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Betreibermodell gescheitertOsterburg: Schulküche bleibt seit Monaten kalt

29. März 2024, 17:30 Uhr

Vor anderthalb Jahren war die Schulküche in Flessau, einem Ortsteil von Osterburg, mit großen Erwartungen gestartet. Die Kommune investierte 800.000 Euro für eine neue Küche. Frisch zubereitetes Essen sollte an die Kinder in den Kitas und Grundschulen ausgereicht werden. Nach einem geglückten Start gab es aber Ärger mit dem privaten Betreiber. Juristische Auseinandersetzungen folgten. Jetzt soll es einen Neustart geben.

Magnus Urban sitzt zu Hause und hat um sich herum gleich in mehreren Zimmern Unterlagen verteilt. Mehrere Ordner hat er angelegt, gefüllt mit Korrespondenzen, Gerichtsurteilen, eidesstattlichen Versicherungen und auch Berechnungen. "Ich habe alles verloren", sagt der Stendaler Gastronom. Für seine Firma M1 müsse er Insolvenz anmelden.

Catering im Landkreis Stendal: Wie ein Kartenhaus zusammengefallen

Der 46-Jährige kann nicht verstehen, wie alles so schnell wie ein Kartenhaus zusammenfallen konnte. Jahrelang hat er als Caterer Kitas, Schulen und auch Senioren-Einrichtungen im Landkreis Stendal mit Mittagessen beliefert.

Unternehmer Magnus Urban muss für seine Firma M1 Insolvenz anmelden. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Zu Spitzenzeiten hat er seine Gastronomie mit 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt. Zubereitet wurde das Essen in Stendal in der Restaurant-Küche des M1. Seit 2019 belieferte der Stendaler auch drei Kitas in Osterburg und den Ortsteilen Königsmark und Walsleben im Landkreis Stendal.

Als parallel im Osterburger Ortsteil Flessau eine neue Schulküche gebaut wurde, bahnte sich eine Zusammenarbeit an. "Ich war in die Bauplanung integriert und wurde gegenüber anderen als Partner vorgestellt", sagt Urban. Bekommen hat er für seine Beratungen nichts. "Das war auch nie vorgesehen und abgesprochen", sagt der Osterburger Bürgermeister Nico Schulz (parteilos).

Start der neuen Schulküche im Sommer 2022

Im Juli 2022 war das Prestigeprojekt Schulküche erfolgsversprechend gestartet. Zuvor war die gesamte Schule für 2,6 Millionen Euro saniert worden. Später folgte der Neubau der Schulküche, das alte Gebäude war mehr als 50 Jahre alt. "Wir wollen unseren Kindern gesundes und frisches Mittagessen anbieten", sagte Bürgermeister Schulz damals. Rund 500 Portionen täglich sollten an die 100 Grundschüler in Flessau, aber auch in die übrigen Einrichtungen in Osterburg und seinen Ortsteilen ausgereicht werden. Der Stadtrat hatte für das Schulessen einen Preis von 3,35 Euro (inklusive Getränk) festgelegt, Eltern von Kitakindern bezahlten 3,20 Euro.

Die Schulküche in Osterburg-Flessau. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

"Ich habe mich nicht um den Betrieb der Küche gerissen", sagt Unternehmer Urban. Er belieferte zu dem Zeitpunkt ohnehin schon vier Einrichtungen in Osterburg über seine Küche in Stendal. Am Ende habe er dann doch im August 2020 ein Angebot abgegeben und sei der einzige gewesen, sagt er. Bürgermeister Schulz bestätigt das. Abgeschlossen wurde ein Vertrag Ende 2021. Im Sommer 2022 ging es dann – nach überstandener Pandemie – los.

