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Verschiedene legale und illegale Drogen Bildrechte: imago images/Panthermedia

Jahrbuch Sucht 2023Millionen Menschen in Deutschland trinken zu viel Alkohol

26. April 2023, 11:54 Uhr

Knapp acht Millionen Erwachsene trinken Alkohol in gesundheitlich bedenklichen Mengen. Beim Nikotin werden zwar immer weniger Fertigzigaretten verkauft, doch Selbstgedrehte und Verdampfer ziehen nach. Das Jahrbuch Sucht informiert zudem über den Konsum illegaler Drogen und Spielsucht etwa im rasant wachsenen Markt für Sportwetten. Die Suchthilfe Sachsen kritisiert, dass die Prävention hinter der Liberalisierung zurückbleibe.

Alkohol schadet schon in geringen Mengen

Der Konsum von Alkohol und Tabak in Deutschland ist zwar rückläufig, liegt nach Einschätzung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) aber weiter auf hohem Niveau. Dem Jahrbuch Sucht 2023 zufolge trinken 7,9 Millionen Deutsche Alkohol "in gesundheitlich riskanter Weise". Das entspricht einer täglichen Menge von zwölf Gramm reinem Alkohol bei Frauen und 24 Gramm bei Männern, also einem bis zwei kleinen Gläsern Bier.

DHS-Vorstandschef Norbert Scherbaum sieht als Grundproblem, dass Alkohol als vermeintliches Kulturgut gesellschaftlich breit akzeptiert werde. Experten warnen, selbst geringe Mengen machten krank. Bei einem Alkoholverzicht gehen sie für Frauen von etwa 16 Jahren längerer Lebenszeit aus, bei Männern von zehn Jahren und mehr.

Neben Präventionskampagnen fordern die Suchtexperten mehr strukturelle politische Maßnahmen wie ein Anheben der Alkoholpreise und die stärkere Beschränkung von Alkoholwerbung.

Tabak-Konsum verschiebt sich: Weniger Zigaretten - mehr Verdampfer

Die Ausgaben für Tabakwaren reduzierten sich dem Sucht-Jahrbuch zufolge 2022 auf 27,1 Milliarden Euro – ein Minus von 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Dabei sank vor allem der Konsum von Fertigzigaretten um 8,3 Prozent auf 65,8 Milliarden Stück, während der Verbrauch von Feinschnitt für selbstgedrehte Zigaretten um knapp ein Prozent auf rund 25.000 Tonnen zulegte. Bei Zigarren und Zigarillos ging der Verbrauch um 8,9 Prozent auf 2,5 Milliarden Stück zurück. Für Shisha-Wasserpfeifentabak gibt es nach einem Anstieg im Jahr 2021 für das Folgejahr noch keine Daten. DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel geht aber auch hier von einem Plus aus.

Insgesamt ist der Anteil der Raucher weiter rückläufig. Laut Mikrozensus rauchten 2021 noch rund 16 Prozent der Frauen und 22 Prozent der Männer. Bei den Themen Tabakprävention und Tabakkontrolle zähle Deutschland im internationalen Vergleich dennoch weiter zu den Schlusslichtern, sagt Rummel.

Illegale Drogen: Cannabis auf dem Vormarsch

Im Bereich der illegalen Drogen ist den Experten zufolge Cannabis sowohl bei Jugendlichen als auch unter Erwachsenen am weitesten verbreitet. Aktuellen Schätzungen zufolge haben etwa fünf Millionen Erwachsene und Teenager in den letzten zwölf Monaten eine illegale Droge konsumiert.

Sportwetten werden zum echten Suchtproblem

Beim Glücksspielmarkt zeigt der Bericht für 2021 ein Umsatzplus um 14,6 Prozent auf 53,4 Milliarden Euro. Das sei insbesondere auf eine im Juli 2021 erfolgte Änderung des Glücksspielstaatsvertrags zurückzuführen, die Sportwetten bundesweit legalisierte. Demnach wuchsen Sportwetten allein 2021 um 409,6 Prozent auf einen Umsatz von 18,3 Milliarden Euro. Für 2022 liegen noch keine Zahlen vor. Spielbanken und Automaten verloren dagegen an Bedeutung. Experten sehen eine Verlagerung ins Onlinegeschäft.  

Lage in Mitteldeutschland: Sachsen sieht Cannabis-Legalisierung kritisch

Die Sächsische Landesstelle gegen Suchtgefahren (SLS) hat keine aktuellen Daten zum Drogenkonsum im Freistaat. Sie bewertet die Lage nach Inanspruchnahme von Suchtberatung und –behandlung. Genauere Zahlen stammen laut SLS aus Bevölkerungsbefragungen, die aufgrund des großen Aufwandes nicht jährlich durchgeführt werden.

SLS-Geschäftsstellenleiter Olaf Rilke teilte MDR AKTUELL mit, allgemein gebe es in Sachsen bei Alkohol und Nikotin "überdurchschnittliche riskante Konsummuster", auch wenn der Trend leicht rückläufig sei. Zu Erhitzern und E-Zigaretten fehlten Daten, doch man vermute "eine starke Suchtverlagerung auf diese Produkte". Bei illegalen Drogen ist Sachsen Rilke zufolge allgemein unterdurchschnittlich belastet, bei relativ starkem Konsum im Bereich Crystal.

SLS: Zu wenig Prävention – zu starke Liberalisierung

Die SLS sieht eine Erhöhung der Verfügbarkeit psychoaktiver Substanzen kritisch und mithin auch die geplante Cannabis-Freigabe. Jedoch unterstütze die SLS das Bemühen um eine Entkriminalisierung der Konsumenten. Kritik übte die Landesstellen für Suchtgefahren an der Liberalisierung des Glücksspielmarktes und der Online-Glücksspiele, "da dies zur Erhöhung glücksspielbezogener Suchtprobleme" sowie Folgeschäden wie Verschuldung und erhöhte Suizidalität führen werde.  

Zugleich sei die Suchtprävention, Suchthilfe und -behandlung hinter der Liberalisierung im Drogen- und Spielbereich zurückgeblieben. "Dies hat bisher in Sachsen nicht stattgefunden, obwohl entsprechende Gesetzesvorgaben dies vorsehen", mahnt Rilke. Hier gebe es aktuellen Handlungsbedarf – nicht erst nach Verabschiedung des geplanten Cannabisgesetzes.

dpa, AFP, MDR AKTUELL (ans)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 26. April 2023 | 10:00 Uhr