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Interview mit Till SorgeAfD-Check Sachsen: Zuständige Stellen müssten schneller reagieren

Zu den ersten, überwiegend regional aktiven "Faktencheckern" dürfte "AfD-Check Sachsen" gehören, die sich - der Name ist wohl selbsterklärend - vor allem der AfD in Sachsen widmen. Till Sorge und eine "Handvoll" Freunde und Bekannte - Informatiker, Historiker und Sozialwissenschaftler - überprüfen seit Jahren regelmäßig Pressemitteilungen und Veröffentlichungen der AfD in Sachsen auf deren Wahrheitsgehalt und veröffentlichen ihre Analysen in Sozialen Netzwerken. Nach eigenen Angaben wurden mittlerweile sämtliche der aktuell neun Landtagsabgeordneten der AfD-Fraktion der Verbreitung von Fake News überführt. Tobias Wilke hat mit Till Sorge gesprochen.

MDR SACHSEN: Unentgeltlich und in Ihrer Freizeit "korrigieren“ Sie mit Freunden und Bekannten Pressemitteilungen der AfD und veröffentlichen Ihre Kommentare und Analysen - was ist Ihre Motivation?

Till Sorge:  Wenn man auf die Anfänge zurückschaut, war es vor allem eine Reaktion. 2014 war da auf einmal eine neue Partei im Landtag, die von sich behauptete, "konstruktive Opposition" zu sein und dem "Mut zur Wahrheit" verpflichtet. Beim Lesen der ganzen Pressemitteilungen und sogenannten Share-Pics offenbarte sich dieser Anspruch aber - vorsichtig gesagt - als teilweise äußerst skurril und eben ohne jeden Widerspruch. Wir fanden: Gerade wenn es um "Mut zur Wahrheit" geht, ist Widerspruch dringend geboten.

MDR SACHSEN: Welchen Fokus stellen Sie fest bei diesen Pressemitteilungen? Gibt es ein Thema, das nach Ihren Recherchen besonders "beliebt" scheint bei der AfD-Fraktion Sachsen?

Till Sorge: Wir haben 2018 einen Textkorpus aus allen Pressemitteilungen der AfD-Fraktion Sachsen zusammengestellt und eine Häufigkeitsanalyse der Wörter unternommen. Auf dem Siegertreppchen landeten "CDU" und "SPD" - also die sächsische Staatsregierung- und der Begriff "Asylbewerber".

MDR SACHSEN: Die AfD-Fraktion Sachsen gibt als Quelle für ihre Pressemitteilungen regelmäßig auch die sogenannten Drucksache-Nummern der jeweiligen, parlamentarischen Anfrage an. Somit könnte jeder diese Anfragen und vor allem die Antworten der zuständigen Ministerien im öffentlich zugänglichen, elektronischen Dokumentations- und Archivsystem EDAS recherchieren. Halten Sie das für ausreichend?

Till Sorge: Das EDAS ist eine echte Bedienungsherausforderung. Da gibt es im Landtag noch viel Verbesserungspotential, insbesondere beim Zugriff auf Volltext und Tabellen. Natürlich könnte die AfD auch direkt auf die Dateien verlinken, aber das wäre nur ein kleiner Recherchetrost.

Interessant ist da vielleicht eher, dass die AfD gern und sehr oft auf Presseartikel als Quelle verweist, die zu finden dann oft eine Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen ist. Mal ganz abgesehen davon, dass es ironische Qualitäten hat, sich täglich ernsthaft auf "die Presse" zu beziehen, um sich dann einen Beitrag weiter über die "Lückenpresse" oder schlimmer "Lügenpresse" auszulassen.

MDR SACHSEN: Halten Sie Ihre Reichweite für ähnlich groß wie die der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag? Denken Sie, Sie erreichen mit Ihren "Korrekturen" die gleiche Zielgruppe wie die AfD mit ihren Pressemitteilungen?

Till Sorge: Nein, auf keinen Fall. Das soziale Netzwerk, das die AfD bedient und bewirbt, ist wirklich riesig. Mit einem Vollzeitjob können wir nicht mithalten. Dennoch gibt es manchmal eine Dynamik, die unsere Artikel "viral gehen" lässt und vereinzelt für weite Verbreitung sorgt.

Tatsächlich lesen auch immer wieder AfD-Abgeordnete selbst oder deren Unterstützer unsere Beiträge. Warum das so ist, wissen wir nicht. Aber es freut uns natürlich.

MDR SACHSEN: Sie betreiben Ihre Recherchen in der Freizeit, welche Institution sähen Sie in der Verantwortung, Pressemitteilungen von Parteien mit ggf. zweifelhaftem Wahrheitsgehalt zu widersprechen?

Till Sorge: Wenn in Pressemitteilungen verzerrte oder falsche Zahlen zu Kriminalität verbreitet werden, die letzten Endes wieder die sogenannte "gefühlte Sicherheit" beeinflussen, würden wir uns wünschen, dass die zuständigen Stellen wie das Innenministerium oder das Landeskriminalamt schnell darauf reagieren.

Manchmal passiert das auch: Selbst das BKA sah sich schon genötigt, eine Gegendarstellung auf Facebook zu veröffentlichen. Da sollte viel mehr passieren - und das schnell. Es wäre auch wünschenswert, wenn Lokalzeitungen nicht über Monate hinweg falsche Zahlen aus AfD-Veranstaltungen ungeprüft verbreiten. Da wäre mit einem Hinweis, dass da offensichtlich etwas nicht hinhaut, schon viel getan.

Transparenzhinweis: Der Autor des Artikels "Überall nur Kriminelle Ausländer?", der auch das Interview mit Till Sorge von "AfD-Check Sachsen" geführt hat, ist nicht Teil dieses Projekts und hat noch nie Faktenchecks für "AfD-Check Sachsen" veröffentlicht.

Hinweis: Aufgrund des hohen Kommentaraufkommens ist nur der Hauptartikel kommentierbar:

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSENMDR SACHSENSPIEGEL | 06.06.2019 | 19:00 Uhr