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05.05.2021Internationaler Hebammentag: Hebammen-Studienplätze in Leipzig heiß begehrt

25. August 2022, 13:31 Uhr

Kaum ein Tag stellt das Leben so sehr auf den Kopf wie die Geburt eines Kindes. Unverzichtbar ist dabei eine Hebamme, die mit Fachwissen und Einfühlungsvermögen dem Baby auf die Welt hilft und den Eltern zur Seite steht. Damit das gelingt, müssen Hebammen auf ein breites medizinisches Wissen zurückgreifen, das seit kurzer Zeit in an den Universitäten gelehrt wird. An der Uni Leipzig startete zum Sommersemester der erste Studiengang zur Hebammenkunde. Von knapp 300 Bewerbenden kamen 26 zum Zug.

von MDR SACHSEN

Lage des Kindes ertasten, Herztöne abhören, Bauchumfang messen - wer in der Schwangerschaft von einer Hebamme begleitet wurde, kennt das Procedere. Damit jeder Handgriff sitzt und auch die gesammelten Daten zur richtigen Diagnose führen, brauchen Hebammen ein enormes Fachwissen rund um Physiologie, Frauengesundheit und Säuglinge. Seit einigen Wochen wird genau diese Mischung an der Universität Leipzig gelehrt.

Simulationsmannequins mit dickem Babybauch

26 Studentinnen sind seit April in den Bachelorstudiengang Hebammenkunde an der Medizinischen Fakultät eingeschrieben. Unter ihnen sind auch Lea und Laura. Die beiden jungen Frauen sitzen aber nicht nur in Seminarräumen und Vorlesungen, um die Theorie zu lernen. In der Lernklinik Leipzig dürfen sie selbst Hand anlegen. Hier zeigt Dozentin Bianca Hünlich den jungen Frauen anhand eines Simulationsmannequins mit dickem Babybauch, wie sie von außen die Lage des Kindes ertasten können. "Das ist Teil des ersten Semesters im Modul 'Hebammenhandeln in der Schwangerschaft'", erklärt die Lehrkraft. "Anfangs sind die Studierenden noch etwas zurückhaltend und trauen sich nur vorsichtig den Bauch abzutasten."

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Geburten in Sachsen zurückgegangen. Trotzdem herrscht weiter ein Hebammenmangel - vorrangig in den Großstädten. Bildrechte: colourbox.com

Akademisierung der Ausbildung

Dass Lea und Laura nun an der Uni lernen, ist so von der Politik gewollt. Im Januar 2020 trat das neue Hebammengesetz in Kraft und die Ausbildung wurde akademisiert. Seitdem gilt grundsätzlich: Wer Hebamme werden will, muss ein Bachelorstudium absolvieren. Deutschland war damit das letzte Land in der Europäischen Union, das die Hebammenausbildung akademisiert hat. Die Hebammenverbände begrüßen die Veränderung. Stephanie Hahn-Schaffarczyk, Vorsitzende des Sächsischen Hebammenverbands, meint: "Ich kann das nur begrüßen, dass das eine akademische Ausbildung geworden ist. Alle die die Ausbildung genossen haben, wurden in einem ganz hochqualifizierten Maße ausgebildet. So sehr, dass andere Länder auf uns geschaut haben und uns um unsere gute Ausbildung beneidet haben." Mit der Akademisierung werde dem auch Rechnung getragen.

Keine Abwertung der bisherigen Ausbildung

Abtasten und die Position des Kindes bestimmen gehört zum Handwerkszeug von Hebammen und Geburtspflegern. Bildrechte: Colourbox.de

"Wir hatten im europäischen Vergleich schon immer eine sehr hochwertige Ausbildung", sagt auch Henrike Todorow nachdrücklich. Sie ist Fachbereichsleiterin Hebammen an der Medizinischen Fakultät der Uni Leipzig. Im Studium werde nun ein anderer Schwerpunkt gesetzt. Während in der Ausbildung vor allem die Geburt zentrales Thema war, seien nun auch Vorsorge und Wochenbett vermehrt im Fokus - zumindest in Leipzig. Hinzu komme das wissenschaftliche Arbeiten, sodass Studierende beispielsweise lernten, richtig zu recherchieren und Studien zu bewerten. Mit dem akademischen Abschluss könnten die Absolventinnen auch in der Forschung oder der Lehre bleiben. "Dadurch sind die Karrierechancen vielfältiger geworden." Und auch die Bewerbungschancen innerhalb der EU steigen mit dem Bachelor-Abschluss.

