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Erneuerbare EnergienSachsen will den Wald für Windenergie öffnen

23. April 2023, 14:48 Uhr

Lange Zeit waren sie politisch nicht gewollt: Windenergieanlagen im Wald. Doch ohne weitere Maßnahmen wird es schwer, die vom Bund ausgerufenen Klimaziele zu erreichen. Spätestens bis 2032 sollen zwei Prozent der Flächen in jedem Bundesland für Windenergie ausgewiesen sein. Bisher ist das in Sachsen mit 0,3 Prozent lediglich wenig mehr als ein Zehntel. Mit dem Projekt "Wind über Wald" will die Staatsregierung einen Weg zu mehr Klimaschutz öffnen.

Sachsen will bei den Erneuerbaren Energien ein höheres Tempo vorlegen als der Bund. Bis 2032 sollen zwei Prozent der Landesfläche in jedem Bundesland für Windenergie ausgewiesen werden. Der Freistaat hat sich 2027 als Ziel gesteckt. Auch Waldflächen sollen unter strengen Auflagen genutzt werden. Wo dies möglich ist, darüber gibt eine neue Karte Auskunft.

Neue Karte zu möglichen Flächen

Das sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) hat nach Ostern im Internet Geo-Daten zur Standorteignung für Windenergieanlagen in Wäldern veröffentlicht. Gemeinsam mit dem Sachsenforst wurden naturschutz-, forst- und wasserschutzrechtliche Aspekte geprüft. Entstanden sind drei Kategorien: grün für geeignet; gelb für eine notwendige Einzelfallprüfung; rot für Landschafts- und Naturschutzgebiete - Windenergie ist hier ausgeschlossen. Bei etwa 10 Prozent der Waldfläche, rechnet Staatsekretär Gerd Lippold vor, gebe es keine naturschutzfachlichen Bedenken.

Umweltstaatssekretär Gerd Lippold Bildrechte: Grüne Fraktion Sachsen / Elenor Breusing

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass etwa zehn Prozent des Waldes grundsätzlich in Frage kommen, da stehen also keine naturschutzfachlichen Bedenken im Wege. Zehn Prozent klingt nicht viel, aber in Sachsen haben wir 28 Prozent Waldfläche, 2,8 Prozent der Landesfläche immerhin, die sich im Wald grundsätzlich öffnen.

Gerd Lippold (Bündnis 90/Grüne) | Staatssekretär Umweltministerium Sachsen

Wind über Wald – von Förstern gewollt oder nicht?

Etwa 50 Prozent der Waldbesitzer würden sich der Windenergie öffnen, schätzt der Sächsische Waldbesitzerverband. Ob in privatem, kommunalem oder kirchlichem Besitz, alle Waldbesitzer könnten sich jetzt engagieren.

Wem gehört der Wald in Sachsen?Landeswald > 39,4 Prozent
Kommunen > 8,2 Prozent
Privatwald > 46,3 Prozent
Bundeswald > 4,1 Prozent
Kirchenwald > 2,0 ProzentUmweltministerium Sachsen

Regierung will eine vorsichtige Öffnung

Windenergieanlagen (WEA) können unter bestimmten Voraussetzungen auch außerhalb von Vorrang- und Eignungsgebieten errichtet werden. Dafür wurde im Sächsischen Landesplanungsgesetz (SächsLPlG) extra eine sogenannte Flexibilisierungsoption verankert.  

Die Öffnung sei ein politscher Kompromiss, so Lippold. Nach seinen Worten ist es eine Öffnung mit Augenmaß. Ohne den Wald komme Sachsen nicht auf die vom Bund vorgegebenen zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie bis 2032.

In Tharandt folgten am Freitag rund 200 Interessierte - Waldbesitzer, Kommunen, Planungsverbände - dem Aufruf zu einer Informationsveranstaltung. Wo darf ich bauen? Was muss berücksichtigt werden? Was habe ich davon? Vor allem die rote Kategorie sorgte für heftige Debatten. Streitpunkt sind die Landschafts- und Naturschutzgebiete, wo Windenergieanlagen ausgeschlossen sind. Während einige Naturschützer laut Umweltministerium den Wald auf keinen Fall für Wind öffnen wollen, sind Waldbesitzer wie Georg Lindner, die sich genau dazu entschlossen haben, irritiert.

Lindner liegt mit seinem Waldstück an der Grenze eines Landschaftsschutzgebietes dicht an der A4 – und darf nach jetziger Definition kein Windrad errichten. Das sei unverständlich, denn die Fläche sei ökologisch wenig wertvoll. Außerdem gebe es dort kurze Wege zur öffentlichen Infrastruktur. Die Voraussetzungen seien aus seiner Sicht ideal.

