Schwierige ErmittlungsarbeitStadtkirche Großröhrsdorf nach Brand akut einsturzgefährdet
Die 1736 geweihte Stadtkirche von Großröhrsdorf im Landkreis Bautzen ist schwer beschädigt. In der Nacht zum Freitag hatten Anwohner einen Knall gehört und dann einen Brand bemerkt. Als die Feuerwehren anrückten, stand das Gotteshaus schon komplett in Flammen. Brandursachenermittler sind vor Ort, können die Kirche aber erst am Montag gemeinsam mit Statikern betreten.
Inhalt des Artikels:
- Gebiet rund um Kirche mehrere Tage gesperrt
- Zeugen hören in der Nacht einen Knall
- Kirchenglocke hängt noch im Glockenturm fest
- Landesbischof spricht von riesigem Verlust
- Landeskonservator: Brandfall dieser Größenordnung zuletzt im Jahr 2000
- Oberlandeskirchenrätin Kuhn spricht von verstörendem Ereignis
- Kirchgemeinde richtet Spendenkonto ein
Die bei einem Brand schwer beschädigte Stadtkirche Großröhrsdorf kann vorerst nicht betreten werden. Wie ein Polizeisprecher der Polizeidirektion Görlitz am Nachmittag mitteilte, sind Brandursachenermittler vor Ort und sichern Spuren. Das könne aber nur mit größter Vorsicht und von außen geschehen. Ein Betreten des Innern der Kirche von Ermittlern und Statikern ist erst am Montag vorgesehen. Es sei weiterhin Vorsicht geboten. "Es ist nicht auszuschließen, dass das Gebäude einstürzt", erklärte der Sprecher.
Gebiet rund um Kirche mehrere Tage gesperrt
Die Begutachtung des Gebäudes durch Feuerwehr und Statiker könne laut Polizei Tage dauern. Zunächst müsse alles gesichert werden. Dafür werden derzeit etwa Bauzäune rings um das Gebäude aufgestellt. Die Sperrung mehrerer Straßen werde wahrscheinlich mehrere Tage erhalten bleiben, so die Polizei.
Zeugen hören in der Nacht einen Knall
Das Feuer in der evangelischen Stadtkirche Großröhrsdorf war in der Nacht zum Freitag ausgebrochen. Wie ein Polizeisprecher mitteilte, hat eine Anwohnerin kurz nach 2 Uhr die Feuerwehr gerufen. Mehrere Zeugen hätten zuvor einen Knall gehört. Als die Feuerwehr eintraf, stand die Barockkirche bereits voll in Flammen. Das Feuer habe zunächst den Dachstuhl erfasst. Nach circa einer Stunde habe auch der Glockenturm gebrannt, so die Polizei am Freitagmorgen. Sowohl die Spitze des 50 Meter hohen Glockenturms als auch der Dachstuhl sind eingestürzt, das Gebäude bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Die Polizei ist weiterhin vor Ort und spricht mit Zeugen und Anwohnern.
Kirchenglocke hängt noch im Glockenturm fest
Um den Brand zu löschen, waren nach Angaben der Rettungsleitstelle Ostsachsen alle umliegenden Feuerwehren im Einsatz - insgesamt 108 Kameraden aus zehn umliegenden Wehren. Zahlreiche Feuerwehrleute bleiben auch zunächst vor Ort, um mögliche Glutnester zu löschen. Unklar war zunächst noch, ob und wie die Kirchenglocke gesichert werden kann. Sie hängt im ausgebrannten Turm fest. Aus den Nachbargebäuden konnte die Feuerwehr Wertgegenstände in Sicherheit bringen.
Als einer der ersten war Einsatzleiter Peter Ansorge vor Ort. Bei seinem Eintreffen stand die Kirche im Bereich des Altars bereits in Vollbrand. Im Gespräch mit MDR SACHSEN schilderte er die Lage folgendermaßen: "Ein bisschen Sorge bereitet uns der Kirchturm, in dem Kirchenglocke noch festhängt. Allerdings kommen die Kräfte nicht so richtig ran, um sie gesichert fallen zu lassen. Es werden Möglichkeiten eruiert, wie man die Kirchenglocke entweder kontrolliert abstürzen lassen oder doch mit schwerer Technik bergen kann."
