Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Unterschiedliche Flaggen waren auf der Demo bei Bautzen zu sehen: Regenbogenfahnen ebenso wie sorbische oder deutsche Flaggen. Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

Protest"B96 begradigen": Demonstranten setzen bei Bautzen Zeichen für Vielfalt

04. Februar 2024, 18:27 Uhr

Die B96 in der Oberlausitz hat deutschlandweit Bekanntheit erlangt für die sonntäglichen Proteste gegen die Regierung, bei denen häufig auch Reichsflaggen und rechtsextreme Symbole und Losungen verwendet werden. Eine Gruppe von Bürgern aus dem Landkreis Bautzen will dem etwas entgegensetzen unter dem Motto "B96 begradigen". Mit dabei ist auch eine bekannte Schriftstellerin. Bei dem Protest am Sonntag kommt es zu einem Zwischenfall.

Etwa 50 Menschen stehen im Regen entlang der Bundesstraße und halten ihre Fahnen in den Wind. Sie haben Regenbogenfahnen oder EU-Flaggen dabei. Auch sorbische, ukrainische oder schwarz-rot-goldene Flaggen sind zu sehen.

Unter dem Motto "B96 begradigen" wollen die Demonstranten seit Juni den Protesten etwas entgegensetzen, für die die B96 Bekanntheit erlangt hat: Seit 2020 stehen sonntags in der Oberlausitz an der Bundesstraße regelmäßig Menschen mit schwarz-weiß-roten Reichsflaggen, Russlandfahnen oder Symbolen rechtsextremer Parteien und Organisationen.

Veranstalter: "Für Vielfalt, Offenheit und Demokratie im Landkreis Bautzen"

Die Demonstrierenden, die an diesem Sonntag zusammengekommen sind, wollen sich auf diese Weise einsetzen "für Vielfalt, Offenheit und Demokratie im Landkreis Bautzen", wie es auf der Webseite zu den Protesten heißt.

Christian Schäfer, der für die Grünen bei der Landtagswahl als Direktkandidat antritt, ist einer der Initiatoren. Er erklärt, er finde es "einfach total wichtig, ein Zeichen zu setzen". Unter den Flaggen, die man seit Mai 2020 sonntags an der B96 sehe, sei die Reichsflagge noch vergleichsweise harmlos. Er berichtet von rechtsextremen Losungen und Symbolen, die dort zu sehen gewesen seien.

Schäfer trägt auf der Demo eine Ukraine-Flagge "als Solidaritätsbekundung" wegen Russlands Angriffskrieg gegen das Land. Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

Schäfer trägt eine Ukraine-Flagge. "Eine Solidaritätsbekundung für die Ukraine", erklärt er, wegen des Angriffskrieg Russlands gegen das Land. "Wir müssen an der B96 immer wieder sehen, dass Russland und vor allen Dingen Putins Regime verherrlicht wird. Und dass man sich zwar für Freiheit ausspricht, sich gleichzeitig aber an ein diktatorisches System sehr nah heranziehen möchte."

Robert Lorenc gehört ebenfalls zu den Initiatoren. Er trägt zu dem Protest ein hellblaues Einhorn-Kostüm und schwenkt eine sorbische und eine schwarz-rot-goldene Flagge. "Mir ist es wichtig, die Fahne nicht dem rechten Rand zu überlassen", erklärt er. Im Juni haben er und andere Gleichgesinnte zum ersten Mal die Aktion organisiert.

Angefangen hat es mit einem Fernsehbericht über die B96

Angefangen habe es mit einem Fernsehbericht "über die B96 und das Publikum, das sich da so versammelt und die Botschaften, die da raus in die Welt geschickt werden." "Unschön" hätten er und viele andere Bürgerinnen und Bürger aus Bautzen und Umgebung das gefunden. Sie hätten den Wunsch gehabt, dem etwas entgegenzusetzen, hätten sich vernetzt und gemeinsam entschieden, sich auch an die B96 zu stellen.

Mitinitiator und Demo-Teilnehmer Lorenc (links im Bild) trägt eine deutsche und eine sorbische Flagge. Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

Mit 17 Personen seien sie im Juni gestartet, die Proteste, die alle fünf Wochen stattfinden würden, seien seitdem stetig gewachsen - schon bevor ganz Deutschland begonnen hatte, gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren, sagt Lorenc. Dass heute wieder mehr Leute erschienen seien, sei aber sicher auch im Zusammenhang mit den bundesweiten Demonstrationen zu sehen.

EU-Fahne wird geklaut

Auf einmal wird das Gespräch unterbrochen. Zwei Frauen rufen aufgeregt "Die haben die Fahne geklaut." Lorenc unterbricht das Gespräch mit den Worten "jetzt muss ich kurz mal schauen, ich bin ja hier auch Ordner", und geht zügig auf die andere Straßenseite.

Der Reporter vor Ort hat den Vorgang nicht beobachtet, hat aber etwa 20 Minuten zuvor an der Tankstelle ganz in der Nähe einige schwarzgekleidete junge Männer gesehen, die offenbar etwas gegen die Demo hatten. "Das ist lächerlich, dass solche Menschen hier ankommen und sagen, sie können hier alles", sagte ein schwarz gekleideter, vermummter junger Mann mit schwarz-weiß-roter Mütze. "Und wenn wir als normale Menschen hier ankommen, werden wir gleich von der Polizei angehalten und kontrolliert."

Lorenc und einige andere Demonstranten verfolgen die Personen zunächst in ein Gewerbegebiet, bekommen sie aber nicht mehr zu fassen. Schließlich informieren sie die Polizei.

Der mutmaßliche Geschädigte Dietrich Herrmann, der aus Dresden zu der Demo angereist ist, sagt: "Ich hatte eine Europa-Fahne dabei, die hatten wir befestigt. Und jetzt eben hat offenbar eine Reihe von jugendlichen Tätern die Fahne abgeschnitten und mitgenommen." Über die Motive vermutet er: "Die hat vielleicht die Europafahne gestört oder unsere bunte Aktion." Herrmann engagiert sich bei den Grünen politisch, betont aber, dass er an der Demo unabhängig davon privat teilnimmt. Andere Teilnehmer der Demo vermuten, dass es sich bei den Fahnendieben um Rechtsextreme handelt, die "ihr Revier markieren wollen".

Gute Stimmung trotz Zwischenfall

Am Ende der Veranstaltung kommen die Demonstranten zu einem Gruppenfoto zusammen. "Mit offenen Augen, mit offenen Ohren, mit offenem Herzen!" steht auf dem Banner. Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

Am Ende des Protestes ist die Stimmung aber gut, trotz des Zwischenfalls. Die rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer versammeln sich mit ihren bunten Flaggen für ein Gruppenfoto um ein Banner, auf dem auf Sorbisch und Deutsch steht: "Mit offenen Augen, mit offenen Ohren, mit offenem Herzen!"

Schriftstellerin Anne Rabe (rechts im Bild) zieht ein positives Fazit von der Demo. Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

Unter ihnen ist auch die Schriftstellerin Anne Rabe, die für den Protest extra aus ihrem Wohnort Berlin angereist ist. Auch schon bei vorherigen Protesten der Gruppe war die Autorin, die ursprünglich aus Wismar kommt, dabei. Sie wirkt zufrieden: "Wir waren so viele wie noch nie. Und das gibt natürlich auch wieder Rückenwind für die nächste Aktion". Sie werde "selbstverständlich" wieder dabei sein.

Mehr zum Thema

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 04. Februar 2024 | 08:30 Uhr