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ThüringenBellen gegen den Wolf: Herdenschutzhunde verhindern offenbar Wolfsrisse

18. Oktober 2020, 20:52 Uhr

Seit diesem Jahr gibt es in Ohrdruf Wolfsnachwuchs. Das Rudel ist bislang das einzige nachgewiesene Wolfsrudel in Thüringen. Um die Schafs- und Ziegenherden in der Umgebung vor Angriffen zu schützen, kommen daher Herdenschutzhunde zum Einsatz - mit Erfolg, wie Schäfer und das Thüringer Umweltministerium festgestellt haben. Das Projekt soll bis 2022 laufen.

von Sandra Voigtmann

Die Wolfspopulation in Deutschland wächst jährlich um 30 Prozent. In vielen Bundesländern gibt es bereits mehrere Rudel. Thüringen fällt da ein wenig aus dem Muster, sagt Hans-Jürgen Schäfer, Abteilungsleiter Naturschutz und Nachhaltigkeit im Thüringer Umweltministerium. Denn in Thüringen gibt es nur ein nachgewiesenes Wolfsrudel. Und das ist noch ganz neu. Denn erst in diesem Jahr gab es auf dem Ohrdrufer Truppenübungsgelände reinrassigen Wolfsnachwuchs. Vier Welpen gebar die Fähe in diesem Jahr im Mai. Gepaart hatte sie sich mit dem Wolfsrüden, der seit letztem Jahr in Ohrdruf sesshaft wurde. Die Jungtiere tappten schon einige Male in die Fotofalle. Ein genetischer Nachweis der Jungtiere allerdings stehe noch aus, so Hans-Jürgen Schäfer

Wolfsrisse haben in den vergangenen Monaten abgenommen

Im Jahr 2019 gab es von Anfang Juli bis in den Oktober mehr als 100 gerissene Schafe und Ziegen, die aufs Konto der Ohrdurfer Wölfin und ihres Nachwuchses gingen. In diesem Jahr rissen die Wölfe seit Anfang Juli dagegen 30 Schafe und Ziegen - mehr als zwei Drittel weniger als im Vorjahreszeitraum, wie das Thüringer Umweltministerium auf Anfrage mitgeteilt hat.

Sommer und Herbst sind die Zeit, in der dem Nachwuchs das Jagen beigebracht wird. Im vergangenen Jahr lernten so auch die Hybriden das Überspringen der Herdenschutzzäune. 1,20 Meter sind für die Wölfin und ihren Nachwuchs kein Problem gewesen. In diesem Jahr gingen die Risse seit Anfang Juli mit der Einführung der Herdenschutzhunde im Ohrdrufer Gebiet stetig zurück. Im September wurden nur noch vier Schafe und Ziegen gerissen. Im Oktober gab es bisher gar keine Wolfsrisse in den Herden.

Zwei Herdenschutzhunde in Thüringen: Von den Schafen als ihresgleichen akzeptiert, leben die großen Hunde inmitten der Herde. Bildrechte: MDR/Sandra Voigtmann

Der Herdenschutz läuft erfolgreich. Doch was fressen die Wölfe stattdessen? Wild gibt es auf dem Gelände reichlich, sagt Silvester Tamás vom NABU Thüringen. Reh- und Rotwild aber auch Wildschweine seien die Hauptnahrung der Wölfe. Das könne auch mittels der Losung der Tiere analysiert werden. So würden Wildschweinborsten, Knochenreste oder auch Zähne von Wild im Kot der Wölfe gefunden werden. Mit dem Wolfsrüden hat sich scheinbar auch das Jagdverhalten der Fähe geändert. In diesem Jahr musste sie nicht vorzeitig aus der Wurfhöhle, um selbst zu jagen.

Einsatz von Hunden rund um Ohrdruf

Eine Problemwölfin ist sie dennoch weiterhin, heißt es aus dem Umweltministerium, weil die Fähe gelernt hat, 1,20 Meter hohe Herdenschutzzäune problemlos zu überspringen. Das würde sie auch dem diesjährigen Nachwuchs beibringen, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommt. Genau das soll verhindert werden. Sechs Schafhalter rund um Ohrdruf haben Herdenschutzhunde bekommen. Das Projekt läuft zweieinhalb Jahre und endet Ende 2022. Hobbytierhalter müssen jetzt besonders auf den Herdenschutz achten, hieß es. Denn es sei nicht ausgeschlossen, dass die Wölfin versuche, sich an diesem "Buffet" erneut zu bedienen. Schafe sollten wenn möglich nachts in den Stall geholt werden.

Die Herdenschutzhunde wurden erfolgreich in verschiedene Herden integriert, auch in die traumatisierte Herde von Alf Schmidt. Von den Schafen als ihresgleichen akzeptiert, leben die großen Hunde inmitten der Schafsherde. Sie dösen und sind trotzdem hellwach. Gerne liegen sie auf erhöhten Stellen im Gelände. Ein Wolf entgeht ihnen nicht. Sie bemerken ihn, lange bevor der Wolf sie wahrnimmt. Nähert er sich, überraschen die Herdenschutzhunde mit lautstarkem Gebell. Das können die Tiere stundenlang durchhalten. Meist verziehen sich die Wölfe aber schnell wieder. Machen sie das nicht und dringen in die Herde ein, würden die Hunde die Wölfe im Ernstfall auch töten.

Ministerium gibt Empfehlungen für geeignete Hunderassen

Natürlich versuchen die Wölfe immer noch, in die Herde einzudringen und Tiere zu reißen, sagt Schafhalter Alf Schmidt. Nach einer Nacht mit einem Wolfskontakt sind die Hunde völlig erschöpft, sagt er. Dann bekommen sie eine extra Streicheleinheit. Er hat auf Mastin Espagnol gesetzt. Diese großen, ruhigen und beim Menschen sehr verschmusten Hunde hat Alf Schmidt inzwischen in sein Herz geschlossen und möchte sie nicht missen. Er hat sich bewusst für diese Rasse entschieden, auch wenn sie nicht auf der Empfehlungsliste des Ministeriums stand, als das Projekt ins Leben gerufen wurde. Inzwischen stehen auch sie auf der Liste der empfohlenen Hunderassen neben Pyrenäenberghunden. Und das aus einem sehr einfachen Grund, sagt Hans-Jürgen Schäfer vom Umweltministerium. Denn es gehe auch darum, dass Schafhalter und Hunde miteinander harmonisieren. Bei Schmidt scheine das der Fall zu sein. Dem Schafhalter vor Ort vertrauen, das stärkt auch das Verhältnis zwischen Landwirt und Umweltministerium. Inzwischen wurden auch fünf Reservehunde angeschafft, die bei akutem Bedarf an Tierhalter ausgeliehen werden von der Fachstelle Herdenschutzhunde.

Bedarf an Herdenschutzhunden steigt

Der Bedarf an Herdenschutzhunden in Deutschland wird wachsen, davon geht auch das Thüringer Umweltministerium aus. Der Markt sei aber schon jetzt fast leer gefegt. Das Land kauft die Herdenschutzhunde und verleiht sie oder aber die Tierhalter kaufen die Hunde direkt und bekommen das Geld vom Ministerium erstattet. Die Tiere würden alle auf ihre Gesundheit geprüft, hieß es, damit genetische Verarmung und auch Krankheiten wie Hüftdysplasie (HD) ausgeschlossen werden können. Über die Kosten für die Herdenschutzhunde wollte das Umweltministerium keine Angaben machen.

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Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 18. Oktober 2020 | 19:00 Uhr