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Turnier in Katar startet SonntagWieso viele Magdeburger die Fußball-WM nicht sehen wollen

18. November 2022, 19:26 Uhr

Viele Magdeburger wollen die Fußball-WM in Katar nicht angucken. Ein Hauptgrund dafür sind die Menschenrechtsverletzungen in Katar. Im Interview erklären Magdeburger, was sie sich von einem Boykott erhoffen und warum lieber kleine Fußballvereine unterstützt werden sollten.

Stell dir vor, Deutschland kann Weltmeister werden und (fast) niemand guckt zu. Das könnte in den mitteldeutschen Bundesländern Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen bald Realität werden. Sonntag startet die Fußball-Weltmeisterschaft und mehr als die Hälfte der Menschen fordert laut einer MDRFragt-Umfrage einen politischen Boykott der WM. Nur wenige wollen die WM wie sonst auch ansehen.

Boykott wegen Menschenrechtsverletzungen in Katar

Die Gründe für die Zurückhaltung sind unterschiedlich. Einige Menschen haben schlicht kein Interesse an den Spielen der Deutschen Nationalmannschaft. Aber mehr als die Hälfte der Befragten geben Menschenrechtsverletzungen in Katar und die Behandlung der Gastarbeiter als Grund an. Etliche Recherchen gehen davon aus, dass bei den Bauarbeiten für die Weltmeisterschaft tausende Gastarbeiter ums Leben gekommen sind.

Eine Straßenumfrage in Magdeburg von MDR SACHSEN-ANHALT spiegelt dieses Bild wider. Nur wenige Menschen sagten, die WM wie gewohnt sehen zu wollen, noch weniger freuten sich auf die Spiele. Viele sagten, obwohl sie die Spiele sonst immer geguckt hätten, würden sie dieses Jahr wegen der Situation in Katar darauf verzichten.

Auch einige Kneipen haben sich dem Boykott angeschlossen. Im Interview erzählen zwei Magdeburger, warum sie diese WM nicht sehen wollen.

Magdeburger Fußballfan: "WM in Katar ist mir zuwider"

Einer von denen, die die WM aus politischen Gründen bewusst nicht sehen wollen, ist der Magdeburger Oliver Wiebe. Er ist Pressesprecher der Landtagsfraktion der Linken in Sachsen-Anhalt und eigentlich großer Fußballfan. In der Magdeburger Fanszene und für die Fanhilfe Magdeburg aktiv, sagt Wiebe, die Fußball-WM in Katar sei ihm zuwider. Er wisse schon jetzt: Wenn er Spiele schauen würde, würde er an die Zehntausenden Toten denken, die auf den Baustellen in Katar gestorben seien.

Wenn ich WM-Spiele schaue, werde ich an die Gastarbeiter denken, die in Katar gestorben sind, die schlecht behandelt worden sind, die schlecht bezahlt worden sind.

Oliver Wiebe, Fußballfan aus Magdeburg

"Lieber kleine Vereine unterstützen, als das dritte Nationaltrikot kaufen"

Wiebe sagt, durch starke Kommerzialisierung habe sich der Fußball von den Menschen entfernt. Es sei wichtig, dass der Sport wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft gerückt werde. Er hofft, dass möglichst viele Menschen die WM boykottieren und sich kritisch mit den Bedingungen in Katar auseinandersetzen.

Statt die WM-Spiele zu gucken, solle man lieber kleine Fußballvereine aus der Region unterstützen, meint Wiebe. Das käme auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und bei der FIFA an. So könnten alle zu einem Umdenken beitragen. Denn eigentlich sei Fußball ein Sport aus der Mitte der Gesellschaft, der den Massen Freude bereite, Menschen Halt gebe und für Solidarität stehe.

WM-Team mit Spielern aus Ostdeutschland aufstellen

Wie sähe Ihr WM-Team aus, wenn nur Spieler aus Ostdeutschland aufgestellt würden? Auf dem Instagram-Kanal von MDRklärt können Sie ab Sonnabend Ihre ostdeutsche Wunsch-Elf aufstellen und abstimmen.

Ein Blick auf die Seite lohnt sich. Neben der Ostdeutschen-WM-Mannschaft finden Sie dort viele weitere interessante Themen und Erklärungen rund ums Leben in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.

Magdeburgerin organisierte Amnesty-Protest in Berlin

Lisa Nowag aus Magdeburg ging ein Boykott der WM nicht weit genug. Die Friedens- und Konfliktforscherin organisierte in der deutschen Jugendvertretung von Amnesty International einen Protesttag in Berlin. Dort forderte sie unter anderem, bei der Vergabe von Sport-Großereignissen stärker auf die Menschenrechtssituation zu schauen sowie einen Entschädigungsfond für die geschädigten Gastarbeiter und deren Familien.

Zusätzlich kritisiert Nowag die WM-Vergabe nach Katar auch wegen der eingeschränkten Rechte für Frauen, der fehlenden Rechte für homosexuelle Menschen und aus Umweltschutzgründen. Es sei eine erhebliche Umweltbelastung, in einem kleinen Land wie Katar mit 300.000 Einwohnern die Infrastrukturen für eine ganze Weltmeisterschaft zu schaffen.

Nowag spricht sich klar dafür aus, die Fußball-WM nicht zu schauen. Zwar ändere ein persönlicher Boykott erstmal wenig, aber Gespräche über das Thema und öffentlicher Druck könnten eine Menge bewegen. Sie wünscht sich insbesondere stärkere Signale aus der Politik und ist überzeugt: Wenn die Nationalmannschaft und der DFB die WM boykottiert hätten, hätte das auch international eine Menge bewegen können.

Start der Fußball-Weltmeisterschaft am Sonntag

Ob politisch motivierter Protest, schlechtes Gewissen oder schlichtes Desinteresse: Fakt ist, dass bei vielen Magdeburgern bislang deutlich weniger WM-Stimmung aufkommt als sonst. Deutschlandweit gab nur jede fünfte Person an, genau so viele WM-Spiele gucken zu wollen, wie sonst. Experten sind gespannt, ob das so bleibt, wenn am Sonntag das Eröffnungsspiel stattfindet.

Mehr zum Thema Debatte um Fußball-WM in Katar

MDR (Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 16. November 2022 | 10:00 Uhr

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