Bauernproteste und AfDWas die AfD für Bauern in Thüringen tatsächlich getan hat
Die AfD Thüringen solidarisiert sich mit den Bauernprotesten und fordert höhere Subventionen für Landwirte. Sie ruft zum "Generalstreik" auf, geht mit auf die Straße und verspricht, den Bauern an ihrer Seite zu stehen. Dass sich die Partei damit inhaltlich widerspricht, zeigt nicht nur das Grundsatzprogramm der AfD, sondern auch eine Analyse ihrer Arbeit im Landtag in den vergangenen viereinhalb Jahren.
Inhalt des Artikels:
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Mittwochmorgen live im Deutschlandfunk:
"Wir wollen nicht sämtliche Subventionen streichen, das ist Unsinn, wenn Sie das so zitieren! Das steht auch so nicht in dem Programm drin."
- "Hier steht wörtlich: 'Die AfD lehnt Subventionen generell ab' Punkt. Aus Kapitel zehn."
"Generell im Zuge dieser ganzen links-grünen Politik…"
- "... das steht da nicht."
"Aber es steht genauso drin, dass wir unsere heimische Landwirtschaft fördern wollen, lesen Sie das doch richtig durch! Das ist doch jetzt wirklich Unsinn, was Sie hier zitieren."
- "Ich hab's ja gelesen. Ich habe auch Kapitel 13 gelesen […] das trägt den Titel ‚weniger Subventionen mehr Wettbewerb‘. Da kriegt die Landwirtschaft sogar einen eigenen Unterpunkt."
"Da sehen Sie ja: 'Weniger Subventionen und mehr Wettbewerb', aber nicht überhaupt keine Subventionen mehr."
Mit dem Livegespräch zwischen Bernd Baumann, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD im Bundestag, und Deutschlandfunk-Moderator Moritz Küpper ist zur AfD und den Landwirten fast alles gesagt. Der Widerspruch, im Zuge der Bauernproteste mit einem Sofortprogramm plötzlich mehr Subventionen für die Landwirte zu fordern, obwohl die AfD seit 2016 ein völlig anderes Grundsatzprogramm verfolgt, ist augenscheinlich.
Über den Subventions-Widerspruch, den auch der Thüringer AfD-Landessprecher Stefan Möller leugnet, und das Abstimmungsverhalten der AfD bei der Kfz-Steuerermäßigung für Landwirte wurde in den vergangenen Tagen ausführlich berichtet.
Doch wie sieht die alltägliche Parlamentsarbeit der AfD beim Thema Landwirtschaft eigentlich aus? Hat sie sich in den vergangenen viereinhalb Jahren im Thüringer Landtag für die Bauern eingesetzt? Und wie verhält sich die vom Thüringer Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem einstufte Partei tatsächlich zu Subventionen?
Was bedeutet rechtsextrem?
Rechtsextreme vertreten einen aggressiven Nationalismus, der Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit abwertet und das eigene Volk überhöht. Ferner lehnen sie freiheitliche demokratische Grundordnung, ihre Institutionen und deren Repräsentanten ab. Stattdessen schwebt ihnen eine gesellschaftliche Neuordnung nach dem Führerprinzip vor, bei dem die Freiheit des Einzelnen durch das Kollektiv beliebig eingeschränkt werden kann. Zur Durchsetzung dieser Vorstellungen sind Rechtsextreme zu Gewalt bereit oder nehmen diese billigend in Kauf.
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung/MDR
Die Politik der Kleinen Anfragen
Ein Blick in die Parlamentsdokumentation des Thüringer Landtags überrascht zunächst: Die AfD-Fraktion ist bei den Themen "Landwirtschaft", "landwirtschaftliche Betriebe" und "landwirtschaftliche Berufe" außergewöhnlich aktiv. In dieser Legislaturperiode trat die AfD bei diesen Themen schon 60 Mal in Erscheinung. Zum Vergleich: FDP und CDU kommen im gleichen Zeitraum auf je 15 Aktivitäten und teilen sich damit den zweiten Platz.
Allerdings gehen 53 Aktivitäten der AfD auf Kleine oder mündliche Anfragen zurück – vier Mal mehr als CDU (acht) und FDP (vier) gemeinsam. Kleine und mündliche Anfragen sind parlamentarische Werkzeuge der Opposition, um die Regierung in ihrem Handeln zu kontrollieren. Zugleich erfragen Abgeordnete damit gezielt Informationen zu Sachthemen.
