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Theater-Premiere in BautzenAls die Beatles in die Lausitz kamen

10. Februar 2024, 06:00 Uhr

Hercy – das waren sozusagen die Beatles der Lausitz. Die spannende Bandgeschichte aus DDR-Zeiten kommt am Samstagabend am Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen auf die Bühne. Als Uraufführung in Obersorbisch mit Simultanübersetzung ins Deutsche. Dramaturgin Madlenka Scholze erzählte MDR KULTUR auch von dem Projekt hinter der Aufführung, das Minderheiten-Theater aus ganz Europa zusammenbringt.

Eine besondere Uraufführung ist am Sonnabend am Deutsch-Sorbischen Volkstheater zu erleben.

Sorbische Band-Geschichte

"Auf der Rückseite des Mondes" heißt das Stück von Lubina Hajduk-Veljkovićowa. Sie erzählt darin, wie sich zu DDR-Zeiten vier junge Sorben in der Lausitz zusammenfanden, um mit ihrer Beat-Musik Ende der 1960er-Jahre berühmt zu werden. Auf die Bühne kommt die authentische Geschichte um die Band Hercy in obersorbischer Sprache mit Simultanübersetzung ins Deutsche.

"Auf der Rückseite des Mondes" heißt das Stück von Lubina Hajduk-Veljkovićowa, das jetzt in obersorbischer Sprache in Bautzen uraufgeführt wird. Bildrechte: Deutsch-Sorbisches Theater Bautzen

phōné-Netzwerk: Theater als Überlebensmittel

Wie Dramaturgin Madlenka Scholze im Gespräch mit MDR KULTUR erklärt, ist die Produktion ein erstes Ergebnis eines Netzwerktreffens von acht europäischen Minderheiten-Theatern, das unter dem Motto "phōné – Giving minority languages a voice" 2022 im norwegischen Tromsø begann und im Sommer 2023 mit einer Konferenz in Bautzen fortgesetzt wurde. Dazu seien Theaterschaffende aus der ganzen Welt, von Südtirol über Kanada und Hawaii bis Australien angereist, berichtet Scholze.

Minderheiten wie der Sorbischen mittels Theater eine Stimme zu geben und kulturelle Überlebensstrategien zu entwerfen, das sei das Ziel des Projekts. Bis 2025 entwickelten die acht teilnehmenden Bühnen nun eigene Stücke: "Wir sind die ersten, die jetzt Premiere feiern", freut sich Scholze. Gezeigt würden die Produktionen wechselseitig: "Sinn und Zweck des Austausches ist es zu zeigen: Wir sind viele Minderheiten in Europa. Wir machen sie im Theater hör- und sichtbar. Deswegen heißt das Motto ja auch, Minderheitensprachen eine Stimme geben."

Lausitz-Sound: Rote Gitarren, Beatles und Hercy

Bei der Uraufführung in Bautzen passiert dies nun auch stimmgewaltig. Denn erzählt wird von einer Welt in Aufruhr und von der Lausitzer Band Hercy, die sich damals nach Sputnik-Schock, Mauerbau und Niederschlagung des Prager Frühlings zwar "Auf der Rückseite des Mondes", sprich in der Provinz, aber dennoch im Spannungsfeld zwischen Ost und West bewegt. "Das ist eine ganz außerordentliche Geschichte, denn zu der Zeit gab es nicht wie heute bei den Sorben alle möglichen Musikstile auf der Bühne", erläutert Scholze. "Sie haben sich orientiert an den Roten Gitarren aus Polen wie an den Rolling Stones und den Beatles, haben dabei auch ganz eigene Musik gemacht – und sie sind in der DDR an Grenzen gestoßen."

Revival für die sorbische Band Hercy, das einstige Band-Mitglied Tomasz Nawka tritt im Video auf, spielt aber nicht sich selbst, sondern einen DDR-Rundfunkmitarbeiter. Bildrechte: Deutsch-Sorbisches Theater Bautzen

"Auf der Rückseite des Mondes": Weltgeschichte aus sorbischer Perspektive

So erzählt das Deutsch-Sorbische Volkstheater ein Stück Weltgeschichte aus der Lausitzer Perspektive. Das Stück zu erarbeiten, habe einige Jahre gedauert, betont Scholze. Keine leichte Aufgabe, wie sie findet, denn es gehe darin ja um Menschen, die heute noch leben.

Aus Musik und persönlichen Erinnerungen der Hercy-Band schöpfte Lubina Hajduk-Veljkovićowa also für ihr Stück, das im Auftrag der Stiftung für das sorbische Volk entstand.

Quelle: MDR KULTUR (Ellen Schweda), Redaktionelle Bearbeitung: ks

Stichwort: phōné – Giving minority languages a voice

An dem Projekt beteiligen sich neben dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen sieben weitere Theater (Tryater Friesen aus den Niederlanden, Teatr Piba aus der Bretagne, jüdisches Teatrul Evreiesc de Staat aus Rumänien, galicische AGADIC aus Spanien, Stadttheater Bruneck Ladiner aus Südtirol, Fibin Theoranta aus Irland und quenische Altäniteatter aus Norwegen)

Die Universität Leipzig und die Hochschule Groningen (NL) begleiten das Projekt.

Bis 2025 sollten unter dem Motto "Tradition im Modernen" außerdem kreative Formate entstehen, die von einzelnen Minderheiten erzählen. Am Ende sollen im internationalen Austausch acht zeitgenössische Theaterstücke entstehen sowie acht Bürgerbühnen-Produktionen.

"Auf der anderen Seite des Mondes" ist der sorbische Beitrag zum Projekt. Ende März werden Vertreter und einige Spieler des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters zum internationalen Austausch nach Bruneck in Südtirol fahren. Im September kommen Vertreter des irischen und galicischen Theaters nach Bautzen.

Angaben zum Stück: "Auf der Rückseite des Mondes"Deutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen
Seminarstraße 12
02625 Bautzen

Regie: Lutz Hillmann
Ausstattung: Miroslaw Nowotny
Musik: Tasso Schille
Video: Miroslaw Nowotny
Dramaturgie: Madlenka Scholze
Simultanübersetzung: Bernadett Schneider
Premiere: 10. Februar 2024, großes Haus

Weitere Termine:
25. Februar, 16 Uhr
2. März, 19:30 Uhr
13. März, 10 Uhr
24. März, 16 Uhr
6. April, 19:30 Uhr

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 10. Februar 2024 | 08:40 Uhr