Sommer-TippAb aufs Fahrrad: Tour 1 von Havelberg nach Arendsee im Test
Wer Lust hat, Sachsen-Anhalt im Sommer mit dem Rad zu erkunden, kann in der Altmark Ungeahntes entdecken. Unsere Reporter haben die Strecke von Havelberg nach Arendsee für Sie getestet. Über den Dächern von Werben, mit einem Kuchen am Elbdeich oder mitten im "Nüscht" in Harpe. Die Tour führt durch wunderschöne Natur und beeindruckt mit spröde-herzlichem Altmark-Charme. Leider gibt es auch einige Hindernisse.
- Abenteuer Anreise: Welche Schwierigkeiten lauern und wie man es trotzdem schafft.
- Die erste Etappe: Zwischen Störchen und Schafen die Elbe entlang.
- Die zweite Etappe: Entgültig entschleunigt im Nüscht bis nach Arendsee.
Kurzinfos zur TourLänge: 63 km (+ 10 bei Start ab Glöwen)
Kondition: gut
Schwierigkeit: wenig anspruchsvoll
Achtung: ÖPNV-Anbindung mit Fahrrad herausfordernd. Kostenpflichtige Elbfähre Räbel liegt auf Route.
Kurzbewertung- Weg-Qualität 3/5
- Ausschilderung 5/5
- Rastmöglichkeiten 3/5
- Natur und Aussicht 4/5
- ÖPNV-Anbindung 2/5
- Familientauglichkeit 2/5
Die schönsten Badeseen, einsame Elblandschaften und echte Raritäten: Mitten durch das "Nüscht" der Altmark schlängelt sich ein wunderschöner Radweg, den wir gerne empfehlen würden. Aber das "Nichts" hat eben auch seinen Preis, und der ist direkt bei der An- und Abreise deutlich zu spüren. Wer direkt in Havelberg wohnt, hat Glück gehabt. Ansonsten braucht man ein Auto mit Dachgepäckträger oder aber eine gründliche Vorbereitung. Denn weder Havelberg noch Arendsee haben einen Bahnhof und die Busse nur wenig Platz für Fahrräder. Wir, der Altmärker André Plaul und der Magdeburger Leonard Schubert, haben die Strecke für Sie getestet.
>>> Mehr zur An- und Abreise mit dem ÖPNV
Anreise nach Havelberg
Die sicherste Variante ist die mit dem Zug. Sie verlängert die Strecke allerdings um 10 Kilometer, denn der nächstgelegene Bahnhof liegt in Glöwen (Brandenburg). Hierher geht es ab Magdeburg zum Beispiel mit der S1 nach Wittenberge und von dort aus weiter mit dem RE8 Richtung Berlin.
Möglich ist auch die Anreise per Bus. Ab Stendal mit der Landeslinie 900 nach Havelberg. Dort ist aber nur wenig Platz für Fahrräder.
Abreise von Arendsee
Mit dem Landesbus 200 geht es von Arendsee nach Salzwedel oder Osterburg. Von dort weiter mit der Bahn. Wir empfehlen, die Fahrradmitnahme beim Busunternehmen vorher anzumelden.
Achtung: Für Brandenburg wird eine Fahrradkarte benötigt. In Sachsen-Anhalt ist die Mitnahme kostenlos.
Von Havelberg nach Werben
Wer es bis nach Havelberg geschafft hat, wird belohnt. Wir rollen durch das schöne Städtchen, vorbei am Dom am Haus der Flüsse Richtung Elbe. Ab dort führt der Weg über eine wenig befahrene Landstraße zwischen kühlenden Bäumen und endet nach wenigen Kilometern an der Fähre nach Räbel. Für 2,50 Euro pro Person samt Rad setzen wir bei einem Fährmann über, der seinen Honig bei der Überfahrt gleich mit anbietet.
Von Räbel aus geht es hinauf auf den Elbdeich. Hier begegnet uns kein Mensch. Mein Mitfahrer André, ein Altmärker, kommt in Stimmung. "Hier ist ja nichts los. Wie schön!" ruft er, und hat selten etwas so ernst gemeint.