Die Anfragen sind schnell und leicht zu stellen und bedeuten für die Opposition wenig Aufwand. Die AfD nutzt dieses Mittel daher geradezu inflationär. Das tut sie nicht nur auf Landesebene, sondern auch im Bund oder in Kreis- und Stadtverwaltungen. Wie viele Arbeitsstunden für die Beantwortung dieser vielen Kleinen AfD-Anfragen jedes Jahr in Ministerien und Verwaltungen aufgewendet werden, ist nicht bekannt. Wer sich eine solche Anfrage und deren Antwort (hier ein Beispiel) anschaut, ahnt aber: Es geht dabei um viele Hundert Beamtenstunden, die am Ende steuerfinanziert sind.
Zwei Anträge mit landwirtschaftlichem Bezug
Jetzt könnte man denken: Wer als Fraktion so viel zum Thema Landwirtschaft wissen will, der wird damit auch konkrete Verbesserungsvorschläge und Gesetzentwürfe ausarbeiten. Aber genau das tut die Thüringer AfD fast nie. Seit Ende November 2019 legte die AfD-Fraktion dem Landtag nur zwei Anträge mit landwirtschaftlichem Bezug zur Abstimmung vor. Einer davon betraf die Landwirte sogar nur indirekt, weil er eigentlich die Belange von Jägern thematisierte. Beide Anträge wurden vom Parlament abgelehnt.
Zum Vergleich: Die wesentlich kleinere FDP-Fraktion, die 2022 sogar zur parlamentarischen Gruppe zusammenschrumpfte, legte dem Landtag im selben Zeitraum drei Anträge und einen Gesetzentwurf mit sehr konkreten landwirtschaftlichen Forderungen zu den Themen mobile Schlachtung, Insektenschutz, Düngeverordnung und Grünlandumbruch vor.
AfD forderte Flächen für Lebensmittel statt Biokraftstoffe
Den einzigen Antrag, der wirklich Bauerninteressen thematisierte, brachte die AfD im April 2022 in den Landtag ein. Er beschäftigte sich mit der Nutzung von Landschaftsflächen zur Biokraftstoffproduktion. Die AfD-Fraktion forderte die Landesregierung darin unter anderem auf, "sich auf allen Ebenen für die Abschaffung von Regelungen einzusetzen, welche die für Lebensmittelherstellung geeigneten Anbauflächen einer Flächenkonkurrenz aussetzen".
Vereinfacht gesagt, forderte die AfD, dass sämtliche Agrarflächen allein für die Lebensmittel- und Futterproduktion genutzt werden. Pflanzen zur Produktion von Biokraftstoffen sollen von Thüringer Feldern verschwinden. Hintergrund des Antrags waren steigende Lebensmittelpreise infolge des Getreideankaufs von Ölkonzernen, die damit Biotreibstoffe herstellen wollen. Weltweit wurden 2022 etwa 18 Prozent aller Pflanzenöle zu Treibstoff verarbeitet.
Auf Anfrage von MDR THÜRINGEN teilte das Thüringer Landwirtschaftsministerium mit, dass zum Anbau für Biokraftstoffe keine statistischen Daten in Thüringen erfasst werden. Hauptsächlich werde in Deutschland aber Raps produziert, der sich zur Kraftstoffherstellung eigne.
Weiter erklärte das Ministerium, dass Agrarunternehmen frei in ihren Anbauentscheidungen seien und diese in Abhängigkeit von fachlichen Grundlagen wie der Einhaltung einer Fruchtfolge und von wirtschaftlichen Erwägungen treffen würden. "Ein Anbau von landwirtschaftlichen Kulturen mit dem bereits bei der Aussaat feststehenden Ziel der Verwendung als Rohstoff für die Biokraftstoffproduktion findet in der Regel nicht statt", heißt es aus dem Ministerium. Auch auf die Weiterverarbeitung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse hätten Thüringer Bauern keinen Einfluss. Am Ende würden die Käufer des Thüringer Getreides darüber entscheiden, wie es weiter verarbeitet wird.
Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, warum die AfD überhaupt die Landesregierung mit diesem Antrag addressiert hat. Hier greifen die Mechanismen des freien EU-Binnenmarktes, auf den die Thüringer Landesregierung keinen Einfluss nehmen kann, weil sie gegenüber der EU-Gesetzgebung keine Handhabe hat. Höchstens indirekt - über den Bundesrat - könnte sie neue EU-Gesetze versuchen zu verhindern. Aber es geht der AfD ja um die Abschaffung schon bestehender Regelungen. Sinnvoller wäre es daher gewesen, wenn sich die AfD mit diesem Anliegen an die Thüringer Europaabgeordneten gewendet hätte.
