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Die Turmfalkenküken im Thüringer Umweltministerium nach dem Schlüpfen Bildrechte: MDR THÜRINGEN/Carmen Fiedler

TiereJedes Jahr wieder: Die Turmfalken im Umweltministerium

25. Juni 2021, 18:08 Uhr

Seit mehr als zehn Jahren brüten Turmfalken in einem ehemaligen Lüftungsschacht unter dem Dach des Thüringer Umweltministeriums, seit 2016 können sie via Webcam beobachtet werden. Die drei Jungvögel sind bald flügge.

von Carmen Fiedler, MDR THÜRINGEN

Christian Enders, der im Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz in der Pressestelle arbeitet, holt eine Stehleiter, platziert sie unter einem Kasten (es ist ein ehemaliger Lüftungsschacht), der in der Toilette im vierten Stock an der Decke hängt, und öffnet eine Luke. Im Kasten ist eine Holzabdeckung zu sehen. Und etwas Vogeldreck. Christian Enders deutet darauf: "Hinter der Holzplatte ist das Nest". Er meint das Nest der Turmfalken. 

Hinter diesem Kasten brüten die Turmfalken. Bildrechte: MDR THÜRINGEN/Carmen Fiedler

Man hört es leise zwitschern, wenn man ganz still ist. Anschauen kann man die jungen Falken nicht, das würde die Vögel stören. Aber das ist auch gar nicht nötig, schließlich gibt es eine Webcam, die "Falken-Kamera", die zehnsekündlich Bilder ins Internet überträgt. "Seit 2016 läuft die Kamera", sagt Christian Enders. "Wir wissen, dass das viele gerne wahrnehmen", setzt sein Kollege Tom Wetzling, der hier Pressesprecher ist, hinzu, "auch ich selbst. Es ist eine Mischung aus Interesse und Nervenberuhigung". Und wirklich - die drei kleinen Federknäuel zu beobachten, hat etwas Meditatives. Inzwischen sind die im Mai geschlüpften Jungtiere so groß, dass sie manchmal das ganze Bild ausfüllen, das sieht dann so aus wie ein braun-schwarz-weiß-verwischtes Gemälde. Gerade bekommen sie ihre richtigen Federn. "Sie sollten Anfang, spätestens Mitte Juli so weit sein, dass sie flügge werden", sagt Christian Enders.

Schon seit mindestens zehn Jahren brüteten die Vögel im Gebäude des Umweltministeriums, sagt Tom Wetzling. Das passt, denn Turmfalken brüten bevorzugt an oder in Gebäuden, "sonst würden sie nicht Turmfalken heißen", sagt Juliane Balmer von der Vogelschutzwarte Seebach. "Sie gehen in Nischen oder in vorhandene Nester, nehmen aber auch gern Nistkästen an, am besten mit Hobelspänen, Laub oder kleinem Holzschnitt." Denn Turmfalken bauen keine eigenen Nester. Sie nehmen das, was da ist, das könne auch "ein kleines bisschen Dreck oder ihr eigenes Gewölle" sein, "sie bringen keinerlei Nestmaterial ein". Ist nichts vorhanden, käme es vor, dass die Vögel auf dem nackten Boden brüteten, "was dazu führen kann, dass Eier kaputt gehen oder auskühlen", erzählt die Vogelexpertin.

Turmfalken ernähren sich hauptsächlich von Mäusen und "tragen so dazu bei, dass die Mäusepopulation, die in der Landwirtschaft großen Schaden anrichtet, auf einem gesunden Level gehalten wird", sagt Juliane Balmer. Sie fressen "aber auch mal einen Vogel, eine Eidechse oder eine Blindschleiche". Im Ministerium könne man manchmal beobachten, wie die Vogeleltern ihren Jungen Mäuse bringen, sagt Tom Wetzling. Die drei Jungvögel im Umweltministerium sehen recht kräftig aus.

Gute Brutplätze sind unter Turmfalken bekannt.

Juliane Balmer von der Vogelschutzwarte Seebach

Dass das Turmfalkenpärchen im Ministerium dasselbe wie in den letzten Jahren ist, ist wahrscheinlich, aber nicht ganz sicher. Die Tiere seien nicht beringt, schreibt Tom Wetzling. Die Brutplätze werden zwar jedes Jahr erneut aufgesucht, doch gute Plätze "sind unter Turmfalken bekannt", sagt Juliane Balmer. Manchmal wechsele ein Paar den Platz. Turmfalken bleiben normalerweise ihr Leben lang zusammen, sie seien "relativ partnertreu", wenn auch nicht ganz so wie Schwäne. Passiert einem der Falkenpartner etwas, suche sich der andere schnell einen neuen Partner beziehungsweise eine Partnerin.

Turmfalken kommen häufig vor

In guten Jahren legen Turmfalken bis zu sieben Eier. In diesem Jahr seien im Ministerium fünf Eier gelegt worden, aus einem ist kein Küken geschlüpft, eines der Küken ist später gestorben. "Das ist nicht ungewöhnlich und ist auch in den vergangenen Jahren vorgekommen", schreibt Tom Wetzling. Bedroht ist die Population nicht. Tom Wetzling: "Der Turmfalke ist nach dem Mäusebussard mit 2.700 bis 3.500 Brutpaaren die zweithäufigste Greifvogelart in Thüringen." Aktuell gäbe es 13 Greifvogelarten in Thüringen, von denen vier (Fischadler, Seeadler, Rotmilan und Wiesenweihe) als gefährdet gelten.

Jedes Jahr im Frühling wird das Nest gesäubert

Ist die Brutzeit vorbei und haben die Eltern ihre Jungen die erste Zeit draußen begleitet, ziehen sie aus der Höhle aus, auch wenn die Turmfalken sich im Winter gelegentlich noch hier unterstellen. Jedes Jahr im Frühling säubert Christian Enders gemeinsam mit dem Hausmeister das Nest. "Da liegen viele Kotreste und Reste von Tieren wie zum Beispiel Knochen, außerdem Federn, oft verklebt mit Kot. Würden wir den Kasten nicht reinigen, würde die Höhle mit der Zeit immer flacher werden" - und irgendwann kein Turmfalke mehr hineinpassen.  

Sie stören niemanden.

Tom Wetzling, Pressesprecher im Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz

Im Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz arbeiten über 200 Menschen. Die Turmfalken "stören hier niemanden", sagt Tom Wetzling. Im Gegenteil: "Als persönliche Erfahrung ist das vielmehr etwas Besonderes, Turmfalken und ihr Brutgeschehen so hautnah und in Echtzeit zu beobachten", mit etwas Glück vielleicht sogar den ersten Flug der Jungtiere.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 01. Juni 2021 | 12:00 Uhr