Das Umweltministerium argumentiert, es gebe europa- und bundesrechtliche Kriterien, an denen auch Sachsen nicht vorbeikomme. Allerdings gebe es für die Landschaftsschutzgebiete - wegen der im Vergleich zu den Naturschutzgebieten weniger strengen Auflagen - künftig Möglichkeiten. Interessierte, die Wald in einem der roten Gebiete besitzen, sollten sich deshalb an ihre Kommune und den regionalen Planungsverband wenden, erklärt Staatssekretär Lippold. So könne man darauf hinwirken, dass die Flächen mit in die sogenannte Vorranggebietsplanung einbezogen werden.

Es hagelt Kritik an der neuen Karte

Der Planungsverband Region Chemnitz beklagt, er sei im Vorfeld in keiner Weise eingebunden worden. Außerdem sei die Rechtsverbindlichkeit der Karte zu bezweifeln. Sie habe keine Gesetzeskraft.

Wofür sind die regionalen Planungsverbände verantwortlich?Den regionalen Planungsverbänden wird – durch das Landesplanungsgesetz – die Regionalplanung als staatliche Pflichtaufgabe übertragen. Das bedeutet für die Verbände eine erhebliche Planungskompetenz und eine enorme Eigenverantwortung für die kommunale Ebene. Sie sind vom Freistaat auch damit beauftragt, zu entscheiden, welche Flächen der Windenergie zur Verfügung gestellt werden sollen. In Sachsen gibt es vier regionale Planungsverbände: Den Planungsverband Region Chemnitz, Leipzig-Westsachsen, Oberes Elbtal/Osterzgebirge und Oberlausitz-Niederschlesien.Freistaat Sachsen

Auch für den Sächsischen Waldbesitzerverband bleiben nach der Tagung in Tharandt zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen und zur Umsetzung viele Frage offen. Der Aufschlag seitens der Politik sei gemacht. Für die Umsetzung allerdings fehle noch die nötige Klarheit.

Ebenso sehen die Projektierer von Windenergieanlagen die Notwendigkeit nachzusteuern. Sie seien in der Vergangenheit bei der Suche nach Flächen, die für Windkraftanlagen geeignet sind, oft mit Problemen konfrontiert worden, beschreibt Katrin Sauer, Abteilungsleiterin Projektentwicklung bei UKA Umweltgerechte Kraftanlagen, die Situation.

Wind über Wald – was bringt es den Waldbesitzern?

Waldbesitzer, deren Wälder durch die klimatischen Verhältnisse massiv gelitten haben, stehen vor einer Herausforderung für die Waldpflege. Die Beräumung und der Umbau zu Mischwald erzeugten hohe Kosten. Hier könnten Pachteinnahmen eine wichtige Einnahmequelle sein, so Katrin Sauer. Ausgebaute Wege für die Windkraft könnten im Anschluss für die Forstmaschinen genutzt werden. Durch die Errichtung von Löschwasserbrunnen würde zudem ein Beitrag zur Waldbrandbekämpfung geleistet.

Wir müssen bei der Errichtung von Windkraftanlagen, so die Genehmigungsauflage, auch Löschwasserbrunnen bauen. Das bekommt der Waldbesitzer also gleich mitgeliefert.

Katrin Sauer | Abteilungsleiterin Projektentwicklung bei UKA Umweltgerechte Kraftanlagen

Waldbesitzer Georg Lindner sieht die Windräder ebenfalls positiv und steht in den Startlöchern. Er beschäftigt sich schon länger mit den Folgen des Klimawandels. Für ihn sei die Errichtung von Windkraftanlagen ein sinnvoller Beitrag um Klima- und Waldschutz miteinander zu verbinden.

Ich habe furchtbare Jahre hinter mir, wo ich Waldschäden aufgrund der Dürre, Trockenheit und hohen Lufttemperaturen zu ertragen habe. Und das war für mich eine Idee: Klimaschutz ist Waldschutz. Ich habe mich gefragt, welchen Beitrag kann ich als Waldbesitzer zum Klimaschutz leisten?

Georg Lindner | Privater Waldbesitzer

In Sachsen sind vier von fünf Bäumen krank. Viele Waldbesitzer werden jetzt für sich abwägen, ob Windenergie auf ihren Forstflächen eine Option für sie sein kann.

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 23. April 2023 | 19:00 Uhr