Kommunaler WohnungsbauWarum Dresden mehr als 1.200 Wohnungen von Vonovia kauft
Im März 2006 hatte Dresden alle städtischen Wohnungen für fast zwei Milliarden Euro an eine US-amerikanische Investmentgesellschaft verkauft. Nun möchte die städtische Wohnungsbaugesellschaft mehr als 1.200 Wohnungen und Grundstücke von dem Immobilienunternehmen Vonovia kaufen, um den kommunalen Wohnungsbestand wieder zu erhöhen. MDR AKTUELL-Hörerin Andrea Mrazek fragt sich, welche Beweggründe es für diesen Rückkauf gibt und ob der sich für die Stadt überhaupt rechnet.
- Durch den Wohnungsrückkauf allein entsteht noch kein neuer Wohnraum, sondern erst durch den Ankauf von Grundstücken, der auch Teil des Deals mit Vonovia ist.
- Als Dresden alle kommunalen Wohnungen verkauft hatte, war die Stadt hoch verschuldet und Bevölkerungsprognosen zufolge war nicht absehbar, dass die Wohnungen heute wieder gebraucht werden.
- Dadurch ist Dresden damals schuldenfrei geworden, was aber auch auch Nachteile hatte.
Dresden macht Nägel mit Köpfen. Letzte Woche hat der Stadtrat entschieden, 1.213 Wohnungen von der Vonovia zu kaufen – für gut 87 Millionen Euro. Damit verdoppelt die städtische Wohnungsbaugesellschaft Wohnen in Dresden (WiD) ihren Bestand.
Deal mit Vonovia besteht aus zwei Teilen
Stadtrat Peter Krüger von der CDU erklärt: "Das Paket besteht aus zwei Teilen. Zum einen aus dem Ankauf von Bestandswohnungen, die aber eben zum Teil auch saniert werden müssen." Dafür müssen noch einmal rund 100 Millionen Euro in die Hand genommen werden, schätzt die WiD.
Jedoch stellt Krüger klar, dass allein durch den Ankauf der Wohnungen noch kein neuer Wohnraum entsteht. Daher sei der der zweite Teil des Deals entscheidend: ein Flächenkauf. "In diesen Flächen kann die Stadt oder eben ihre Gesellschaft WiD dann auch selbst weitere Wohnflächen entwickeln. Also das ist das eigentliche Plus an zusätzlichem belegungsgebundenen Wohnraum, der reine Kauf der Bestandswohnungen ist es natürlich nicht."
Denn Dresden steht vor einer doppelten Herausforderung: Die Stadt benötigt einerseits Wohnungen, um Menschen mit geringem Einkommen oder Geflüchtete unterzubringen. Zwar hat die Stadt beim Verkauf der früheren kommunalen Immobiliengesellschaft WOBA 8.000 Belegungsrechte vereinbart, darf also Wohnraum der Vonovia nutzen. Diese Vereinbarung läuft noch bis mindestens 2036. Dennoch zahlt die Stadt auch dafür Miete. Und dieser Wohnraum reicht jetzt nicht aus, weshalb weiterer teuer angemietet werden muss.
Damaliger Verkauf des kommunalen Wohnungsbestands trotzdem sinnvoll
Für Linken-Stadtrat Tilo Kießling sind die 1.200 Wohnungen jetzt deshalb nur ein Anfang. Denn Dresden hat nicht nur zu wenig Sozialwohnungen. "Also Zielgröße sollten schon zehn- oder zwanzigtausend Wohnungen sein, die ein kommunales Wohnungsunternehmen hat, mehr wäre schön. Wir brauchen eigentlich so viele Wohnungen in kommunaler Hand, dass wir über die moderaten Mieten dieser kommunalen Wohnungen insgesamt zu einer Deckelung der Mieten in der Stadt beitragen."
Kiesling hatte damals mit 28 anderen Stadträten gegen die Verkaufsentscheidung gestimmt. Doch selbst in seiner damaligen PDS-Fraktion waren andere Mitglieder dafür. Mit CDU, FDP und Teilen der SPD kamen sie auf 40 Ja-Stimmen.
Franz-Josef Fischer, Teil der FDP-Fraktion und ältester Stadtrat, blickt heute anders auf den Verkauf als damals: "Die Beweggründe für den Verkauf waren vor 20 Jahren völlig andere Bedingungen." Man habe gerade die 1990er-Jahre überstanden gehabt und dann festgestellt, wie hoch die Schulden geworden seien. "Wir bekamen Angst vor den großen Summen."
Da waren die 982 Millionen Euro, die Dresden nach Abzug von Verbindlichkeiten unterm Strich für den Verkauf der 40.000 WOBA-Wohnungen erhalten hatte, willkommen. Dresden wurde dadurch 2006 die erste schuldenfreie Großstadt Deutschlands.
Hinzu kommt, dass Bevölkerungsprognosen zufolge damit zu rechnen war, dass die Stadt schrumpft. Die negativsten Prognosen gingen von nur noch 420.000 Einwohnern aus. Mittlerweile leben in der sächsischen Landeshauptstadt aber 570.000 Menschen.
Schuldenfreiheit hatte aber auch Nachteile
Doch laut Peter Lames von der SPD, der bis Mitte des Jahres noch Finanzbürgermeister von Dresden war, hat die Stadt durch den Verkauf keine großen Spielräume gehabt. Denn Schuldenfreiheit heiße nicht, dass man automatisch Geld habe, sondern nur, keine Zinsen zahlen zu müssen – auch in den letzten Niedrigzinsjahren. Stattdessen zahle man nun regelmäßig Geld an die Wohnungsunternehmen und könne auch nicht von den Wertsteigerungen der Immobilien profitieren.
Außerdem habe die Schuldenfreiheit der Stadt auch eher Steine in den Weg gelegt, so Lames: "Es ist immer mal wieder auch schwerer gewesen, Fördermittel für die Stadt abzurufen, weil man gesagt hat: 'Ihr habt doch so viel Geld'. Ich habe schon die Erfahrung gemacht, dass insbesondere im Wohnungsbau es die Stadt Leipzig mit ihrem funktionierenden und leistungsfähigen städtischen Wohnungsunternehmen leichter hatte, Fördermittel abzurufen, die vom Land bereitgestellt worden sind."
Die Befürworter des Verkaufs weisen allerdings darauf hin, dass viele Bauprojekte durchgeführt wurden, gerade weil die Stadt die erforderlichen Eigenmittel stellen konnte. So seien Schulen und Kindergärten renoviert worden, ebenso wie der Kulturpalast und das Kulturzentrum Kraftwerk Mitte.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 20. Dezember 2023 | 06:13 Uhr