Ungeachtet dessen hätte sich dieser AfD-Antrag nachteilig auf die Thüringer Landwirtschaft ausgewirkt. Steigende Lebensmittelpreise sind grundsätzlich gut für Bauern, denn höhere Erzeugerpreise lassen sich nur durchsetzen, wenn auch die Marktpreise steigen. Sollten Ölkonzerne als potenzielle Käufer des Thüringer Raps wegfallen, blieben allein die Lebensmittelkonzerne als Kaufinteressenten. Die Folge wären schlechtere Preise für Bauern gewesen, die die Marktmacht des Lebensmittelhandels seit langem kritisch sehen.
AfD Thüringen forderte höhere Subvention bei Rehkitzrettung
Der zweite Antrag beschäftigte sich im März 2021 mit der Rehkitzrettung aus erntereifen Feldern. Darin forderte die AfD die Landesregierung auf, die vorhandenen Subventionen zur Anschaffung von Drohnen und Wärmebildkameras um mindestens 200.000 Euro zu erhöhen. Diese staatlichen Leistungen sollten den Thüringer Jägern zugutekommen. Dem Antrag nach hätten sie dann auf Landeskosten auch einen Drohnenführerschein erwerben können.
Eine echte Verbesserung für die Situation der Thüringer Landwirte wäre das wohl kaum gewesen. Hervorzuheben ist aber, dass die AfD hier tatsächlich eine Subvention fordert.
Was die AfD den Landwirten im Wahlkampf versprach
Schaut man in das Wahlprogramm der Thüringer AfD von 2019, findet sich eine Reihe weiterer Vorschläge, mit denen die Partei die Situation von Landwirten verbessern wollte.
Die Gewässerrandstreifenregelung sollte angepasst werden, genau wie die als zu streng empfundenen Tierwohl-Auflagen. Das "Landgrabbing" von Investoren sollte verhindert und der Breitbandausbau auf dem Land verbessert werden. Die AfD Thüringen versprach 2019, auch die Förderung der Grünlandbewirtschaftung angehen zu wollen, was wohl ebenfalls auf eine Subvention hinausgelaufen wäre. Außerdem sollte der Wolf ins Thüringer Jagdrecht aufgenommen werden - dazu stellte die AfD einen entsprechenden Antrag, der jedoch abgelehnt wurde.*
Mit Ausnahme der Wolfsjagd sind das keine exklusiven AfD-Forderungen. Das "Landgrabbing" beenden und den Breitbandausbau auf dem Land verbessern, forderten zum Beispiel auch die Grünen in ihrem Wahlkampfprogramm 2019. Wenn es also sogar Schnittmengen mit den verhassten Grünen gegeben hat, warum hat sich die AfD dann im Landtag nicht stärker für die Belange der Bauern eingesetzt? Sie hätte Anträge stellen und Gesetzentwürfe vorlegen können. Die wären zwar wahrscheinlich nicht angenommen worden, hätten aber eine sachpolitische Auseinandersetzung im Plenum ermöglicht.
Fazit: Die AfD und die Interessen der Bauern
Gemessen an ihrer Landtagsarbeit ist die Thüringer AfD keine Partei, die sich für die Interessen von Bauern einsetzt. In den vergangenen viereinhalb Jahren blieb sie auf landespolitischer Ebene beim Thema Landwirtschaft wirkungslos - was man ihr als Oppositionspartei aber nicht ernsthaft vorwerfen kann. Viel aussagekräftiger hinsichtlich ihrer Absichten bei den Bauernprotesten ist hingegen, dass sie in dieser Zeit nahezu ohne politische Initiative in Hinblick auf die Landwirtschaft geblieben ist. Einzige Ausnahme ist dabei ein Antrag, der den Bauern finanziell sogar geschadet hätte.
Der Fairness halber muss man auch festhalten, dass die AfD in Thüringen - trotz des Grundsatzprogrammes - Subventionen schon vor den Bauernprotesten nicht grundsätzlich ablehnte. Der Antrag zur Rehkitzrettung und die Förderung der Grünlandbewirtschaftung im Parteiprogramm sind hier beispielhaft. Sie sollte daher vielleicht nicht auf das Grundsatzprogramm festgenagelt werden, zumal die Partei noch verhältnismäßig jung ist und sich in den Jahren seit 2016 verändert und radikalisiert hat. Am Eindruck, die AfD würde ihre politische Wetterfahne nur in den aufkommenden Protestwind hängen, ändert das aber wenig.
*Anmerkung der Redaktion: In einer ursprünglichen Version des Artikels hieß es, dass die AfD keinen Antrag zur Wolfsjagd in Thüringen eingereicht hat. Dies wurde von uns korrigiert. Richtig ist, dass die AfD einen Antrag eingereicht hat, der abgelehnt wurde. Dieser war in der Parlamentsdokumentation nicht unter dem Schlagwort Landwirtschaft aufgetaucht.
Bauernprotest und AfD
MDR (ask)
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 08. Januar 2024 | 15:12 Uhr
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