Interesse an Studienplätzen groß

Der Run auf die Studienplätze sei groß, nun gelte es, schnell genügend Plätze zur Verfügung zu stellen, meint die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes, Ulrike Geppert-Orthofer: "Uns ist bewusst, dass dies während der Corona-Pandemie eine große Herausforderung darstellt." Auch in Leipzig war das Interesse groß: Auf 26 Plätze kamen für den Start im Sommersemester 298 Bewerbungen, erklärt Henrike Todorow: "Das ist nicht ungewöhnlich, weil die Ausbildung immer sehr stark angefragt ist. Insofern ist das für uns keine neue Erkenntnis. Jetzt müssen wir schauen, wie die das Studium alle durchhalten."

Abwanderung wegen Überlastung - auch bei Hebammen

Denn wie in anderen Pflegebereichen ist die Fluktuation groß. Stephanie Hahn-Schaffarczyk vom Sächsischen Hebammenverband bestätigt, dass sich der Trend der Abwanderung auch bei den Hebammen finden lässt: "Aus dem freiberuflichen Sektor ist sie zum Glück nicht ganz so hoch. Aber die Abwanderung aus dem klinischen Sektor ist höher als in den letzten Jahren: Die Arbeitsbedingungen in den Kliniken wurden einfach wenig angepasst." Durch Klinikschließungen im Umfeld müssten Hebammen in den großen Krankenhäusern die Arbeit der geschlossenen Häuser schultern. Die Belastung in den Kliniken sei für die Kolleginnen sehr, sehr hoch. Das führe auch immer wieder dazu, dass Hebammen ihren Berufen aufgeben.

Hebammenmangel in den Großstädten

Das wiederum bekommen dann Schwangere und junge Eltern zu spüren. Vor allem in den Großstädten Sachsens gebe es einen deutlichen Mangel an Hebammen, erklärt Stephanie Hahn-Schaffarczyk. Manche werdende Mutter finde keine Hebamme zur Vor- oder Nachsorge. Während der Geburt sei außerdem eine Eins-zu-eins-Betreuung bei weitem nicht immer machbar - Hebammen müssten sich um mehrere Geburten gleichzeitig kümmern. Trotzdem sagt Stephanie Hahn-Schaffarczyk nach mehr als 20 Jahren Berufserfahrung: "Ich würde heute noch keinen anderen Beruf wählen. Sich auf diese Individualität der Frauen einzulassen, jedes Mal neu - egal ob in der Schwangerschaft oder unter der Geburt oder im Wochenbett. Wir begleiten eine fast immer schöne Änderung im Leben."

Sieben Semester für mehr Karrierechancen

Bevor es für die Studentinnen Lea und Laura an der Uni Leipzig soweit ist, auch alleine für eine Geburt verantwortlich zu sein, werden noch einige Semester ins Land ziehen. Bis dahin stehen im theoretischen Teil beispielsweise Anatomie, Gewebelehre aber auch biowissenschaftliche Grundlagen auf dem Lehrplan. Der berufspraktische Teil im Krankenhaus umfasst mindestens 2.200 Stunden. Für ihn schließen die Studierenden Ausbildungsverträge mit kooperierenden Krankenhäusern ab und erhalten eine Ausbildungsvergütung. Nach sieben Fachsemestern ist das duale Studium regulär beendet. Dann wird sich zeigen, wie viele ihrer Kommilitoninnen es in Forschung, Lehre und Kreißsaal zieht.

Quelle: MDR/kp/dpa