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FachkräftemangelSchüler im Vogtland nehmen Suche nach Lehrern selbst in die Hand

19. Oktober 2022, 05:30 Uhr

Wenn die Lehrerstellen nicht besetzt werden können, kümmern wir uns selbst. Das dachte sich eine Gruppe Jugendlicher der Lessing-Oberschule Lengenfeld. Dort wird nämlich in Eigeninitiative um neue Lehrkräfte geworben - mit einer witzigen Plakatkampagne. Das zuständige Ministerium hält sich bedeckt und verweist auf eigene Programme.

  • Kampagne erhält positives Feedback im Ort und auch im Internet.
  • Die Minusstunden in der Schule häufen sich, eine Besserung der Lage eilt laut Schulleiterin.
  • Das Kultusministerium versucht ebenfalls, Fachkräfte in den ländlichen Raum zu locken.

Mathe, Englisch, Physik - das sind an Sachsens Schulen die größten Problemfächer. Aber nicht etwa, weil die Schüler darin besonders schlecht sind - nein: Hier fehlen die meisten Lehrkräfte. Auch die Lessing-Oberschule im vogtländischen Lengenfeld macht da keine Ausnahme. Weil auf offiziellen Wegen kaum Hilfe zu erwarten ist, hat die Schule jetzt kurzerhand ihre eigene Werbekampagne gestartet.

Ein Skelett steht mit dem Zeigestock vor einer Schultafel - "Schüler suchen Lehrer" -  ist in großen Buchstaben darauf zu lesen. Mehrere solcher Großplakate sind an der vielbefahrenen B94 in Lengenfeld zu finden. Die Idee dahinter erklärt Neuntklässler und Schülerrat Timo. "Der Plan war, ein Plakat zu erstellen. Kurz und knapp darstellen, was das Thema ist", sagt er. Das Skelett zeigt seiner Meinung nach, dass Lehrer fehlen. Um es aber eindeutig zu zeigen, dass es um MINT*-Fächer geht, haben er und sein Team dem Skelett auch noch einen Kittel angezogen, wie ihn Chemielehrer tragen.

* MINT = Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik

Denk schon, dass es wichtig war, dass es endlich mal nach draußen kommt - von den Eltern hatten wir viel Feedback, dass es eine coole Idee ist und sie haben sich gefreut, dass wir das selbst in die Hand nehmen.

Kim | Schülerin 10. Klasse

Lernende wollen mit angenehmer Umgebung locken

Schülerinnen und Schüler, Eltern und ein Unternehmen aus dem Ort, das die Kampagne als Sponsor finanziert, haben das Projekt auf den Weg gebracht - seitdem ist die Schule in Lengenfeld in aller Munde. Nicht nur im Ort, sondern auch virtuell in sozialen Netzwerken.

"Denk schon, dass es wichtig war, dass es endlich mal nach draußen kommt - von den Eltern hatten wir viel Feedback, dass es eine coole Idee ist und sie haben sich gefreut, dass wir das selbst in die Hand nehmen", sagt Kim aus der 10. Klasse.

Rund 400 Mädchen und Jungen besuchen die Oberschule - neue Lehrkräfte würden sich hier sofort wohlfühlen, ist sich Schülerrat Timo sicher. "Wir haben eine gemütliche ländliche Gegend, ein schönes Lehrerkollegium. Schüler, die immer bereit sind, Neues zu lernen. Wir haben viele Förderangebote, was wirklich großartig ist", sagt er.

Schulleiterin sieht dringenden Handlungsbedarf

Findet man nicht bald neue Lehrkräfte, könnten viele Angebote in naher Zukunft wegbrechen, sorgt sich Direktorin Anke Barth. "Aktuell habe ich etwa 50 Minusstunden - das heißt, ich steh noch ganz gut da - aber in den nächsten zwei, drei Jahren gehen wirklich viele in den Ruhestand und dann wird’s schon sehr kritisch", so die Schulleiterin.

"Die Situation der Unterrichtsversorgung ist angespannt. Leider konnten wir für das aktuelle Schuljahr nicht so viele Lehrkräfte einstellen wie gewünscht. Es fehlt dabei nicht an Geld oder Stellen, sondern an Köpfen", sagt Susann Meerheim vom Sächsischen Kultusministerium dazu. Man versuche schon länger, Anreize zu schaffen, um den Beruf attraktiver zu machen. Dazu gehört die Verbeamtung von Lehrkräften oder Gehaltszulagen für Referendarinnen und Referendare in Bedarfsregionen. Auch das Lehrerarbeitsvermögen solle aufgestockt werden.

Die Situation der Unterrichtsversorgung ist angespannt. Leider konnten wir für das aktuelle Schuljahr nicht so viele Lehrkräfte einstellen wie gewünscht. Es fehlt dabei nicht an Geld oder Stellen, sondern an Köpfen.

 Susann Meerheim | Referentin am Sächsischen Staatsministerium für Kultus

Das Kultusministerium äußert sich auf Nachfrage nicht zur Plakataktion der Lengenfelder Schule. Stattdessen verweist man auf landesweite Lehrer-Werbe-Programme. Diese würden auch den ländlichen Raum in den Fokus nehmen.

Schule sieht Landesprogramm skeptisch

Über die Wirksamkeit dieser Programme kann Anke Barth nur mit dem Kopf schütteln. "Man muss es realistisch sehen, es sind einfach keine Lehrer da - es werden noch Seiteneinsteiger eingestellt. Wir haben eine externe Mitarbeiterin, die ganz viel Mathematik absichert, es gibt Lehrer im Ruhestand die Hausaufgabenbetreuung anbieten. Über die Schiene kann noch bissel was abgefedert werden", sagt sie. Doch diese Notpflaster können keine festen Lehrkräfte ersetzen.

Auch wenn sich bis jetzt noch niemand auf die Plakataktion der Lessing-Oberschule in Lengenfeld gemeldet hat - die Schüler sind sich schon jetzt sicher, dass sie weiter die Werbetrommel rühren werden. Eine Flyeraktion an der Lehrerausbildungsstätte in Dresden ist schon in Planung.

MDR (sho)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport Sachsen | 18. Oktober 2022 | 16:30 Uhr

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