Hier ist ja nichts los. Wie schön!
André Plaul, MDR-Redakteur
Zwischen weidenden Schafen, Wiesen und Feldern auf der linken und dem Fluss auf der rechten Seite strampeln wir auf dem glatt gepflasterten Deich bis nach Werben. Wer Zeit hat, sollte hier eine kurze Pause einlegen, denn die Hansestadt hat einiges zu bieten und ist besonders bei Fahrradtouristen ein beliebtes Ziel. Antje Streiber-Schon, die mit ihren Tanzschülerinnen eine Radtour macht, ist jedenfalls begeistert: "Überzeugen tun einfach Land und Leute", sagt die Köthenerin.
>>> Aktivitäten und Aussichtspunkte in Werben
Elbtor und Störche: Die Stadt Werben nennt sich selbst auch Storchenstadt. Jetzt im Juli lassen sich überall Storche mit ihrem Nachwuchs in den imposanten Nestern beobachten. Besonders gut geht das vom Elbtor aus. Für drei Euro bekommen Besucher von oben einen imposanten Blick über die Stadt.
Rundfunkmuseum: Ein Stück ins Städtchen rein lädt Rüdiger Haase seit vielen Jahren alle Interessierten in sein Rundfunkmuseum ein. Neben funktionstüchtigen Fernsehern und Radios aus über 100 Jahren kennt der heimatverbundene Altmärker 1.001 mitreißende Geschichten über die Region und legt liebend gerne alte Titel auf. Immer einen Besuch wert.
Freibad und Campingplatz:
Bei sommerlichen Temperaturen lädt das Werbener-Freibad zum Erholen und Erfrischen ein. Bürgermeister Bernd Schulze erzählt uns stolz, dass das Bad durch die umliegenden Gemeinden mitfinanziert wird.
Wer gleich länger hierbleiben oder sich vielleicht bei einer Mehrtagestour ausruhen möchte, findet direkt neben dem Freibad den Campingplatz von Isolde und René Wolff. Fahrradfahrer können hier neben Schlafhütten und Zeltmöglichkeiten auch eine Küche, Wäscheservice und sogar eine Fahrradreparaturstation nutzen.
Von Werben nach Beuster
Hat man sich in Werben wieder losgerissen oder die Stadt gleich links liegen gelassen, führt der Weg immer weiter über den Elbdeich. Bei 35 Grad fließt der Schweiß ordentlich und wir sind froh, dass wir genug Wasser eingepackt haben. Das sieht auch Ingo Jansen so, der uns mit dem Fahrrad entgegen kommt. "Ihr seid die ersten, die ich seit 20 Kilometern treffe", grinst der Radler, der mit dem Fahrrad aus Norddeutschland bis in die Altmark gefahren ist. "Die Strecke hier ist schöner als die Nordsee", meint er und düst weiter Richtung Havelberg, wo er übernachten will.
Für uns geht es immer weiter auf dem gut ausgeschilderten Elberadweg. Auch wir begegnen an den Elbwiesen kaum jemandem. Der Fahrtwind kühlt uns ein wenig, in flottem Tempo geht es voran. Alle paar Kilometer ist ein Imbiss ausgeschildert, immer wieder locken Badebuchten am Ufer. Das Surren der Reifen, unsere leisen Gespräche, die Ruhe und Weite. All das strahlt, genau wie die Menschen, eine seltsame Wärme aus. Man könnte sich fragen, was man eigentlich hier treibt. Aber irgendwie ist es wirklich schön. Wir rollen durch das berühmte Nüscht der Altmark.
Erst kurz vor Beuster begleiten uns zwei engagierte Hütehunde, die ihre Schafherde beschützen. Wir beschließen, auf ihr Gebell zu hören, und verlassen den Weg für einen kurzen Abstecher in die Schäferei Schuster.
>>> Rast im Café der Schäferei Schuster
Wer eine Pause braucht, wird im Café der Schäferei Schuster mit selbstgebackenem Kuchen, Getränken und Speisen aus der hauseigenen Schlachtung verköstigt. Dauerbrenner sind laut Betreiberin Kerstin Schuster die Lammsteaks mit eigens hergestellter Gewürzmischung. Für E-Bike-Fahrer interessant: Vor der Tür befindet sich eine kostenlose Ladestation für Fahrräder und Handys.