"Erst lief auch alles ganz gut", sagt der Verwaltungschef. Aber nach rund einem Jahr hätten die Schwierigkeiten begonnen. Es habe Beschwerden über die Qualität des Essens gegeben sowie über die Unpünktlichkeit der Lieferung. Teilweise sei das Essen nicht ausreichend warm gewesen. "Das waren Einzelfälle", entgegnet Magnus Urban. Teilweise hätte es Schwierigkeiten allerdings durch Sonderwünsche von Eltern und auch Kitabetreuern gegeben. "Wir sollten ständig die Touren umstellen", sagt Urban.

Für Bürgermeister Schulz wurde der Zustand zunehmend unhaltbar. Dazu sei gekommen, dass der Stendaler Unternehmer außervertraglich Forderungen aufgemacht hatte. Urban selbst bestätigt eine Rechnung über 130.000 Euro im Juni 2023. "Wir sind Herrn Urban zweimal entgegengekommen und haben Preiserhöhungen bei den Essen zugestanden", sagt Nico Schulz. Der Stadtrat war in die Preisgestaltung involviert.

Kündigung des Vertrags, der noch bis 2027 lief

Im August 2023 gab es dann zwei Abmahnungen. "Es gab massive Störungen bei der Leistungsverpflichtung", drückt es der Bürgermeister etwas formal aus. Mitte September wurde dann der bis 2027 laufende Vertrag mit M1 gekündigt.

Der Caterer, der zu dem Zeitpunkt mehr als 50 Einrichtungen – auch Seniorenheime – im Landkreis Stendal belieferte und mit zeitweise 19 Mitarbeitern unterwegs war, legte sofort Rechtsmittel ein. Allerdings wiesen sowohl das Landgericht Stendal als auch das Oberlandesgericht in Naumburg eine einstweilige Verfügung auf Fortführung der Geschäftsbeziehung ab.

Für Urban lief es tragisch weiter. Mit der fristlosen Kündigung in Osterburg inklusive der Schließung der Schulküche brachen nunmehr auch andere Einrichtungen weg. Wobei vertraglich geregelt war, dass der M1-Chef in der Schulküche tatsächlich auch nur die Essen zubereiten durfte, die er dann an den Osterburger Kitas und Schulen verteilte. Andere Einrichtungen mussten aus einer anderen Küche beliefert werden. Diese hatte Urban in Stendal.

Unternehmer: Ich habe alles verloren

Der Stendaler Geschäftsmann will die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen. Nachdem er gerichtlich zusammen mit einem Rechtsanwalt nicht weitergekommen war, schrieb er auch Politiker in großer Zahl an. Auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegenüber dem Landrat hat er eingereicht. Zuletzt veröffentlichte er auch Unterlagen über seinen Facebook-Account.

Er richtet persönliche Vorwürfe gegen Bürgermeister Nico Schulz. "Ich habe alles verloren", sagt Urban, der sich ehrenamtlich im Boxverein und bei den Schützen engagiert. "Die Polizei hat vor kurzem mein Gewehr abgeholt", sagt er und schüttelt mit dem Kopf. Er stehe vor einem Scherbenhaufen, wolle aber weiter für sein Recht kämpfen.

Neue Ausschreibung für Küche in Osterburg-Flessau

Im Osterburger Rathaus blickt man derweil wieder in die Zukunft. Derzeit läuft eine Ausschreibung für den Betrieb der Schulküche, nachdem als Zwischenlösung das Essen für die Kinder seit Monaten von einem auswärtigen Caterer geliefert wird. "Es gibt mehrere Interessenten", sagt Schulz.

Dass es mehrere Anbieter gibt, die Interesse am Betrieb der Küche hätten, sei möglicherweise ein positiver Effekt der gesamten unschönen Diskussion der vergangenen Monate gewesen, sagt er. Ob an der Vertragsgestaltung künftig etwas geändert wird, wollte Schulz auf Anfrage nicht sagen. "Es muss möglich sein, solch eine Küche wirtschaftlich zu betreiben", sagt er.

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MDR (Bernd-Volker Brahms, Mario Köhne)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. März 2024 | 17:00 Uhr

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