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Viele Menschen interessieren sich für Bio-Lebensmittel und tragen die Kosten für deren Anbau gemeinsam. Hippe Idee für Großstädter. Doch wie funktioniert das auf dem Land, beispielsweise im Vogtland? Bildrechte: imago/Jakob Hoff

EngagementSolidarische Landwirtschaft im Vogtland: Vorhaben mit Hindernissen

22. August 2022, 06:40 Uhr

Nachhaltig und regional angebaute Lebensmittel stehen auf dem gesellschaftlich erwünschten Einkaufszettel. Doch die bäuerliche Landwirtschaft birgt auch Risiken. Unsicherheiten und Ernteerträge gemeinsam zu teilen - hier setzt das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft an. MDR SACHSEN hat sich drei Beispiele im Vogtland angesehen.

Um diese Jahreszeit sollten prall gefüllte Erntekörbe an Gemüseabonnenten im Vogtland verteilt werden. Doch die schwungvoll im Coronaherbst 2020 gestartete Initiative "SoLaWi Vogtland" steckt in Schwierigkeiten. Nicht, weil die aktuelle Trockenheit den Ernteertrag ruiniert hätte - denn auch darum geht es bei dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) - sondern aus einem profanen Grund, der viele Branchen belastet. Nach zwei engagierten Vorbereitungsjahren stellte der bisherige Vorsitzende Michael-Theodor Behrens aus Falkenstein nun doch die Gründung der Initiative ein: "Mir fehlen einfach die Leute, die das mit aufbauen", sagt er MDR SACHSEN.

Selbstversorgerprojekt: Preissteigerungen erschweren Start

Dass der Aufbau im Vogtland nicht so einfach ist, weiß auch die solawi-erfahrene Carina Bronnbauer: "Im Umfeld von Großstädten ist das alles hip und die Leute gärtnern am Wochenende mit. Aber hier auf dem Land ist der Begriff 'Solawi' einfach noch nicht so etabliert." Viele Menschen hätten zudem ihren eigenen Obst- und Gemüsegarten. Hinzu kommen gesellschaftliche Herausforderungen: "Bei den aktuellen Preissteigerungen versucht man sicherlich noch weiter zu sparen. Ich bin mir unsicher, ob die Vogtländer nicht lieber günstig im Supermarkt einkaufen gehen, als sich für eine Gemüsekiste bei einer Solawi anzumelden", befürchtet Bronnbauer.

Solawi: Was ist das überhaupt?- Laut dem gleichnamigen Netzwerk "tragen mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten.
- Die Landwirtschaft wird finanziert, nicht das einzelne Lebensmittel.
- Die Landwirtschaft wird als gesellschaftliche Verantwortung gesehen und somit auch das Risiko von möglichen Ernteausfällen gemeinschaftlich geschultert.

Von Weiden nach Eichigt

Carina Bronnbauer ist Prozessingenieurin, stammt aus der Nähe von Frankfurt/Main und hat schon im Großraum Weiden in der Oberpfalz eine Solawi unter auf dem Hof ihres damaligen Partners aufgebaut. Als sich die privaten Lebensumstände veränderten, verschlug es sie mit ihrer Patchwork-Familie auf der Suche nach einem Haus mit großem Grund nach Eichigt ins Vogtland.

Viel Arbeit, wenig Gehalt

Mit der Haussanierung, einem Kleinkind und als berufstätige Eltern bleibt der Familie jedoch im Moment zu wenig Zeit für einen großen Betrieb: "Eine Solawi ist ein toller Gedanke, aber wenn man die Aufgaben dahinter kennt, muss man sich auch im Klaren sein, dass es viel Arbeit ist mit niedrigem Gehalt", weiß die Hobbygärtnerin. Aber: "Nebenbei im kleinen Stil macht es mir super viel Spaß." So startete Carina Bronnbauer zunächst das Selbstversorgerprojekt für die fünfköpfige Familie.

