr begrenzt.

Professor Markus Quante von der Universität Lüneburg forscht in den Bereichen Meteorologie und Umwelt. Er sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Industrieanlagen selbst sind für Städte schwer zu erreichen. Hier greifen eher die allgemeinen, bundesweiten Regelungen zum Klimaschutz."

Die effektiveren Stellschrauben sieht Quante auf Bundesebene, etwa bei der Bepreisung von CO2, die zugleich Bürger treffen würde: "Man kann in einer Demokratie zwar nichts vorschreiben, aber einiges muss reguliert werden – zum Beispiel über den Preis. Aber sozialverträglich, sodass nicht Geringverdiener über die Maßen betroffen sind und die, für die hundert Euro im Monat nichts sind, sich noch einen SUV kaufen."

Was Wernigerode bereits für den Klimaschutz tut

Die Stadt kann auch schon ganz konkrete Klimaschutzmaßnahmen vorweisen:

Der Ausbau der Fernwärme-Versorgung ist zugleich ein Streit-Thema in Wernigerode. Viele Hausbesitzer sind unzufrieden, dass sie dazu gezwungen werden, sich an das Fernwärme-Netz anschließen zu lassen. Auch die Grünen sehen den Ausbau deshalb kritisch:

Wenn dieser Zwang bestehen bleibt, fördert man damit nicht das Umweltbewusstsein der Bürger.

Sabine Wetzel (B'90/Die Grünen), Stadträtin

Oberbürgermeister Gaffert sagte MDR SACHSEN-ANHALT, in Kürze werde die Stadt ein weiteres Blockheizkraftwerk bauen, das Strom und Wärme produziere.

Die grüne Stadträtin Wetzel hält dagegen: Prinzipiell kann Fernwärme zwar eine klimaschützende Maßnahme sein, aber "man muss Bedenken: Jedes Blockheizkraftwerk arbeitet mit fossilen Energieträgern." Sie fordert auch im Bereich Fernwärme stärker auf erneuerbare Energien zu setzen und kleinere, dezentrale Kraftwerke zu bauen.

Weitere Verkehrsprojekte nötig

In einem Punkt sind sich Gaffert und Wetzel allerdings einig: Die bisherigen Anstrengungen sind zu wenig. Der Oberbürgermeister etwa wünscht sich eine Erreichbarkeit Wernigerodes mit dem ICE. Bisher seien viele Gäste aus den Ballungsräumen Hamburg, Hannover und Berlin gezwungen, mit dem PKW anzureisen. Leider könne Wernigerode auf kommunaler Ebene keinen Einfluss auf die Planung des Bahn-Netzes nehmen.

Brockenbahn: Attraktion und "Dreck-Schleuder" zugleich

Das gilt jedoch nicht für die stetig rauchende Brockenbahn, auf die die Stadt durchaus Einfluss hat. Sabine Wetzel meint: "Wir hören es von den Bürgern immer wieder, dass es eigentlich nicht sein kann: Dass wir eine Stadt der Nachhaltigkeit sind und so viel Dreck in die Luft geschleudert wird."

Doch auch wenn die Grünen nun im Stadtrat stärker vertreten sind, wird es der historischen Lok so bald nicht an den Kragen gehen. Aber: Es gebe alternative Antriebssysteme, bei denen trotzdem Dampf aus der Lok herauskomme. Die Harzer Schmalspurbahnen zu einer Umrüstung zu bewegen, "sei ein dickes Brett, das wir zu bohren haben", meint Wetzel.

Mit Dampf betriebene Loks sind weltweit eine große Attraktion.

Peter Gaffert (parteilos), Oberbürgermeister

Wernigerodes Oberbürgermeister hingegen betont, die Bahn sei ein technisches Denkmal, das zahlreiche Touristen in die Stadt ziehe. Dennoch schließt er nicht aus, dass sich auch die Harzer Schmalspurbahnen beim Klimaschutz bewegen müssen: "Mittelfristig denke ich schon, dass eine Umrüstung zumindest denkbar wäre." Da dies mit einem riesigen Investitionsvolumen verbunden sei, stehe das aktuell aber nicht an.

Die Brockenbahn schnauft also auf absehbare Zeit weiter durch Wernigerode in den Oberharz – Klimaschutz hin oder her.

Bildrechte: Philipp Bauer

Über den AutorRoland Jäger arbeitet seit 2015 für den Mitteldeutschen Rundfunk – zunächst als Volontär und seit 2017 als Freier Mitarbeiter im Landesfunkhaus Magdeburg. Meist bearbeitet er politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen – häufig für die TV-Redaktionen MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE und Exakt - Die Story, auch für den Hörfunk und die Online-Redaktion. Vor seiner Zeit bei MDR SACHSEN-ANHALT hat Roland Jäger bei den Radiosendern Rockland und radioSAW erste journalistische Erfahrungen gesammelt und Europäische Geschichte und Germanistik mit Schwerpunkt Medienlinguistik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg studiert.

Erreichbar auch bei Twitter: @roland__jaeger

Mehr zum Thema

Quelle: MDR/rj

Mehr aus dem Harz

Mehr aus Sachsen-Anhalt