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Frank Gröninger lebt seit vielen Jahren in Paris und arbeitet für das französische Außenministerium als Deutschlehrer. 2023 bekam er den Auftrag, Emmanuel Macron in Deutsch zu unterrichten und seine Rede beim Staatsbesuch zu trainieren, der 2023 verschoben und Ende Mai nun nachgeholt wurde. Bildrechte: Frank Gröninger

Üben für die Dresden-RedeInterview mit dem Deutschlehrer von Präsident Macron

29. Mai 2024, 16:16 Uhr

Für seinen Staatsbesuch in Deutschland hat Präsident Macron Deutsch geübt. Als er am Montag minutenlang in Dresden spricht, geht ein Raunen über den Neumarkt vor der Frauenkirche. Liest er jetzt ab oder redet er wirklich deutsch, fragen sich viele. Die Frage hat MDR SACHSEN an Macrons Lehrer Frank Gröninger in Paris weitergereicht. Der unterrichtet den Politiker seit dem Frühling 2023 - immer unter Zeitdruck und an den unmöglichsten Orten.

Frage: Sie unterrichten viele Minister, Diplomaten und nun Herrn Macron. Wie war die erste Stunde 2023 mit ihm?

Frank Gröninger: Für mich war es schon aufregend, als ich in den Élysée-Palast eingeladen wurde und ins Büro des Präsidenten kommen sollte. Das war sehr, sehr menschlich. Großes Lachen und freundlich. Für mich ist es eine besondere Aufgabe: Ich muss den Präsidenten ja mehrere Male unterbrechen und korrigieren - das macht man eigentlich weniger mit einem Präsidenten. Aber da es in meiner Sprache geschieht, ist es etwas anderes. Vielleicht liegt es auch an mir?

Was meinen Sie?

Ich behandle alle Schüler gleich, was vielleicht dem Präsidenten auch gefällt. Ich muss ja auch alle gleich korrigieren. Das klappt sehr gut. Die Rede wird ja mehrere Male bearbeitet, überarbeitet. Ich kümmere mich um den deutschen Teil, bringe meine deutschen Vorschläge ein, ganze Teile, auch Sätze. Er versteht alles auf Deutsch. Herr Macron ist nicht wie andere, die eine Rede halten und vorlesen. Er hält die Rede und weiß genau, was er sagt. Wir diskutieren, wie er was aussprechen kann, wie wir das trainieren.

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Welche Schwierigkeiten macht die deutsche Sprache Herrn Macron?

Er ist extrem schnell im Lernen, sehr auffassungsbereit und auffassungsfähig. Was für alle gilt, die eine Fremdsprache lernen ist, dass die Mundbewegungen nicht die gleichen sind. Die Kieferstellung ist nicht die gleiche. Wir machen Muskelbewegungen und Übungen zum Lockern. Eine Sprache zu lernen heißt auch immer, Selbstbewusstsein in dieser Sprache zu haben. Je besser man sich fühlt, desto besser spricht man auch.

Und wie hat sich der Präsident verbessert?

Bei ihm habe ich das Gefühl, dass er von Anfang an große Freude daran hatte Deutsch zu reden. Das merke ich immer daran, dass er es am besten machen will. Er fühlt sich wohl dabei. Es ist mehr eine Frage des Selbstbewusstseins und der Stellung zu einer Sprache. Da muss ich sagen: Chapeau! Wenn ich ihn zum Beispiel korrigiere, denke ich manchmal, naja, das war jetzt schon okay. Aber er sagt oft: 'Sagen Sie mir, ob etwas zu verbessern ist. Sie sagen es mir bitte! Ist das gut so? Wirklich?' Das ist für mich auch eine Freude, denn er will es nicht nur für sich gut machen, sondern auch für Frankreich und für unsere Beziehungen zwischen beiden Ländern. Eben auch als große Geste für die Leute. Er will die Nähe zu den Menschen zeigen.

Da drängt sich die Frage auf: Wie hoch ist Ihr Anteil an der Rede in Dresden gewesen?

Natürlich ist alles die Idee des Präsidenten. Sagen wir mal so: Im deutschen Teil habe ich mich schon ganz gut wiedererkannt (lacht).

Wie beurteilen Sie Ihren Schüler nach der Europa-Rede in Dresden?

Alles passiert immer unter Zeitdruck und völliger Ermüdung. Einen Stundenplan gibt es nicht. Wir haben auch selten eine Stunde Zeit. Ich war drei Tage mit dabei beim Staatsbesuch. Auf dem Hinweg nach Berlin am Sonntag bin ich in sein Büro gerufen worden - im Flugzeug. Wir haben dann da vor der Landung geübt, danach kurz vor der Frauenkirche in der Limousine, in der Frauenkirche. Ich muss da sein und in jeder freien Minute geht's los. Die Rede ist sehr gut rübergekommen. Ich war wirklich froh und zufrieden. Wir haben die Gefühle erreicht, die Leute haben reagiert.

Eine grundsätzliche Frage an Sie als Lehrer: Warum lohnt es sich, Fremdsprachen zu lernen?

Es lohnt sich immer, die Sprache des Nachbarn zu lernen. Wir denken oft, naja, mit Englisch können wir uns ganz gut unterhalten und durchschlagen. Aber je mehr wir die Sprache von unseren Nachbarn lernen, desto mehr verstehen wir sie auch. Eine Fremdsprache zu lernen, sagt uns auch viel über uns selbst. Ich habe so viel über mich, über Deutschland und meine Muttersprache gelernt, als ich Französisch lernte, das so nah ist, aber doch so fern.

Wir in Europa glauben oft, wir verstehen uns sowieso und strengen uns wenig an. Dabei müssen wir uns unbedingt kennenlernen. Es gibt noch so viel Arbeit. Wir haben sehr viele Klischees, die bestätigt werden oder die wir finden wollen. Wir müssen auf Entdeckungsreise gehen. Wir Deutsche und Franzosen sollten vielleicht anfangen. Denn es gibt viel zu entdecken in Europa.

Welche Klischees mussten Sie bei Herrn Macron ausräumen?

Ich war auf alles gefasst, aber dann wirklich überrascht. Bei ihm war eine große Offenheit und wirkliches Interesse da. Und das sage ich nicht, weil ich ihm bei der Rede geholfen habe. Ich verdiene dadurch auch kein Geld, wenn ich das hier sage (lacht).

  • Lesetipp: "Douce Frankreich - Die Abenteuer eines Deutschen in Paris" von Frank Gröning in Französisch geschrieben und auf Deutsch übersetzt.

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Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 27. Mai 2024 | 19:00 Uhr