HandwerkSchuhmacher in Torgau arbeitet gegen den Trend und die Wegwerfgesellschaft
Schuster - oder korrekt ausgedrückt Schuhmacher - haben es nicht leicht. Weil der Nachwuchs fehlt, droht ihr Beruf auszusterben. Der Schuhmacher Arno Carius in Torgau sieht als Hauptgrund für die Misere die Abschaffung der Meisterpflicht 2004. Aber auch die Wegwerfgesellschaft sei problematisch. Der Torgauer will jedoch nicht bei seinen Leisten bleiben, sondern bildet als Lehrmeister weiterhin aus und setzt sich für ein Nachhaltigkeitssiegel ein.
Im Geschäft des Schuhmachermeisters Arno Carius in Torgau herrscht reges Treiben. Ständig kommen am Vormittag neue Kunden hinein. "Sind denn die Einlagen für meinen Sohn schon fertig?", fragt eine junge Mutter. Eine andere Frau möchte wissen, ob ihre 200 Euro teuren Sneaker noch zu retten sind: "Ich habe sie in der Waschmaschine gewaschen. War das ein Fehler?"
Die Kundschaft kommt nicht nur aus Torgau, sondern nimmt auch längere Strecken auf sich. "Mein Einzugsbereich beträgt rund 60 Kilometer, weil es hier weit und breit kaum noch Schuhmacher gibt", sagt Carius, der Obermeister der Schuhmacherinnung Sachsen, Halle, Brandenburg und auch der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Schuhmacherhandwerks ist.
Immer weniger Schuhmacher-Azubis
Obwohl das Geschäft des 59-Jährigen floriert und seit 30 Jahren ein fester Anlaufpunkt für Kunden in der Region Torgau ist, geht es seiner Branche gar nicht gut. Immer weniger Jugendliche entscheiden sich für den Beruf. Waren es bundesweit vor zehn Jahren noch um die 100 Lehrlinge in dem Handwerk, pendelte der Wert nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks zwischen 2020 und 2022 um die 30. In Sachsen gab es laut den Handwerkskammern zuletzt nur noch einen Maßschuhmacher-Lehrling im Bezirk Dresden, aber keine in Leipzig und Chemnitz.
Wegfall der Meisterpflicht als Hauptgrund
Arno Carius muss nicht lange über die Gründe dafür nachdenken. "Im Jahr 2004 ist in bestimmten Handwerksberufen die Meisterpflicht weggefallen. Leider waren die Schuhmacher mit dabei." Viele hätten in der Folge keinen Meisterabschluss mehr gemacht. Ohne einen Meistertitel könne man jedoch keine neuen Gesellen ausbilden. "Das hatte zur Folge, dass in den vergangenen 20 Jahren kaum noch ausgebildet wurde und uns dadurch ein Großteil des Nachwuchses fehlt", bedauert Carius.
Er selbst hat sich diesem Trend bewusst widersetzt und die heute 23 Jahre alte Svenja Zenke ausgebildet. "Ich ticke da anders", sagt er und fügt an: "Wenn man einen Lehrling ausbildet, kostet das einen Betrieb etwa 40.000 Euro. Aber wenn jemand wirklich Interesse hatte, dann habe ich das immer wieder gemacht." In einigen Jahren sei es zudem denkbar, dass seine frühere Auszubildende Svenja einmal den Betrieb übernimmt.
Wegwerfen statt reparieren
Neben dem fehlenden Nachwuchs macht den Schuhmachern auch die Wegwerfgesellschaft zu schaffen. Nach dem Motto: Lieber neu kaufen statt zu reparieren. "Das große Problem ist, dass in den zurückliegenden 15 Jahren die Zahl der Schuhe zugenommen hat, die nicht mehr reparabel sind. Sollbruchstellen sind an der Tagesordnung", berichtet Carius. So sei bei synthetischen Sohlen ein Weichmacher drin, der nach ein paar Jahren rausgeht. "Und dann zerfällt der Boden zu Staub und man muss einen neuen Boden bauen", sagt der 59-Jährige.
Schuhmacher kämpfen für Veränderungen
Um etwas an der Situation zu ändern, hat er zusammen mit Fusio, dem Förderverein für die Schuhmacher, eine Kampagne gestartet, die auch vom Umweltbundesamt unterstützt wird. Darin verlangen die Schuhmacher unter anderem ein verbindliches Nachhaltigkeitssiegel. "Die Firmen könnten damit sagen, dass sie Schuhe produzieren, die reparabel sind und die aus Materialien bestehen, die nicht verseucht sind."
Staat soll Nachhaltigkeitssiegel vorschreiben
Carius und seine Kollegen hoffen beim Thema Nachhaltigkeitssiegel auf staatliche Hilfe. "Wenn die Industrie da nicht mitmacht, haben die Bürger keine Chance. Von daher wäre es wichtig, dass die Regierung die Industrie in diese Richtung lenkt." Andernfalls setze sich der Trend fort und bis zu 80 Prozent der Schuhe würden für die Mülltonne produziert, ärgert sich der Handwerksmeister.
Reparaturbonus für Schuhmacher in Frankreich
Dass es auch anders geht, beweist Frankreich seit diesem Jahr mit einem neuen Reparaturbonus. Wie die Tagesschau berichtet, können dadurch unter anderem Schuhmacher Rabatte zwischen 6 und 25 Euro pro Reparatur anbieten. Bezahlt wird der Bonus nicht vom Staat, sondern über den Fonds "Refashion". Hintergrund ist das Anti-Verschwendungsgesetz von 2020. Seitdem sind Hersteller nicht nur gezwungen, Abfälle zu entsorgen, sondern müssen auch dazu beizutragen, dass weniger Müll entsteht. 154 Millionen Euro sind mittlerweile in diesem Topf zusammengekommen.
Darauf angesprochen berichtet Carius, dass er sich über die Innung und die Handwerkskammer ebenfalls dafür stark gemacht hatte, den sächsischen Reparaturbonus für Elektrogeräte auch auf andere Bereiche auszudehnen - bisher ohne Erfolg. "Das Handwerk würde eine Ausweitung des Programms, beispielsweise auf Schuhe, begrüßen", heißt es auch aus der Handwerkskammer Dresden auf Anfrage von MDR SACHSEN.
Sachsen will Reparaturbonus nicht ausweiten
Aber ein Sprecher des sächsischen Umweltministeriums macht den Handwerkern wenig Hoffnung. "Wir haben uns unter Ressourcen- und Umweltaspekten dafür entschieden, Reparaturen von Elektro- und Elektronikgeräten zu unterstützen. Ein Grund ist, dass Elektronikgeräte wertvolle, seltene Materialien enthalten. Diese Ressourcen sollten schonend genutzt werden."
Zudem wolle man Fördermittel gezielt dort einsetzen, wo der größte umweltpolitische Nutzen erzielt werde. "Das ist bei Elektrogeräten der Fall." Problematisch sei bei Reparaturen, wie zum Beispiel im Schuhbereich, die Bagatellgrenze. Man möchte nicht, dass die Verwaltung der Fördergelder mehr koste, als die Reparatur selbst, erklärte der Sprecher.
Unterdessen kann Schuhmacher Arno Carius in seinem Laden auch der Frau mit den 200 Euro teuren Sneaker helfen, die in der Waschmaschine waren. "In solchen Fällen werden die abgelösten Teile des Schuhs neu verklebt", sagt Carius. Die Kundinnen und Kunden sind dankbar für diese Hilfe, denn ihnen sind die Schuhe lieb und teuer.