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Der Musiker Jürgen Karthe aus dem Landkreis Meißen beherrscht virtuos das Instrument Bandoneon. Einst im Erzgebirge erfunden, eroberte diese Harmonika die argentinische Tangowelt. Bildrechte: MDR SACHSEN

Kulturhauptstadt 2025Die Seele des Tango Argentino kommt aus Chemnitz

06. Mai 2024, 18:47 Uhr

Was haben Tango Argentino und Chemnitz gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Aber blickt man in die Historie, dann verbindet die sächsische Großstadt und den südamerikanischen Tanz einiges. Ohne die Chemnitzer Erfindung der Konzertina, sozusagen der Vorläuferin des Instrumentes Bandoneons, hätte der Tango Argentino eine ganz andere Klangfarbe. Einen typischen Tangoabend zu den Klängen von Klavier und Bandoneon konnten die Chemnitzer jetzt erleben.

Voller Konzentration zieht oder drückt Jürgen Karthe an seinem Bandoneon. Das Instrument, ein Reimport von 1927, sitzt auf seinem rechten Bein. Den Klang seines Instrumentes beschreibt der Musiker als sonor und melancholisch. Für den Tango scheint das Instrument der ideale Begleiter zu sein, gibt ihm Tiefe und Schwermut. Was nur wenigen bekannt ist, die Geschichte des Bandoneons beginnt in Chemnitz.

Klavier des kleinen Mannes vor 190 Jahren erfunden

Vor genau 190 Jahren erfand der Strumpfwirker Carl-Friedrich Uhlig die Konzertina, sozusagen den Vorläufer des Bandoneons, die auch als Klavier des kleinen Mannes bezeichnet wurde. "Die Konzertina hatte ursprünglich nur fünf Knöpfe auf jeder Seite, aber was kann man schon großartig damit spielen. Es reichte für die Feierabendmusik", so der Bandoneonspieler. Doch die Menschen hätten mehr spielen wollen, andere Literaturr. "Und so wurde immer noch ein Ton hinzu gepackt, bis am Ende knapp sechs Oktaven herauskamen".

Der Musiker Jürgen Karthe spielte zur Museumsnacht in Chemnitz auf seinem Bandoneon mit seinem Duo-Partner Fabian Klentzke am Keyboard im Fahrzeugmuseum zum argentinischen Tangotanz auf. Bildrechte: MDR/Monika Di Carlo

Durch Weltwirtschaftskrise nach Argentinien

Das war Mitte des 19. Jahrhunderts. Danach entwickelte sich Sachsen zum Zentrum der Bandoneon-Produktion. In Carlsfeld im Erzgebirge wurden die Instrumente gefertigt, gelangten von hier aus in die ganze Welt. Während der Weltwirtschaftskrise Anfang des 20. Jahrhunderts zog es rund fünf Millionen Europäer nach Argentinien, darunter auch viele Deutsche. Im Gepäck hatten sie ihr Bandoneon, das in Buenos Aires seinen großen Auftritt bekam.

In Carlsfeld wurden im 19. Jahrhundert die Bandeons aus der Instrumentengruppe der Harmonikas gefertigt und eroberten von dort aus die Welt. (Archivbild) Bildrechte: imago images/Hanke

"Das Bandoneon stieß dort auf eine fertige Musikkultur, nämlich auf den Tango. Man kannte das Instrument nicht. Aber man spürte in dieser Musik, in diesem Ton von dem Bandoneon die Melancholie." Und diese Melancholie habe der Tango aufgesogen, erklärt Jürgen Karthe, der schon viele Male in Argentinien war.

Die Argentinier sagen immer, wir haben auf das Bandoneon gewartet.

Jürgen Karthe | Bandoneonspieler aus dem Landkreis Meißen

2025 präsentiert sich Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas. Auch das Bandoneon soll im Rampenlicht stehen. Rund 50 Tanzveranstaltungen sind geplant, Tango-Vereine aus der ganzen Welt sind nach Chemnitz eingeladen, um an reizvollen Orten zum Tanz aufzuspielen. Geplant seien aber auch Bandoneonkonzerte, verrät Franz Wagner-Streuber von der sächsischen Mozart-Gesellschaft. "Ein ausgezeichneter Bandoneonspieler aus Norwegen wird im Mai als Solist beim Sinfoniekonzert auftreten, auch ein Kammerkonzert in der Villa Esche ist geplant." Zudem soll es Anfang Juli 2025 zur Sommerphilharmonie auf dem Theaterplatz ein reines Tangoprogramm geben, so der Musiker.

Musikalische Zukunft in Chemnitz

Das Bandoneon wieder in den Mittelpunkt zu stellen, das ist das große Ziel von Jürgen Karthe. Deutschlandweit gebe es circa zehn Bandoneonspieler, die von ihrer Musik leben könnten. Jürgen Karthe zählt dazu. Seit 30 Jahren spielt er das Instrument, "aber man braucht wenigstens 20 Jahre, um das Instrument halbwegs beherrschen zu können". Bandoneon spielen sei sehr kompliziert, dennoch will Karthe sein Wissen weitergeben. Aktuell unterrichtet er an der Chemnitzer Musikschule zehn Schüler. Sein Wunsch: dass das Bandoneon in Chemnitz nicht nur eine Vergangenheit hat, sondern auch eine Zukunft.

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MDR (wim)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | MDR SACHSENSPIEGEL | 05. Mai 2024 | 19:00 Uhr