Eine Solawi ist ein toller Gedanke, aber wenn man die Aufgaben dahinter kennt, muss man sich auch im Klaren sein, dass es viel Arbeit ist mit niedrigem Gehalt.

Carina Bronnbauer | Hobbygärtnerin, die ein Selbstversorgerprojekt organisiert

Selbstversorgerprojekt mit Kühlschrank-Laden

Überschüssiges Gemüse, Beerenobst, aber auch Eier bieten die Bronnbauers schon jetzt im Kühlschrank-Laden vor dem Haus für die Dorfgemeinschaft an. Künftig seien eine Streuobstwiese geplant und Schafe sollen angeschafft werden. Fünf Enten sollen ebenfalls auf dem Hof einziehen. "So verbessern wir uns jedes Jahr. Und so mag ich auch, dass es sich steigert." Im besten Fall könnte in diesem Stil mit der Zeit auch eine Solidarische Landwirtschaft wachsen.

Mitmachgarten: Vogtland kann auch Solawi

Wie eine Solawi im ländlichen Raum funktionieren kann, zeigt der Mitmachgarten Regiola in Berga im Vogtland. Maik Schlichtenberg betreibt sie seit dem Jahr 2018 auf dem Grundstück einer ehemaligen Baumschule. "Ein Berater des Netzwerkes empfahl uns mit 100 Interessenten zu starten", erzählt er von seinen Anfängen. Diese Zahl sei jedoch utopisch für die ländliche Region. "Wir wollten nicht mehr länger warten. So begannen wir den Mitmachgarten im ersten Jahr mit fünf Familien."

Wir wollten nicht mehr länger warten.

Maik Schlichtenberg | Gründer des des Mitmachgartens Regiola in Berga

Heute sind es etwa 40 Familien, die in Berga einen festen Monatsbeitrag zahlen und im Gegenzug regelmäßig ihre Gemüsekiste bekommen. Die können sie im Garten selbst oder an Stationen in Gera und Greiz abholen. So erschließe man sich nach und nach einen größeren Abonnentenkreis, erklärt Schlichtenberg.

Betrieb in Berga trägt sich noch nicht allein

Allerdings trägt sich dieser Solawi-Betrieb aktuell finanziell noch nicht. "Wir versuchen uns stetig an die Produktionskosten heranzutasten", so Maik Schlichtenberg. Die meisten derartigen-Betriebe würden als Genossenschaften geführt, die sich aber erst mit mehr Mitgliedern tragen würden. Schlichtenberg gründete die "Grünholz Berga", um den Abverkauf der übrig gebliebenen Gewächse der Baumschule ordnungsgemäß abwickeln zu können. Inzwischen läuft jedoch unter dem Dach der Firma sehr viel mehr.

Kreative Querfinanzierung

Einen kleinen Teil der Fläche verpachtet Schlichtenberg, bietet Bewegungskurse an. Der Sportraum werde auch an externe Kursleiterinnen und -leiter vermietet. Zudem gibt es erste Kooperationen mit Schulklassen, beispielsweise der Elstertalschule in Greiz. Mit diesen Gewinnen kann Schlichtenberg zurzeit eine angestellte Gärtnerin für den Mitmachgarten bezahlen.

Freiwillige aus aller Welt willkommen

Und es gibt viele Ideen: "Wir wollen in den nächsten Jahren gerne einen Hofladen aufbauen und überlegen, eine Ferienwohnung auf dem Gelände einzurichten", sagt Schlichtenberg. Übernachten kann man aber jetzt schon bei Familie Schlichtenberg über das internationale WWOOF-Programm (WorldWide Opportunities on Organic Farms), bei dem Besucher aus und in der ganzen Welt gegen Kost und Unterkunft freiwillig auf Bio-Höfen mitarbeiten.

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MDR (glk,kk)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 21. August 2022 | 15:38 Uhr

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