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Seit 180 Tagen streikt ein Teil der Beschäftigten der SRW metalfloat. Nun wollten die Angestellten, ihren Arbeitskampf unterbrechen. Der Arbeitgeber reagierte mit einer Aussperrung. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Nach StreikunterbrechungRecyclingfirma in Espenhain erteilt Hausverbot an Streikende

06. Mai 2024, 12:40 Uhr

Vergangenen Freitag kündigte die IG Metall an, ihren Dauerstreik bei einer Recyclingfirma in Espenhain zu unterbrechen. Das Unternehmen reagierte wiederum mit der Androhung, die Mitarbeitenden auszusperren, da sich so kurzfristig der Schichtbetrieb nicht angepasst werden könne. Am Montagfrüh standen die Beschäftigten der SRW metalfloat vor verschlossenen Toren. Es ist die nächste Eskalation in einem der längsten Arbeitskämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik.

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Das Recyclingunternehmen SRW metalfloat aus Espenhain hat am Montagmorgen 90 Beschäftigte ausgesperrt und des Geländes verwiesen. Wie die IG Metall mitteilte, hatte die Firma vorgesorgt.

"Wir haben zum einen versucht, aufs Werksgelände zu kommen. Das ist uns nicht gelungen, weil der Arbeitgeber die Schlüsseltransponder abgeschaltet und Security vor dem Werkstor positioniert hat", sagte Michael Hecker, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. Der Gewerkschafter sprach von einem "Skandal und einer gewollten Eskalation". Hecker: "Der Arbeitgeber hat kein Interesse an einer friedlichen Lösung."

Aussperrung erfolgte, nachdem Streik unterbrochen werden sollte

Hintergrund der Aussperrung ist ein Dauerstreik bei der SRW. 180 Tage streikte ein Teil der Mitarbeitenden für acht Prozent mehr Lohn, höheres Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden. Weil es zuletzt keine Bewegung am Verhandlungstisch gegeben hat, wollte die IG Metall den Streik unterbrechen. Die Hoffnung war, dass so wieder Gespräche möglich wären.

Die SRW konterte: So schnell könne man derartig viele Arbeitnehmer nicht wieder in den Betrieb integrieren. Man habe das Schichtsystem mittlerweile umgestellt, eine Eingliederung sei "objektiv nicht möglich". Zudem kritisierte das Unternehmen, dass der Streik nicht beendet, sondern nur unterbrochen sei. Zur Abwehr der jederzeit möglichen Fortsetzung des Streiks werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesperrt, heißt es aktuell auf einem Aushang vor den Toren der SRW. Die Aussperrung gilt befristet bis zum 31. Mai.

Die SRW metalfloat informiert die Beschäftigten über die Aussperrung. Sie gilt befristet bis Ende Mai. Bildrechte: IG Metall

"Mit der Unterbrechung des Streiks und dem Gesprächsangebot sind wir einen großen Schritt auf den Arbeitgeber zugegangen. Dieser bleibt seiner aggressiven Linie aus den vergangenen Monaten treu. Er eskaliert, verhindert jedwede Lösung und täuscht die Öffentlichkeit", sagte Steffen Reißig, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. Das Angebot eine Übergangsregelung zu finden, um das Schichtsystem neu zu gestalten, habe die SRW abgelehnt, ergänzte der Gewerkschafter.      

DGB und IG Metall fordern Ende der Aussperrung

Der sächsische Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Markus Schlimbach bezeichnet das Verhalten der SRW metalfloat als schockierend. "Es ist ein Skandal, auf die Unterbrechung des Streiks und das Verhandlungsangebot der IG Metall mit der Aussperrung der Beschäftigten zu reagieren. Aussperrungen dürfen kein Mittel der Auseinandersetzungen sein", sagte Schlimbach.

Seit 40 Jahren habe es in Deutschland keine Aussperrung mehr gegeben, erklärte der DGB-Vorsitzende weiter. "Diese Eskalation führt zu keiner Lösung der Auseinandersetzung. Notwendig sind Verhandlungen auf Augenhöhe."

Kritik kommt auch von der IG Metall. Die Aussperrung sei unverantwortlich, teilte die Gewerkschaft mit. Dirk Schulze, IG Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen erklärte, dass sei ein Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten. "Mit diesem aggressiven Vorgehen demonstriert der Arbeitgeber erneut seine volle Verachtung und Kälte gegenüber seinen Beschäftigten. Dieses Verhalten erinnert an das 19. Jahrhundert und passt in keiner Weise zu einer Zukunftsbranche", sagte Schulze. Der Arbeitgeber solle zu Vernunft und Verantwortung zurückkehren.

Gewerkschaft wirft Arbeitgeber gezielte Desinformation vor

Bereits in den Wochen vor der Aussperrung ging es zwischen der Recyclingfirma und der Gewerkschaft teilweise heiß her. Mehrmals betonte die SRW gegenüber der Presse, dass sie der Tarifkommission ein Angebot unterbreitet habe. Einen solchen Vorschlag habe die IG Metall wiederum nie gesehen, sagte sie und sprach von einer gezielten Desinformationskampagne.

Diese Eskalation führt zu keiner Lösung der Auseinandersetzung. Notwendig sind Verhandlungen auf Augenhöhe.

Markus Schlimbach | Sächsischer DGB-Vorsitzender

Mitte April überreichten die IG Metall der Firma einen selbst erstellten Tarifvertrag. Wenig später wandte sich der Betriebsrat von Scholz Recycling in einem Offenen Brief an die IG Metall und forderte ein Ende des Streiks. Auch Politiker schalteten sich bereits ein. 79 Mitglieder des Deutschen Bundestages hatten sich in einem Offenen Brief an Eigentümer und Geschäftsführung von SRW metalfloat gewandt und für eine Tariflösung plädiert.

Die Beschäfitgten der SRW übergaben am Montagmorgen eine schriftliche Mitteilung, dass sie ihre Arbeitskraft dem Betrieb anbieten wollen, was die Firma ablehnte. Bildrechte: IG Metall

SRW metalfloat gehört chinesischen Firma

Die Recyclingfirma aus Espenhain ist Teil des Unternehmens Scholz Recycling aus Baden-Württemberg Scholz, das wiederum der chinesischen Chiho Environmental Group aus China gehört mit Sitz auf den Cayman Islands. Laut der IG Metall reagierte der Chinese Yongming Qin, Geschäftsführer von Scholz Recycling, seit August auf keine Anfragen der Gewerkschaft mehr.

IG-Metall-Sprecher Reißig sprach in diesem Zusammenhang von einem "rückwärtsgewandten Arbeitgeber", der sich aufführe, als sei er im 19. Jahrhundert stecken geblieben. "Das passt nicht zu einer Zukunftsbranche. Wir brauchen Recyclingunternehmen für eine gelingende Kreislaufwirtschaft und wir brauchen gute Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte in dieser Branche."   

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MDR (mad)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Leipzig | 06. Mai 2024 | 14:30 Uhr