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Selbsternannter "König von Deutschland"So trickst Reichsbürger Fitzek Deutschland aus

22. August 2022, 19:00 Uhr

Eigene vermeintliche Banken, eine eigene angebliche Rentenkasse oder Versicherungen – das "Königreich Deutschland" sieht sich als Alternative zur Bundesrepublik. Vor einem Jahrzehnt ernannte sich Reichsbürger Peter Fitzek selbst zum König und sammelt seitdem Geld von seinen Anhängern. Nun expandiert der Fantasie-Staat – und die Behörden warnen, den selbsternannten Monarchen zu unterstützen.

Es war ruhig geworden um den selbsternannten König von Deutschland. Mehrfach wurde er zu Haftstrafen verurteilt. Durch ein kompliziertes Verfahren resultierte daraus 2020 eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten. Da er zuvor schon 22 Monate in Untersuchungshaft saß, ihm das angerechnet wurde und er nicht die gesamte Strafe antreten musste, ist er bereits seit Februar 2022 wieder frei. Inzwischen ist der gelernte Koch aus Sachsen-Anhalt und selbsternannte Monarch eines Reichsbürger-Staats offenbar wieder auf Expansionskurs – eine Entwicklung, die deutsche Behörden mit großer Sorge beobachten.

Seit kurzem wächst das "Königreich Deutschland". Das ARD-Magazin FAKT hat in allen Bundesländern nachgefragt: Neben dem Hauptstandort in Wittenberg gibt es nun offenbar auch zwei Standorte in Sachsen –  Boxberg und Eibenstock. Ein weiterer Kauf in Reichenbach ist hingegen gescheitert. Zudem hat es auch Kaufversuche in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Hessen und Schleswig-Holstein gegeben. Laut Fitzek sucht das Königreich in allen Bundesländern nach Immobilien.

Bedeutung von Immobilien für Extremisten

Doch wie gefährlich ist dieser Expansionskurs? "Immobilien sind so wichtig für Extremisten, nicht nur für Reichsbürger", sagt die Sprecherin des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen, Patricia Vernhold. "Durch diese Immobilien und Liegenschaften entstehen immer Trefforte." Zudem bestehe durch die Verschleierung der wahren Ideologie die Gefahr, dass in den Dörfern der Eindruck entstehe: So schlimm sind die doch gar nicht. Doch Fitzek verstecke seine Ansichten hinter Esoterik.

Peter Fitzek und sein angebliches Königreich pflegen Kontakte bis tief in die rechtsextremistische Szene. In einem Youtube-Video sagt der als "Volkslehrer" bekannte Nikolai Nerling: "Ich sitze heute neben einem alten Bekannten." Neben dem im bayrischen Verfassungsschutzbericht als Rechtsextremist erwähnten und wegen Volksverhetzung verurteilten Nerling sitzt Fitzek. Nerling hetzt gegen den Staat und verharmlost den Holocaust.

Fitzek selbst äußert sich auch offen antisemitisch. In einer Nachricht an einen Aussteiger aus seinem sektenähnlichen sogenannten Königreich schrieb er beispielsweise: "Eine gewisse Volksgruppe, die vorherrschend Deine Nasenform hat, lebt seit Langem in ähnlichen Lügen und wartet immer noch auf ihren Erlöser." Die Nachricht stellte Fitzek selber online. Darauf von FAKT angesprochen sagte er, dass es falsch war, dies so zu sagen. "Also es gibt überall gute Menschen und überall schlechte Menschen. Das hat mit Religion und Hautfarbe gar nichts zu tun. Und ja, der Vergleich. Den Vergleich, den habe ich einmal benutzt, den würde ich nie wieder benutzen."

Laut Verfassungsschutz hat die deutsche Reichsbürger- und Selbstverwalterszene etwa 21.000 Mitglieder und wächst. Mehr als fünf Prozent davon seien Rechtsextremisten. Der sächsische Verfassungsschutz will davor warnen, bei Peter Fitzek und dessen sogenanntem Königreich Geld anzulegen: "Die Schlösser müssen ja bezahlt werden. Es gibt offenbar zahlreiche Anhänger, die wirklich bereit sind, ihm ihre ganzen Ersparnisse zu überlassen, um sich dort einzukaufen", sagt Sprecherin Vernhold. "Und davor können wir nur warnen, weil von diesen Ersparnissen wird man nichts zurückbekommen. Das Geld ist weg."

Und davor können wir nur warnen, weil von diesen Ersparnissen wird man nichts zurückbekommen. Das Geld ist weg.

Patricia Vernhold | Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen

Fitzek stellt Anfragen für Immobilien über Strohmänner

Peter Fitzek macht kein Geheimnis daraus, dass er und das Königreich entscheiden, ob jemand sein Geld zurückbekommt oder nicht. So steht es auch in seinen Verträgen. Eine Person hat Fitzek sogar 250.000 Euro zur Verfügung gestellt – und zwar für den Kauf einer Immobilie im sächsischen Eibenstock. Dabei wurde das Geld nicht an Fitzek überwiesen, sondern direkt an den Verkäufer der Immobilie und somit der Kaufpreis anteilig gezahlt. Das zeigen Recherchen der Hackergruppe Anonymous vom Frühjahr. Die Dokumente sind online gestellt worden.

