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Wilde NagerMit dem Ranger dem Biber in der Oberlausitz auf der Spur

24. März 2019, 05:00 Uhr

Wegen ihres Fleisches und Fells wurden die Biber in der Oberlausitz bis aufs letzte Tier gejagt. Inzwischen sind sie dort wieder heimisch. Bis zu 150 Reviere soll es geben. Ranger Lorenz Richter beobachtet die Nager und trägt auf Karten ein, wo sie leben. Und er weiß, welche Gefahren den Bibern heute drohen.

Die Eiche wird er dieses Jahr noch schaffen – der Biber. Lorenz Richter ist sich da ganz sicher. Der 27-Jährige steht am Ufer des Schleifmühlgrabens in Uhyst/Spree. Hier hat ein Biber deutliche Nagespuren in einem gut 60 Zentimeter dicken Baumstamm hinterlassen. Eiche ist eine ziemlich harte Nuss für das Tier. Biber stehen eigentlich auf Erlen, Aspen, Weiden. "Und leider auch unsere Flatterulmen. Deswegen haben wir angefangen, sie einzuzäunen", erzählt Lorenz Richter. Er ist Ranger im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft und zuständig für das Nagetier.

Es ist ein milder Märzsonntag. 18 Grad. Blauer Himmel mit weißen Wölkchen. Im Eiscafé herrscht Hochbetrieb. Doch die etwa 20 Leute, die sich um Lorenz Richter scharen, verschieben das Naschen auf später. Sie folgen dem gelernten Forstwirt erst in den nahen Uhyster Schlosspark und dann an den Mühlgraben. Altes Laub raschelt unter den Füßen. Eicheln liegen überall auf dem Boden, den die Wildschweine ordentlich durchgewühlt haben. Der Biber hat die Wanderer heute ins Dorf am Bärwalder See gelockt. Lorenz Richter nimmt sie mit auf Spurensuche. "Sehen werden wir keine. Biber sind nachtaktiv", dämpft Ostsachsens jüngster Ranger die Erwartungen. Trotzdem hängen sich viele ihre Kameras mit langen Objektiven und Ferngläser um. Man kann ja nie wissen. Gut zehn Minuten sind es bis zur angenagten Eiche. Ein paar Meter weiter hat der Biber einen anderen Baum bereits gefällt. Der Stamm hat an der Nagestelle die typische Kegelform. "Ein Biber drückt 120 Kilogramm mit dem Gebiss", sagt der Ranger. Anders würde er die dicken Bäume auch nicht gefällt bekommen.

Jeden Winter werden die Reviere gezählt

2011 ist der Biber wieder eingewandert ins Gebiet des Biosphärenreservats, das grob zwischen Bautzen und Niesky liegt. Die Zahl der Biberreviere wächst hier stetig. Vor zwei Jahren waren es 13, jetzt sind es 15. Das weiß Lorenz Richter genau. Denn er kartiert die Lebensräume in jedem Winter von Dezember bis Februar. Dort, wo er Bilder aus Fotofallen hat, weiß er, dass fünf bis sieben Tiere jeweils zusammenleben. Eine typische Biberfamilie bestehe aus den Eltern, die lebenslang beisammenbleiben, aus den Jungtieren vom Vorjahr und dem gerade geborenen Nachwuchs.

Weiter geht es durch den lichten Wald. Lorenz Richter bleibt stehen und zeigt aufs Wasser. Was aussieht wie eine zufällige Ansammlung von Laub und Ästen, sind die Reste eines Biberdamms. Ihn legt der Nager an, um Wasser zu stauen. "Manchmal müssen wir Staudämme herabsetzen, wenn zum Beispiel Felder überflutet werden", erzählt der Ranger. Ganz frei von Konflikten ist das Zusammenleben zwischen Mensch und Biber nicht immer. Der zweitgrößte Nager der Welt fällt schon mal geliebte Obstbäume oder gräbt den Teichwirten ein Loch in ihren Damm. Dann sind die Fische weg. "Aber hier gelingt es uns ganz gut, Lösungen zu finden", so Richter.

Wölfe in der Königsbrücker Heide mögen Biberfleisch

Für ihn ist die Wiederausbreitung des Bibers, der seit dem späten 18. Jahrhundert in der Oberlausitz als ausgerottet galt, eine kleine Erfolgsgeschichte. Vor allem wegen seines Fells, des Fleisches und wegen eines nach Moschus riechenden Sekrets war das Tier gejagt worden - bis zum letzten Exemplar. In diesem Winter gab es in der östlichen Oberlausitz um die 80 Reviere, die meisten an der Neiße. Für den Westen der Region fehlen die genauen Daten noch. In der Königsbrücker Heide lebten zuletzt um die 40 Biberfamlien. Allerdings hat der Wolf diesen Leckerbissen entdeckt. Sieben bis neun Prozent der Wolfsnahrung dort besteht aus Biberfleisch. Das hat eine Untersuchung des Senckenbergmuseums für Naturkunde ergeben. Dort schätzen die Wissenschaftler, dass es insgesamt 120 bis 150 Biberreviere in der Oberlausitz gibt.

Lorenz Richter führt die Wanderer am Ufer entlang und sucht mit den Augen die Böschung ab. Manchmal könne man eingebrochene Biberbaue entdecken. Im Biosphärenreservat errichten die Säugetiere nämlich nicht die bekannten Burgen, sondern graben sich vom Wasser aus Gänge ins Ufer und legen Baue an. Die Uferlöcher, die heute zu sehen sind, kommen aber eher von entwurzelten Bäumen.

Kleine Spree ist "biberuntauglich"

Lorenz Richter erzählt seiner Wandergruppe, dass der Biber sich gut eingelebt habe. "Gefährdet ist er aber immer noch." Ihm fehle es vor allem an Lebensräumen. Oft reichen Äcker bis an die Fluss- und Bachufer heran. In der Lausitz wachsen zudem Kiefernwälder bis an den Gewässerrand. Felder und Kiefern aber bieten dem Nager kaum Nahrung. Und an begradigten ausgebauten Flussläufen könne er auch nicht heimisch werden. Die Kleine Spree zum Beispiel sei fast komplett "biberuntauglich". Von den 160 Millionen Biber, die es im 14. und 15. Jahrhundert weltweit gegeben haben soll, sei man noch sehr weit entfernt.

Sonnenlicht fällt durch die kahlen Bäume aufs Wasser. Es glitzert. Die Wanderer machen Fotos. Ohne Biber. Der schläft jetzt. Nein, kein Winterschlaf - den halten Biber nicht. "Wenn Sie ihn sehen wollen, müssen Sie in der Dämmerung wiederkommen. Dann haben Sie vielleicht Glück", sagt der Ranger, macht Schluss für heute und lädt ein zum Eisessen.

Quelle: MDR/nng

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSENMDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 19.03.2019 | 10:30 Uhr in den Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen