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Der Prozess ist am Dienstag am Landgericht gestartet. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Tongruben-Prozesse Möckern und VehlitzNeuer Prozess: Geringere Strafe im Müllskandal?von Bernd-Volker Brahms, MDR SACHSEN-ANHALT

10. Januar 2024, 14:25 Uhr

Die beiden Hauptangeklagten im sogenannten Tongruben-Prozess im Jerichower Land stehen erneut vor Gericht. Das Strafmaß gegen einen heute 67-Jährigen und einen 76-Jährigen müssen vom Landgericht Stendal neu festgelegt werden. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes. Bei dem Verfahren geht es um hunderttausende Tonnen illegal entsorgten Hausmülls, die in zwei Tongruben verscharrt wurden.

Es ist einer der größten Müllskandale der Bundesrepublik: 2008 wurde aufgedeckt, dass in den beiden Tongruben in Möckern und in Vehlitz (Jerichower Land) in großem Stil Hausmüll über rund drei Jahre illegal entsorgt worden war – insgesamt rund 900.000 Tonnen. Um das zu bewerkstelligen, wurde nicht nur der damalige Landrat Lothar Finzelberg bestochen. Es wurde an den Aufsichtsbehörden vorbei agiert. Auch nach 16 Jahren muss sich das Landgericht Stendal immer noch mit der Angelegenheit beschäftigen.

Seit Dienstag wird in Stendal erneut verhandelt. Die Hauptangeklagten Edgar E. (67) und Stefan S. (76) hatten beim Bundesgerichtshof (BGH) eine Revision gegen ein Urteil des Landgerichtes Stendal eingereicht. Es geht um das Strafmaß für die beiden Männer, die "als Geschäftsführer und faktischer Geschäftsführer" eine GmbH leiteten, mit der die illegale Müllentsorgung zwischen 2005 und 2008 organisiert worden war.

Seit Dienstag wird in Stendal erneut verhandelt. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Rund 45.000 Seiten Akten

Die Ermittlungsbehörden und später auch die Gerichte standen ab 2008 vor einer Mammutaufgabe. Es gab Dutzende Beteiligte und am Ende rund 45.000 Seiten Aktenmaterial. Um das Verfahren händelbar zu halten, wurde es in zwei Verfahren aufgeteilt – jeweils eins für die Grube Möckern und eines für die Grube Vehlitz. Die beiden Hauptangeklagten waren in beiden Fällen identisch.

Es wurde jahrelang verhandelt, einigen Beobachtern schwante schon das Scheitern der juristischen Aufarbeitung – zu komplex war das Verfahren. Es drohte Verjährung. Aus den Justizkreisen am Landgericht heißt es, dass die beiden Verfahren die Arbeit des Stendaler Gerichtes an den Rand seiner Arbeitsfähigkeit gebracht hatte.

Urteil Vehlitz: Drei bis viereinhalb Jahre Gefängnis

Zunächst wurden im März 2020 drei Männer wegen der Vorgänge in Vehlitz nach 150 Verhandlungstagen zu Haftstrafen verurteilt. Einer der beiden Hauptangeklagten erhielt drei Jahre und drei Monate, der zweite Hauptangeklagte erhielt viereinhalb Jahre Gefängnis. Ein Gehilfe bekam eineinhalb Jahre auf Bewährung. Weitere drei Männer wurden freigesprochen. Da das Urteil später rechtskräftig wurde, konnten die Männer schon einmal einen Teil ihrer Strafe absitzen.  

Das Landgericht in Stendal ist seit vielen Jahren mit den Tongruben-Fällen beschäftigt. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Urteil Möckern: Zwei bis drei Jahre Gefängnis plus Verfahrenskosten

Kurz nach dem Vehlitz-Urteil wurde am Landgericht Stendal im April 2020 auch in Sachen Möckern das Urteil gefällt. Nach 135 Tagen Verhandlung wurde der eine Haupttäter zu drei Jahren Haft, der zweite zu zwei Jahren verurteilt. Außerdem wurden ihnen die nicht ganz unerheblichen Verfahrenskosten auferlegt.

Gegen das Strafmaß gingen sie beim Bundesgerichtshof (BGH) in Leipzig in Revision. Während der generelle Schuldspruch von den Bundesgerichtsrichtern nicht infrage gestellt wurde, bemängelten sie das festgesetzte Strafmaß.

"In ihrer Lebensführung straffrei"

Es hieß im BGH-Urteil vom Dezember 2022, dass nicht gewürdigt worden sei, dass die beiden Männer nach den Taten "in ihrer Lebensführung straffrei" geblieben seien. Immerhin hatte es nach Beginnt der Ermittlung zwölf Jahre gedauert, bis die Urteile fielen. Das Gericht hatte bereits aufgrund der "rechtswidrigen Verfahrensverzögerung" einen sogenannten Vollstreckungsabschlag von vier Monaten berücksichtigt. Nun könnten die Angeklagten noch einen weiteren Rabatt erhalten.

Richter Ulrich Galler möchte das Verfahren möglichst schnell abschließen. Er hat zwar noch drei weitere Verhandlungstage angesetzt. "Wenn wir uns einig sind, können wir das noch beschleunigen", sagte er.

Insgesamt sind vier Verhandlungstage angesetzt. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Landrat ließ sich bestechen

Aufsehen hatte das Verfahren auch durch die Involvierung des ehemaligen Landrates Finzelberg erregt, der in einem gesonderten Verfahren wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden war. Das Gericht konnte eine Bestechungssumme von 56.000 Euro belegen, ging aber von mehr aus.

Der illegal entsorgte Müll ist mittlerweile aus den Gruben wieder ausgehoben worden. Laut Wirtschaftsministerium mussten für die Sanierung rund 34 Millionen Euro ausgegeben werden. Rund 7,5 Millionen Euro konnten von beteiligten Privatleuten zurückgeholt werden.

Der Prozess wird am 23. Januar fortgesetzt.

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MDR (Bernd-Volker Brahms, Luise Kotulla)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Januar 2024 | 06:30 Uhr

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