Streit um Hermann-Gieseler-HalleWarum zahlreiche Magdeburger eine alte Halle retten wollen
Weltstar Louis Armstrong hat dort gespielt, Max Schmeling geboxt und die Handballer des SCM legendäre Partien gewonnen: Die Hermann-Gieseler-Halle ist Kult in Magdeburg – nicht nur bei Sportfans. Doch der Streit um ihre Zukunft ist nun eskaliert.
Rolf Onnen sitzt in seinem Büro im Kavalier Scharnhorst und draußen lärmt die Kreissäge. Das gefällt ihm. Denn hier, an der alten Festungsanlage nahe der Elbe, wird gebaut. Im Gegensatz zum Gelände rund um die Hermann-Gieseler-Halle. Dort wird erst einmal gar nichts mehr gebaut.
"Das Projekt ist tot", schimpft Onnen. "Der Stadtrat hat uns alles kaputtgemacht." Ein Möbelmarkt sollte dort entstehen. Das Baurecht für das Nachbargrundstück wurde allerdings kürzlich verwehrt. "Völlig unverständlich", sagt Projektentwickler Onnen, der den Investor vertritt. "Ich bin zutiefst enttäuscht."
Plakate in der ganzen Stadt
Der Zoff um die Hermann-Gieseler-Halle begann vor viereinhalb Jahren. Damals verkaufte die Stadt das Gebäude und ein Nachbargrundstück an die Steinhoff-Gruppe, weil sie sich nicht in der Lage sah, die etwa 22 Millionen Euro für die Sanierung der denkmalgeschützen Halle aufzubringen. In der Folge gab es immer Diskussionen um die Zukunft der Gieselerhalle.
Im gesamten Stadtgebiet waren zuletzt Plakate zu sehen, auf denen geschrieben stand: "Gieselerhalle für Sport nutzen! Kein Poco in Stadtfeld!" Der Möbelmarkt sollte nämlich auf dem Nachbargrundstück entstehen. Durch die Entscheidung des Stadtrates wird es dazu nun nicht kommen.
"Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und für uns ein Teilerfolg", sagt Thomas Opp vom Bürgerverein Stadtfeld. Dessen Mitglieder hatten die Plakate aufgehängt und in den vergangenen Jahren immer wieder Bedenken geäußert. Zum Beispiel bezüglich der Zufahrtstraßen zum geplanten Möbelmarkt und zu Poco generell, denn: "15 Meter hoch, quietschgelb – der hätte hier nicht reingepasst neben so ein bedeutendes Denkmal."
Größter Kritikpunkt jedoch: die unklare Nutzung der Hermann-Gieseler-Halle. "Wir wollten sie umwandeln in eine Mischung aus Handel und Gewerbe und etwas anderem, was wir noch nicht festlegen konnten, weil die Stadt die Halle noch bis 2023 braucht. Solange wartet aber kein Mieter, deshalb waren wir noch gar nicht auf der Suche", erklärt Rolf Onnen. "Wir hätten einen weiteren Möbelmarkt reinsetzen können, konnten uns aber auch sportliche Nutzung vorstellen." Nun will der Stadtrat eine sportliche Nutzung festschreiben lassen.
Onnen: "Sieht ziemlich schrecklich aus"
Mit so viel Gegenwehr bei dem Bauvorhaben hätten der Investor und Projektentwickler Onnen nicht gerechnet. "Das war nicht abzusehen", sagt Onnen. "Die Hermann-Gieseler-Halle ist nur von ihrer inneren Qualität ein Baudenkmal. Von außen sehen sie nur das schwarze Pappdach und das sieht, mal ganz ehrlich, ziemlich schrecklich aus."
Doch warum wollen so viele Magdeburger die Hermann-Gieseler-Halle dann retten? "Die Gieselerhalle ist einfach ein Stück Magdeburger Geschichte und nicht wegzudenken", sagt Thomas Opp. "Für viele Magdeburger ist sie ein ganz wichtiges Bauwerk, mit dem tolle Erinnerungen verknüpft sind."