Von Beuster über Geestgottberg (Bahnhof) nach Harpe
Kurz hinter Beuster verlassen wir den Elberadweg und wagen uns noch weiter vor in die Tiefen der Altmark. Über Deichwege und leere Landstraßen geht es – kaum zu glauben – immer weiter ins Nichts. Nach über 40 Kilometern in der Hitze freue ich mich, dass es nicht mehr weit ist. "Genau. Nur noch 25 Kilometer" raunt der Altmärker neben mir. Trotzig gönne ich mir einen Schluck Apfelschorle und trete dann weiter in die Pedale.
Irgendwo mitten in den Feldern fahren wir durch Geestgottberg. Wer keine Kraft- oder Lust mehr hat, kann hier aufhören. Denn Geestgottberg hat tatsächlich einen kleinen Bahnhof, von dem aus man bis nach Magdeburg fahren kann. Kurz kommt mir der Gedanke verlockend vor, aber dann sind wir auch schon vorbeigefahren. Und ich bin froh darüber. Denn ein paar Kilometer weiter in Harpe lerne ich etwas über die Kraft der Entschleunigung.
Hier steht an den stillgelegten Bahngleisen Richtung Salzwedel ein ehemaliges Bahnhofsgebäude, das Enno Poppinga vor einigen Jahren gekauft und zu einem Wohnhaus mit Ferienwohnungen umgebaut hat. Der Mann, der ursprünglich aus Hamburg stammt, hat begriffen, was für eine Schönheit in der Ruhe der Altmark liegt und einen Ort geschaffen, um sie mit Menschen zu teilen.
>>> Der alte Bahnhof in Harpe: Die Stärke des Nichts
"Diese Stille, dieser Sternenhimmel, das ist was ganz besonders", erzählt Enno Poppinga. "Viele Menschen, die hierherkommen, entdecken ihr eigenes Tempo, entdecken Ruhe und tanken ihre Akkus auf." Während er erzählt, ist nicht schwer zu verstehen, was er meint. Die Ruhe ist richtiggehend hörbar, fällt immer wieder auf. Hier summen Hummeln, der Wind rauscht leise, ansonsten hört man tatsächlich eigentlich nichts. Ein friedliches Gefühl umgibt diesen Ort. "Die Entschleunigung erleben" – das möchte Poppinga seinen Gästen ermöglichen.
Von Harpe nach Arendsee
Harpe fühlt sich nach dem langen Tag wie das Ziel (fast) jeder Reise an: Nach Ruhe und Ankommen. Aber Arendsee liegt noch etwa 10 Kilometer weit entfernt. Bis dahin ist es ein schottriger und erstmalig leicht hügeliger Weg durch den Harper Wald. Wir holpern zwischen Zapfen und Sand vorbei an Nadelbäumen. Bis der Wald auf einmal endet und wir Ziemdorf passieren. Auf einen Schlag zurück in der Zivilisation.
Und dann geht's ganz schnell. Kurz hinter dem Ortsausgang sehen wir dann schon das erste Mal den Arendsee durch die Bäume glitzern. Selbst den Altmärker hält jetzt nichts mehr. Nächster Halt: das Strandbad. Menschen unterhalten sich am Ufer, es riecht nach Abendessen, die Queen Arendsee liegt vertäut am Steg. Herrlich, wir sind da.
Über die AutorenAndré Plaul (der Altmärker) fährt geschlagene 16.000 Kilometer im Jahr. Auf seinem alten Damenrad. Und ohne zu schwitzen. Am liebsten mit Rückenwind und Podcast im Ohr.
Leonard Schubert hat im Alter von vier Jahren ohne Stützräder Fahrradfahren gelernt. Seitdem ist kein Weg vor ihm sicher. Er bringt nicht nur Tempo in Andrés Touren, sondern steuert auch jede Menge Werkzeug und schlechte Witze bei.
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MDR (Leonard Schubert, André Plaul)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. Juli 2023 | 10:00 Uhr
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