Zudem nimmt das angebliche Königreich Geld über seine eigene vermeintliche Bank und seine vermeintliche Rentenkasse ein. Wegen illegaler Bankgeschäfte ermittelt die Bankaufsichtsbehörde BaFin seit mehreren Jahren gegen Fitzek – die Geschäfte gehen aber offenbar weiter. Warum, dazu später im Text mehr.

Fitzek stellt seine Anfragen für den Kauf von Immobilien häufig über Strohmänner. Das geht aus verschiedenen Quellen hervor, auch dazu veröffentlichte die Hackergruppe Anonymous zahlreiche Dokumente. So steht etwa im Kaufvertrag einer der neuen Immobilien Marco Ginzel als Käufer. Er ist so etwas wie der engste Mitarbeiter von Reichsbürger Fitzek. Peter Fitzek selbst könnte gar nicht kaufen, da er seinen Personalausweis abgegeben hat – und sich somit beim Notar nicht mehr ausweisen kann.

Auch der Verein "Fair Teilen e. V.” taucht immer wieder in den Anfragen zu Immobilienkäufen auf, wie die Recherchen von Anonymous ergeben haben. Vor diesem Verein warnt der hessische Verfassungsschutz. Eine direkte Verbindung zum Königreich gibt es offenbar nicht. Im Impressum findet FAKT aber M. Ginzel als Vorsitzenden.

Zwei Schlösser in Sachsen gekauft und weitere Pläne

Nun hat das "Königreich Deutschland" über Strohmänner oder Vereine eine Villa und ein Schloss gekauft. Laut den Recherchen von Anonymous soll das Schloss Bärwalde für 1,3 Millionen Euro gekauft worden sein. Im Grundbuch findet sich der Verkauf aber noch nicht. 1,3 Millionen – so viel Geld hatte die Gemeinde Boxberg/Oberlausitz nicht, um ihr Vorkaufsrecht zu nutzen. Deshalb hatte Boxberg das sächsische Finanzministerium um Hilfe gebeten. Denn ein Gesetz zum Erhalt von Kulturdenkmälern sieht vor, dass das Land bei Verkäufen von Denkmälern unter Privatleuten einschreiten und die Objekte selbst erwerben kann.

Doch dazu müssen die Immobilien von "überörtlicher Bedeutung" sein. Diese Bedeutung sieht das Finanzministerium beim Schloss in Bärwalde nicht, erklärte Jörg Herold, Sprecher der Landesbehörde, dem MDR im Mai. "Nur wegen der Gesinnung eines Käufers können wir kein Vorkaufsrecht ausüben." Der ehemalige Bürgermeister von Boxberg sagte FAKT, er fühle sich allein gelassen.

Fitzek will auf dem im Wald liegenden Landgut ein sogenanntes Gemeinwohl-Dorf errichten. Seine Anhänger sollen auf dem Gelände eigenständig leben können. Laut einem eigenen Werbevideo will der Reichsbürger auf dem Schloss auch sogenannte "Systemausstiegsseminare" anbieten. All das sind typische Vorhaben der Reichsbürger-Szene: "Pseudo-legale Parallelstrukturen" zu den real existierenden staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen aufzubauen, um potenzielle "Bewohner der Gemeinwohldörfer" mit reichsbürgertypischen, extremistischen Ideologien zu indoktrinieren. So beschreibt es der sächsische Verfassungsschutz.

Die Expansion soll offenbar noch weitergehen. Peter Fitzek erzählt FAKT im Interview von geplanten Landwirtschaftsprojekten oder einer Supermarktkette. Allerdings: Mit der Eröffnung eines Lebensmittelladens in Hessen sind sie bereits gescheitert – auch wegen Widerstands der Anwohner. In Eibenstock im Erzgebirge steht die zweite Neuerwerbung des sogenannten Königreichs: Das Wolfsgrüner Schlösschen. Das "Königreich" nutze das Gelände als Seminar-, Tagungs- und Gesundheitszentrum, sagt Fitzek. Er selbst wohne in einem der Nebengebäude.

Der Mann mit dem schwarzen Zopf berichtet gut gelaunt vom Wachstum des Königreichs und davon, wie er von Krisen, wie der Corona-Pandemie, und dem Leid anderer profitiert: "Je mehr Leidensdruck es da draußen gibt, desto besser ist das für uns. Bevor Corona los ging, waren wir noch mit sechs Leuten in Wittenberg. Jetzt sind wir über 60." Dabei gehe es um die Menschen, die in Vollzeit an seinem Projekt mitarbeiten würden. Anhänger habe er inzwischen sogar über 4.500, behauptet er.

