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Die Polizei hat vier Tatverdächtige ermittelt, die den Europa-Politiker Matthias Ecke in Dresden tätlich angegriffen ahben sollen. Bildrechte: xcitePRESS/Bartsch

ErmittlungenAngriff auf SPD-Politiker Ecke: Polizei geht von rechtsextremem Motiv aus

06. Mai 2024, 23:37 Uhr

Nachdem am Freitag ein Abgeordneter der SPD sowie ein Wahlkampfhelfer der Grünen in Dresden angegriffen wurden, hat die Polizei vier Tatverdächtige im Visier und deren Wohnungen durchsucht. Auch das Motiv eines mutmaßlichen Täters wurde von der Polizei mittlerweile genannt. Unterdessen reißen die Solidaritätsbekundungen aus Politik, Kultur und Gesellschaft nicht ab.

Das Landeskriminalamt Sachsen (LKA) und Sachsen Innenminister Armin Schuster gehen bei einem der Tatverdächtigen des Angriffs auf den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke derzeit von einem rechtsextremen Motiv aus. Wie eine Sprecherin des LKA mitteilte, ordnet man den mutmaßlichen Täter der "Kategorie politisch-motiviert rechts" zu. Demnach fanden die Ermittler auf dem Handy eines 17-jährigen Tatverdächtigen Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung. Im MDR-Polittalk "Fakt ist! aus Dresden" sagte Schuster, mit "hoher Wahrscheinlichkeit" handele es sich um vier Täter. Es werde aber auch nach weiteren Mittätern gesucht.

Nach den tätlichen Angriffen auf den Europaabgeordneten der SPD und einen Wahlkampfhelfer der Grünen am vergangenen Freitag hat die Polizei zudem weitere Tatverdächtige ermittelt. Nachdem sich einer der mutmaßlichen Täter in der Nacht zum Sonntag bei der Polizei gemeldet hatte, konnten zunächst zwei weitere Beschuldigte ermittelt werden, teilte das LKA am Montag mit. Im Laufe des Sonntags sei das dann auch beim vierten Beschuldigten gelungen.

Vier Männer unter Tatverdacht

Bei den Tatverdächtigen handelt es sich nach LKA-Angaben um vier Männer im Alter zwischen 17 und 18 Jahren. Die Wohnungen der Männer seien durchsucht worden. Dabei habe man Beweismittel sichergestellt, die nun ausgewertet würden, so das LKA. Für die Ermittlungen hätten die Staatsanwaltschaft Dresden und das Landeskriminalamt Sachsen die "Task Force Gewaltdelikte (TFG)" gebildet, hieß es. Die vier jungen Männer sind auf freiem Fuß, weil laut Polizei keine Haftgründe vorliegen.

Ecke nach OP: Appell vom Krankenbett

Der angegriffene SPD-Politiker Ecke ist nach Angaben seiner Partei "wegen mehrerer Frakturen, die er bei diesem Angriff im Gesicht erlitten hat", speziell einem "Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatome im Gesicht" am Sonntag operiert worden und auf dem Weg der Genesung. "Er hat die Operation, so weit man das zum jetzigen Stand sagen kann, gut überstanden", sagte der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Der Genesungsprozess werde ein langer Weg sein.

Am Montagnachmittag meldete sich Ecke über Social Media mit einem aktuellen Foto. Er sei überwältigt von der Anteilnahme und Solidarität. Die OP sei gut verlaufen, jedoch brauche er noch einige Tage, um sich zu erholen, schrieb Ecke. Am Ende seiner Nachricht appellierte der SPD-Politiker: "Niemand in einer Demokratie sollte Angst haben müssen, Plakate zu hängen, am Infostand zu stehen oder seine Meinung zu sagen."

Mit diesem Foto meldete sich Matthias Ecke einen Tag nach der Operation aus dem KRankenhaus. Bildrechte: SPD Sachsen/Matthias Ecke

Angegriffener will weiterkämpfen

Ecke wolle sich nicht einschüchtern lassen. Er sei vielmehr "wild entschlossen, in diesen Wahlkampf zurückkehren zu können". Der Europapolitiker wolle noch härter kämpfen um demokratische Werte und eine hohe Wahlbeteiligung, sagte Parteichef Kühnert. Eckkes Wahlkampfleiterin Emely-Marie Schäfer äußerte sich bei "Fakt ist! aus Dresden" zurückhaltender zum Wahlkampfendspurt mit dem Europa-Abgeordneten: "Wir machen keine Aussage, wie es weitergehen wird."

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Angriff sorgt für Debatte über Gewalt

Der Angriff auf Ecke hat unterdessen deutschlandweit für Entsetzen gesorgt und eine Debatte über die Eskalation von Gewalt im Wahlkampf ausgelöst.

Ich bin überwältigt von eurer Anteilnahme und Solidarität. Das tut wirklich gut und gibt mir Kraft. 