Ein Innenangriff in der Kirche war nicht mehr möglich und nicht mehr zielführend. Wir mussten uns auf die Außenbrandbekämpfung und das Schützen der Umgebung konzentrieren.
Peter Ansorge | Einsatzleiter
Landesbischof spricht von riesigem Verlust
Am Freitagvormittag kam auch Landesbischof Tobias Bilz nach Großröhrsdorf, um sich ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung zu machen. "So eine Kirche ist für eine Gemeinde und die Stadt ein Gebäude, das Identität stiftet", sagte Bilz. "Der Verlust ist riesig. Für alle, die hier leben und natürlich auch für uns als Kirche." Die barocke Stadtkirche sei saniert und in einem "vorzüglichen Zustand" gewesen. Das Gotteshaus wurde zuletzt von 2012 bis 2018 saniert. Bilz sicherte seine Unterstützung zu, das Gebäude wieder aufbauen zu lassen. Es sei unvorstellbar, dass es solch ein Gebäude einfach nicht mehr geben soll.
Landeskonservator: Brandfall dieser Größenordnung zuletzt im Jahr 2000
Bei dem Brand wurde die Innenausstattung der barocken Kirche völlig zerstört. Altar, Kanzel und Emporen waren aus Holz. Zu den zahlreichen historischen Kunstschätzenzählte eine geschnitzte Madonna aus dem 15. Jahrhundert.
Landeskonservator Alf Furkert sagte auf Anfrage von MDR SACHSEN, ein genauer Schadensumfang soll bei einem Ortstermin Anfang kommender Woche beziffert werden. Auch er zeigte sich erschüttert: "Einen Brandfall dieser Größenordnung hat es bei einem Sakralbau in Sachsen lange nicht mehr gegeben, zuletzt im Jahr 2000 die Kirche in Rathendorf. Großröhrsdorf gehörte als stattlicher barocker Emporensaal zu den prägenden Dorfkirchen in Ostsachsen, von daher bedeutet die Zerstörung einen großen Verlust für die Denkmal- und Kulturlandschaft.
Neben dem Verlust von Hochaltar, Kanzel und Taufe seien auch die Zerstörung der bemalten Emporen, Logen und die lebensgroßen Bildnisse von Luther und Melanchthon zubeklagen.
Oberlandeskirchenrätin Kuhn spricht von verstörendem Ereignis
Die Dezernentin für Grundstücksbau und Friedhofswesen bei der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen, Oberlandeskirchenrätin Carmen Kuhn, sagte MDR SACHSEN: "Immer wenn eine Kirche brennt, ist es ein markerschütterndes, verstörendes Ereignis. All den Schaden zu sehen, der eingestürzte Turm, das Dach am Boden, überall Ruß und Trümmer, wo einst Leben war mit Taufen, Hochzeiten und Menschen, die sich trafen."
Die Feuerwehrleute hätten trotz ihres schnellen Einsatzes "die Kirche nicht retten, aber noch weiteren Schaden verhindern" können, ist sich Kuhn sicher.
Kirchgemeinde richtet Spendenkonto ein
Freitagmittag reagierte die evangelische Kirchgemeinde Großröhrsdorf-Kleinröhrsdorf auf ihrer Website auf den nächtlichen Brand. Die Gemeinde sprach von einer Stunde der Not; "Gott sei Dank" habe eine Ausbreitung des Feuers verhindert werden können. Die Gemeinde richtete ein Spendenkonto ein.
Der Landrat des Landkreises Bautzen, Udo Witschas (CDU), sagte, er werde alles dafür tun, damit die Kirche schnell wieder aufgebaut werden kann. Sie sei einer der wichtigsten identitätsstiftenden Anker in einer Stadt.
MDR (lam/kk/dköStudio Bautzen/MINA), dpa
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 04. August 2023 | 19:00 Uhr