BaFin versucht seit Jahren den Kassen-Betrieb zu unterbinden

Fitzek sagte 2012, als er sich in einer selbst gestalteten Zeremonie – mit rotem Umhang und Zepter – zum angeblichen König seines selbsternannten Reiches krönte, er und seine Anhänger seien frustriert vom politischen System. Sie wollten einen alternativen Staat errichten. Fitzek schrieb eine vermeintliche Verfassung, kaufte Grundstücke, um sein Territorium zu erweitern. Mehrfach gründete er Fantasie-Banken, Versicherungen und Rentenkassen – immer wieder werden einige dichtgemacht.

Schon seit Jahren versucht die BaFin, den Betrieb von Fitzeks Kassen zu unterbinden. Erfolgreich war sie dabei nur in einem Fall: Die Kasse in Ulm ist seit vergangenem Jahr dicht. Die Filialen in Menden, Wittenberg und Dresden sind nach wie vor geöffnet. Nach Angaben des Königreichs sollen zusätzlich Ein- und Auszahlstellen in ganz Deutschland hinzu kommen. Was genau das sein soll, konnte FAKT nicht prüfen.

Was tut die BaFin?

Warum ist es so schwer, gerichtlich gegen Fitzek vorzugehen? Er selber behauptet: "Insgesamt hat man mir 127 Strafverfahren angedichtet und was ist passiert? Ich bin immer noch hier. Das heißt also, ich lese erst die Gesetze, gucke dann: Wo sind die Gestaltungsspielräume, gestalte es dann so aus, dass es nicht irgendwelche Straftatbestände erfüllt und dann fang ich an, kooperativ mit anderen zu handeln."

Tatsächlich wurde Fitzek 2017 wegen Untreue und des unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften vor dem Landgericht Halle verurteilt. Das Verfahren ging bis zum Bundesgerichtshof, wurde dann wegen Rechtsfehlern zurückverwiesen ans Landgericht und dort am Ende eingestellt. Ein Sieg für Fitzek, ärgerlich für die Justiz. Er erzählt selbstbewusst, dass er sich vor allem um die Konflikte mit den Behörden kümmere: "Das mache ich alles alleine. Weil es niemanden gibt, der im Königreich Deutschland über die Kompetenzen verfügt, um mit der BaFin klarzukommen." Mit einem Lächeln erklärt er, dass er die BaFin bisher immer gern und gut allein beschäftigt habe. "Der BGH hat ja sämtliche Verurteilungsgründe aufgehoben, die im Landgericht noch vorgebracht wurden, und so ist die BaFin für mich nur noch ein zahnloser Tiger."

Bußgelder in Höhe von 3,2 Millionen Euro

Woran scheitert es also, die Geschäfte der sogenannten Gemeinwohlkassen zu unterbinden? Am Willen der BaFin offenbar nicht. Die Behörde teilt FAKT mit, dass sie Fitzek weiterhin Bußgeldbescheide schicke, inzwischen in einer Höhe von rund 3,2 Millionen Euro. Allerdings kann die BaFin ihre Bescheide weder selbst zwangsvollstrecken, noch Strafverfahren einleiten oder Anklage erheben. Dafür ist sie auf die Unterstützung der zuständigen Behörden angewiesen.

In Bezug auf die Zwangsgelder teilt die BaFin mit, dass Fitzek freiwillig keiner Maßnahme nachkomme. 2014 habe man deshalb mit dem zuständigen Hauptzollamt zwei Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt. "Die Verwertungen waren – bei mehreren Lkw-Ladungen – lediglich kostendeckend", so die BaFin.

Um Fitzek für die unerlaubten Bankgeschäfte zu verurteilen, müsste die Justiz eingreifen. "Die BaFin ist eine Verwaltungsbehörde und darf als solche keine Strafverfahren führen. Ob, wo, wann, in welchem Umfang es wegen unerlaubter Bank- und Versicherungsgeschäfte zu einer Anklage kommt, obliegt einzig der zuständigen Staatsanwaltschaft", so die BaFin gegenüber FAKT. Und weiter: "Die BaFin weist bei Fällen mit Bezug zu Herrn Fitzek und seinem Königreich seit Jahren die zuständigen Staatsanwaltschaften auf die laufenden Verstöße gegen das Aufsichtsrecht hin. Mehr kann sie nicht machen.” Die Staatsanwaltschaft in Dresden, die für die Dresdner Filiale der "Gemeinwohlkasse" zuständig wäre, teilt mit, dass sie zu möglichen aktuellen Ermittlungen keine Auskunft gibt.

Ob die Justiz also erneut gegen Peter Fitzek ermittelt, wissen wir noch nicht. Fest steht zumindest, dass die BaFin seine Geschäfte für illegal hält. Trotzdem überlassen Peter Fitzeks Anhänger ihm Geld, zum Teil hohe Summen – und machen sich so abhängig von einem selbsternannten Reichsbürger-König, der sich offen antisemitisch geäußert hatte und mit Rechtsextremisten gut bekannt ist.

Quelle: MDR Investigativ/ mpö

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Dieses Thema im Programm:Das Erste | FAKT | 16. August 2022 | 23:20 Uhr