Matthias Ecke | Europaabgeordneter der SPD

Infolgedessen hatten weit mehr als 100 Abgeordnete diverser Parlamente die sogenannte Striesener Erklärung unterschrieben, darunter die Vorsitzenden von SPD, Grünen und Linken sowie Abgeordnete der Union. Stand Montagabend (23:30 Uhr) hatte die Erklärung insgesamt mehr als 8.400 Unterschriften. Die Erklärung wendet sich gegen "die immer weiter eskalierende Gewalt gegen politisch engagierte Menschen im öffentlichen Raum".

Linken-Bundestagsabgeordneter bedroht

Am Montag sagte der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann (Linke), dass er erneut bedroht worden sei. Am Montagmorgen sei im Briefkasten seines Wahlkreisbüros Hundekot und ein mit Hakenkreuzen und Drohungen beschmierter Flyer gefunden worden. Das sei das zweite Mal innerhalb von vier Tagen. "Ich werte diese ekelerregende Tat als Angriff auf meine Kandidatur für die Stadtratswahl."

Seit Wochen müssen wir beobachten, wie aggressiv und verroht Täter gegenüber Demokratinnen und Demokraten vorgehen.

Sören Pellmann | Leipziger Abgeordneter für Die Linke im Bundestag

AfD gibt Schuld der SPD

Jörg Urban, der Vorsitzende des AfD-Landesverbandes Sachsen, der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem gilt, sagte MDR SACHSEN, dass "die SPD an der aufgeheizten Stimmung innerhalb der Gesellschaft mit Schuld" habe. Laut Urban erlebe die AfD selbst häufig Angriffe auf Wahlkampfstände. So sei am Sonnabend ein Wahlkampfstand umgeworfen worden.

"Es ist die allgemein aufgeheizte politische Stimmung, dass man versucht sich gegenseitig schlecht zu machen, ohne auf sachliche Inhalte einzugehen. Da sind Parteien wie die SPD auch mit dran schuld, weil die die sachliche Debatte sehr oft verlassen", sagte Urban.

SPD: "widerlichste Täter-Opfer-Umkehr" der AfD

Einen ähnlichen Vorwurf hatte der AfD-Vorsitzende zuvor bereits auf der Plattform X formuliert. Der medienpolitische Sprecher der SPD, Helge Lindh, entgegnete daraufhin, dass die AfD "widerlichste Täter-Opfer-Umkehr" betreibe. "Urban und Co. wissen genau, wie ihre Hetze zum Angriff auf Matthias Ecke beitrug", sagte Lindh.

Auch Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) kritisiert die AfD. Der "Sächsischen Zeitung" sagte Schuster: "Diese Verrohung, die vor allem am rechten Rand der Parteien entstanden ist – bei den Mitgliedern und Sympathisanten – hat ein erschreckendes Ausmaß angenommen." Attacken auf Wahlkampfhelfer müssen "maximal geahndet" werden, so Schuster weiter. Gleichzeitig verlangte er Mäßigung und warnte davor, sich jetzt gegenseitig hochzuschaukeln.

Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken (re.) will am Montag den verletzten Parteikollegen Ecke im Krankenhaus besuchen. Auf einer Demo am Sonntag protestierte auch Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) gegen Gewalt im Wahlkampf. Bildrechte: xcitePRESS/Bartsch

In der Dresdner Innenstadt und vor dem Brandenburger Tor in Berlin demonstrierten am Sonntag mehrere Tausend Menschen für Demokratie und gegen Gewalt.

Kretschmer fordert härtere Strafen für Gewalt

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte nach dem Angriff in Dresden eine konsequente Reaktion des Rechtsstaates. "Die Strafen für Gewaltdelikte sind zu schwach - Straftaten gegen Menschen und Sachen müssen härter bestraft werden", sagte Kretschmer am Sonntag in der ARD-Sendung "Caren Miosga". Zugleich warnte der Kretschmer vor den Folgen derartiger Attacken für Politik und Gesellschaft. "Wenn man nicht mehr für seine Meinung streiten kann, wenn man nicht mehr einen fairen Wahlkampf machen kann, was ist das dann? Dann ist das keine Demokratie mehr", so der Ministerpräsident.

Musikfestspielintendant für Verständigung

Auch der Dresdner Musikfestspielintendant Jan Vogler reagierte auf den Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke am Freitagabend. Kurz vor Beginn des Festivals am 9. Mai sagte Vogler, er vermisse eine respektvolle politische Auseinandersetzung.

Der Dresdner Musikfestspielintendant Jan Vogler fordert Respekt in der politischen Auseinandersetzung. (Archivbild) Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Es sei "verheerend, wie Kommunikation im Moment läuft", sagte der 60 Jahre alte Cellist am Montag. Das Thema Verständigung sei "aus der Mode gekommen". Mit Blick auf das bevorstehende Festival sagte er, man könne "mit Musik etwas bewegen." Jeder sei mit Musik zu erreichen. Er selbst versuche, "kleine Zeichen zu setzen, etwa ein Stück zu spielen, was die Leute zum Überlegen bringt", sagte er. Das seien zumindest kleine Schritte.

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MDR (ben, mad)/dpa/epd/AFP

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 06. Mai 2024 | 19:00 Uhr