In den 1950er Jahren hat der weltbekannte Trompeter Louis Armstrong dort gespielt. Max Schmeling hat dort geboxt und die Handballer des SC Magdeburg legendäre Partien gewonnen.
Mehr noch: "Die Hermann-Gieseler-Halle ist ein herausragendes Baudenkmal der Moderne der 1920er Jahre – und zwar deutschlandweit", sagt Michael Stöneberg vom Kulturhistorischen Museum Magdeburg. "Man muss sich bei der Bewertung klar machen, auf welchem Level man sich da befindet."
Gieselerhalle ein "besonderes Juwel"
Die Halle am Klaus-Miesner-Platz ist das erste kommunale Bauwerk, das nach dem Ersten Weltkrieg im Stil des Neuen Bauens errichtet wurde. Ursprünglich diente sie als Viehmarkt- und Ausstellungshalle und wurde 1922 nach den Plänen der Architekten Johannes Göderitz und Bruno Taut fertiggestellt.
"Bruno Taut war anerkannt als Teil der Elite der Moderne, einer der zentralen Architekten", erklärt Stöneberg. Als Taut in Magdeburg zum Baurat berufen wurde, "war das eine totale Sensation", so Stöneberg. "Er war nur drei Jahre hier, aber hat wahnsinnig viel bewegt."
Überhaupt sei es eine tolle Leistung gewesen, "dass sie es hinbekommen haben, diese Halle in der Nachkriegszeit und der sich anbahnenden Inflationszeit zu bauen. "Die Stadt Magdeburg hat zu dieser Zeit einen entschiedenen Willen gezeigt, sich zu modernisieren."
Für Stöneberg steht fest: "Die 1920er-Jahre-Moderne ist ein sehr besonderes Kapitel der Stadtgeschichte, auf das die Magdeburger und Magdeburgerinnen stolz sein können." Und: "Die Hermann-Gieseler-Halle ist ein besonderes Juwel in diesem Schatz der Baudenkmäler aus dieser Zeit."
Der Historiker sagt: "Ich wünsche mir, dass eine denkmalgerechte Sanierung gesichert wird und dass es eine angemessene Nutzung gibt. Die Stadt macht Pläne zur Kulturhauptstadt, da könnte ich mir die Hermann-Gieseler-Halle auch gut als Veranstaltungsort vorstellen."
Wie geht es mit dem Schulneubau weiter?
Doch zwischen der Stadt Magdeburg und dem Investor geht es nun zunächst um Geld. Das Kaufgeschäft von 2016 soll rückabgewickelt werden. Was die Verhandlungen erschwert: Der Investor hatte der Stadt im Tausch Baugrund für den Neubau einer Grundschule überlassen.
"Es geht darum, dass der Schaden vom Investor ferngehalten wird. Er muss sein Geld zurückkriegen", sagt Rolf Onnen. "Dann wird sicherlich auch die Schule weitergebaut werden können." Einigen sich beide Parteien allerdings nicht, könnte sogar der Abriss des fast fertiggestellten, neuen Schulgebäudes drohen.
Wie es mit der Hermann-Gieseler-Halle weitergeht, ist ebenfalls noch unklar. "Wir hoffen", sagt Thomas Opp vom Bürgerverein Stadtfeld, "dass die Halle wieder in städtische Hand übergeht und auch in Zukunft für Sport genutzt wird." Kreissägen sollen an der Hermann-Gieseler-Halle höchstens während der denkmalgerechten Sanierung zu hören sein.
Über den AutorDaniel George wurde 1992 in Magdeburg geboren. Nach dem Studium Journalistik und Medienmanagement zog es ihn erst nach Dessau und später nach Halle. Dort arbeitete er für die Mitteldeutsche Zeitung.
Vom Internet und den neuen Möglichkeiten darin ist er fasziniert. Deshalb zog es ihn im April 2017 zurück in seine Heimatstadt, in der er seitdem in der Online-Redaktion von MDR SACHSEN-ANHALT arbeitet – als Sport-, Social-Media- und Politik-Redakteur, immer auf der Suche nach guten Geschichten, immer im Austausch mit unseren Nutzern.
Quelle: MDR/dg
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 14. Oktober 2020 | 07:30 Uhr
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