Neue FörderrichtlinieSchulsozialarbeit: Nur noch an Schulen mit Problemen?
Es geht darum, Chancengleichheit herzustellen, sagt das Bildungsministerium. Gymnasien und Grundschulen werden leer ausgehen, den Landkreisen drohen höhere Kosten, befürchten Kritiker. Kommt eine neue Förderrichtlinie für Schulsozialarbeiter wie geplant, sollen die Pädagogen nur noch in sogenannten Brennpunktschulen eingesetzt werden.
- Das Bildungsministerium will offenbar Sozialarbeit nur noch an Schulen mit einer hohen Abbrecher-Quote bezahlen.
- Gymnasien und Grundschulen fürchten, bei diesen Förderkriterien leer auszugehen.
- Schon Anfang des Jahres hatte ein Sozial-Bündnis eine bessere Finanzierung der Schulsozialarbeit gefordert.
Das Bildungsministerium in Magdeburg plant offenbar, Schulsozialarbeit nur noch an Schulen mit Problemen zu bezahlen. Das geht aus geplanten neuen Förderrichtlinien hervor, zu denen es am Dienstag eine erste Anhörung gab. Demnach sollen ab 2024 nur noch Sozialarbeiterstellen an den Schulen gefördert werden, die eine hohe Schulabbrecherquote haben oder an denen besonders viele Schüler ihren Abschluss nicht schaffen.
Finanzierung der SchulsozialarbeitSachsen-Anhalt setzt die Schulsozialarbeit seit 2008 mithilfe eines EU-finanzierten Förderprogrammes durch. Die SPD erwirkte bei den Haushaltsverhandlungen 2022 die Finanzierung dafür bis Ende des Schuljahres 2024 zu sichern. Einen sinkenden EU-Anteil will das Land für die bisherigen 380 Stellen auffangen. Das kostet pro Jahr rund sechs Millionen Euro zusätzlich. Außerdem sollen 14 weitere Stellen finanziert werden. Das Land fördert dann Sozialarbeiterstellen an Schulen zu 80 Prozent; den Rest müssen die zuständigen Kommunen und Landkreise stemmen.
Gymnasien und Grundschulen befürchten nun, dass sie künftig weniger Geld für Sozialarbeiter haben. Dabei hätten auch diese Schulformen einen großen Bedarf an Schulsozialarbeit, erklärt Schulleiterin Elke Hein vom Markgraf Albrecht-Gymnasium in Osterburg in der Altmark im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.
Ernste Probleme in jeder Schulform
"Auch hier haben Schüler, Eltern und Lehrer Probleme. Es gibt zum Beispiel Lern-Unlust bis hin zur Schulverweigerung. Manche Eltern schaffen es morgens nicht, ihre Kinder dazu zu bewegen, zur Schule zu gehen. Ein großes Problem sind auch Defizite im sozialen Bereich. Manche Schüler wissen nicht, wie man sich in der Gruppe verhält", so Schulleiterin Hein.
Das leistet SchulsozialarbeitSoziale Arbeit an Schulen ermöglicht Schülern, Eltern und Lehrern, sich mit Problemen an sie zu wenden. Im Beratungsprozess arbeitet Schulsozialarbeit mit der Familie und der Schule sowie mit Trägern der Jugendhilfe oder Therapeuten zusammen.
Es gehe darum, bedarfsorientiert zu fördern, Chancengleichheit herzustellen und Teilhabe zu ermöglichen, teilt das Bildungsministerium auf Nachfrage vom MDR SACHSEN-ANHALT mit. Schüler und Schülerinnen sollten einen Zugang zu hochwertiger allgemeiner und beruflicher Bildung bekommen. Dafür zahle Sachsen-Anhalt deutlich mehr als andere Bundesländer.
Kritik auch aus dem Landkreis Stendal
Derweil hat der Landkreis Stendal das Land Sachsen-Anhalt aufgefordert, die Schulsozialarbeit über 2024 hinaus wie bisher finanziell zu unterstützen. Landrat Patrick Puhlmann (SPD) erklärte: "Das Bildungsministerium hat bereits vor längerer Zeit angekündigt, dass es ab August 2024 die kommunale Ko-Finanzierung nicht mehr übernehmen will und damit wir Landkreise und Gemeinden einspringen müssen. Das wäre eine zusätzliche freiwillige Aufgabe von mehreren Hunderttausend Euro pro Jahr." Solche Summen seien in der aktuellen Haushaltsituation des Landkreises unrealistisch.
Eine eigene stärkere Kostenübernahme lehnte der Kreistag am Donnerstag ab. Dass das Land die Finanzierung runterfahren wolle, sei der falsche Weg, sagte Landrat Puhlmann MDR SACHSEN-ANHALT. "Der Landkreis kann das nicht leisten, so sehr wir es auch wollen. Deswegen muss das Land bei seinem bisherigen Anteil von 20 Prozent der Kosten bleiben." Puhlmann verlangte außerdem langfristige Verträge für die Sozialarbeiter. Sonst drohe massive Personalnot. "Die wichtige Schulsozialarbeit darf nicht wegfallen, nur weil es kein Personal gibt."
Raus aus dem "Projekt-Status"
In einem offenen Brief hat im Februar ein Bündnis aus Verbänden und Räten das Bildungsministerium aufgefordert, die Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt dauerhaft zu sichern. Es mangele an konstanten Rahmenbedingungen, beklagten die AWO Sachsen-Anhalt, das Landesjugendwerk, der Landeseltern- und der Landesschülerrat in dem Schreiben. Hier müsse es eine Verstetigung geben – über den "Projekt-Status" hinaus.
Sachsen-Anhalt müsse als Land mit der höchsten Schulabbrecherquote deutschlandweit (9,4 Prozent) und der zweithöchsten Armutsquote bei unter 18-Jährigen von (25,2 Prozent) jedes Mittel zu ergreifen, um die Chancen von Kindern und Jugendlichen konsequent zu verbessern, hieß es in dem Brief. Schulsozialarbeit liefere einen entscheidenden Beitrag für die Erhöhung von Bildungschancen.
Schon im Juni sollen die neuen Förderrichtlinien beschlossen werden und dann ab Sommer 2024 gelten.
Mehr zum Thema Schulsozialarbeit
MDR (Katharina Häckl, Karin Roxer, Hannes Leonard), dpa
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. Mai 2023 | 17:00 Uhr