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Tagung in LeipzigWas Fotografien über die Herkunft von Raubkunst verraten

18. April 2024, 05:00 Uhr

Wenn von Provenienzforschung die Rede ist, geht es meist um koloniale Raubkunst und die Frage nach deren Rückgabe. Dabei wird insgesamt die Herkunft und Geschichte von Kulturgütern untersucht – auch wenn es um Enteignung von Kunst im Nationalsozialismus oder in der DDR geht. Fotografien können dabei in der Forschung wichtige Indizien sein oder den Startpunkt einer Forschung markieren. Aktuelle Erkenntnisse und Forschungsfragen wurden bei der Jahrestagung des Zentrums Kulturgutverluste in Leipzig diskutiert.

Das bekannteste Beispiel für Provenienzforschung sind die Benin-Bronzen. Die öffentliche Debatte darüber hat in den vergangenen Jahren der Erforschung der Herkunft von geraubten Kulturgütern viel Aufmerksamkeit verschafft. In Deutschland haben Museen, Bibliotheken und Archive viel mit Provenienzforschung zu tun – immer dann, wenn unklar ist, woher ein Sammlungsgegenstand kommt und ob er unter unlauteren Umständen zu den derzeitigen Besitzern gelangt ist.

Fotografien als Quelle in der Provenienzforschung

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste vernetzt Provenienzforschende und bringt sie zusammen – zum Beispiel auf seiner Jahrestagung, die diese Woche in Leipzig stattfand. Die Tagung hob in diesem Jahr die Bedeutung von Fotografien hervor. Geraubte Fotos sind dabei nur ein Nebenaspekt. Besonders als Quelle sind Fotos von Bedeutung in der Forschung, auch wenn sie allein als eindeutiger Hinweis auf den rechtmäßigen Eigentümer meist nicht ausreichen.

Gerade die Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den 1930er Jahren seien eine schwierige Quelle, zumal es häufig um die Zuordnung von farbigen Gemälden geht, sagt Gilbert Lupfer vom Zentrum Kulturgutverluste bei MDR KULTUR. "Ein Foto wird immer mit anderen schriftlichen Quellen, mit Urkunden, Kaufverträgen oder Einträgen in einem Inventarbuch zusammengesehen werden müssen." Aber es könne unter Umständen das letzte entscheidende Glied sein, um etwas über die Herkunft eines Gegenstandes zu erfahren.

Gilbert Lupfer ist Vorsitzender des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Ronald Bonß

Ein Foto wird immer mit anderen schriftlichen Quellen zusammengesehen werden müssen. Aber es kann unter Umständen das letzte entscheidende Glied sein.

Gilbert Lupfer, Deutsches Zentrum für Kulturgutverluste

So können Fotos den finalen Eigentumsnachweis liefern. Etwa durch eine Aufnahme im Familienalbum, in dem im Hintergrund das gesuchte Gemälde hängt. Manchmal stellen Fotografien aber auch den Start einer Forschung dar. Etwa, wenn ein Bild irritiert und mit der bisherigen Erzählung über den vermeintlich rechtmäßigen Eigentümer bricht – oder wenn sich auf einer neu gefundenen Aufnahme Hinweise auf einen Ort ergeben.  

Leipziger Museen mit wichtigem Fotobestand

Auch die Leipziger Museen leisten einen Beitrag zur Provenienzforschung in Deutschland. Das Zentrum für Kulturgutverluste hebt besonders den großen Fotobestand des Stadtgeschichtlichen Museums hervor, das im vergangenen Jahr mit den lange verloren geglaubten Bildern des jüdischen Fotografen Abram Mittelmann in einer Ausstellung zeigte, was Provenienzforschung auch stadthistorisch bedeuten kann.

Das Grassi Museum für Völkerkunde zu Leipzig hat dagegen viele ethnologische Fotos in seinem Besitz, sagt Lupfer. "Das sind zum Teil auch problematische Fotografien." Oft findet sich darauf die koloniale Gewalt wieder, sowohl im Gezeigten als auch in der Darstellungsform. Auch mit der die Frage nach dem richtigen Umgang mit sensiblen Inhalten befasst sich die Forschung – um Geschädigte nicht wiederholt respektlos zu behandeln, auch wenn es der Wissenschaft dienen soll.

Außerdem sind laut Lupfer die ostdeutschen Museen von tragender Bedeutung, wenn es um die Provenienzforschung zum Entzug von Kulturgütern in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR geht. Auch hier lieferten Bildaufnahmen immer wieder Hinweise, die zu den Eigentümern führen. "Zum Beispiel private Fotos, die in den Räumen von Sammlern oder privaten Kunsthändlern aufgenommen wurden", so Lupfer.

Nadia Vergne (mitte) hat als Enkelin des jüdischen Leipziger Fotografen Abram Mittelmann mittlerweile dessen Fotosammlung erhalten. Bildrechte: picture alliance/dpa | Inga Jahn

Ob Raubkunst aus der DDR, im Nationalsozialismus oder der Kolonialzeit: Die deutsche Provenienzforschung nimmt verschiedene historische und politische Epochen in den Blick. Auf der Jahrestagung mit dem Schwerpunkt Fotografie wurden in Vorträgen neue Erkenntnisse ausgetauscht und ethische wie praktische Fragen diskutiert.

Jahrestagung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste 2024

Thema: "Provenienzforschung und Fotografie"

Zeit: 18. April 2024 – 19. April 2024

Ort: Vortragssaal der Bibliotheca Albertina der Universitätsbibliothek Leipzig, Beethovenstr. 6, 04107 Leipzig

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 17. April 2024 | 12:10 Uhr