Vor der StichwahlAfD-Oberbürgermeister in Nordhausen wäre "für Mittelbau-Dora eine Katastrophe"
Nach der Wahl am vergangenen Sonntag in Nordhausen steht fest: Es gibt eine Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt. Neben dem parteilosen Amtsinhaber Kai Buchmann steht AfD-Kandidat Jörg Prophet zur Wahl. Wegen Letzterem macht sich in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora Unruhe breit. Prophet wäre eine Katastrophe für die Gedenkstätte und die Stadt, sagt Stiftungsleiter Jens-Christian Wagner. Etwas anders sieht das Theaterintendant Daniel Klajner, der sich eine unaufgeregtere Diskussion wünscht.
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Wenn am 24. September die Nordhäuser Bürgerinnen und Bürger aufgerufen sind, noch einmal ihre Stimme für einen neuen Oberbürgermeister abzugeben, dann wird diese Stichwahl mit einer gehörigen Anspannung und Nervosität in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora verfolgt. Denn sollte der AfD-Kandidat Jörg Prophet in der Stichwahl erfolgreich sein, hätte das weitreichende Folgen für die Arbeit in der Gedenkstätte.
"Für Mittelbau-Dora und die gesamte Stadt Nordhausen wäre das meines Erachtens eine Katastrophe", sagt Jens-Christian Wagner, der die Gedenkstätte selbst 13 Jahre lang leitete. Inzwischen ist er Leiter der Gesamtstiftung Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora.
Mittelbau-Dora ist mit der Stadt eng verwoben
"Gedenkstättenarbeit macht letzten Endes nur Sinn, wenn sie in ihr gesellschaftliches Umfeld integriert ist", sagt Wagner und verweist auf die Gedenkveranstaltungen in Nordhausen. Hinzu kämen die gemeinsamen Anstrengungen bei der Umgestaltung des Ehrenfriedhofs am Stresemannring, auf dem bis zu 2.600 Opfer aus dem Nationalsozialismus begraben sind.
Über Jahrzehnte hinweg habe die Gedenkstätte mit den Stadtoberhäuptern Nordhausens eng und fast immer auch sehr gut zusammengearbeitet, sagt Wagner. Die Parteizugehörigkeit der jeweiligen Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterinnen sei dabei immer irrelevant gewesen. Auch mit dem parteilosen Kai Buchmann, dem noch amtierenden Oberbürgermeister von Nordhausen und Stichwahl-Kandidaten, habe man gut zusammengearbeitet.
AfD-Politiker Prophet ist in Gedenkstätte nicht willkommen
Mit dem AfD-Mann Jörg Prophet sei eine Kooperation "völlig undenkbar", sagt Wagner und zählt eine ganze Reihe an Gründen auf. "Jörg Prophet ist AfD-Funktionär und gehört damit zu einem Landesverband, der von Björn Höcke geleitet wird und der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird", sagt Wagner. Prophet mache sich allein durch seine Parteimitgliedschaft mit den "geschichtsrevisionistischen, menschenfeindlichen, rassistischen, antisemitischen Äußerungen Höckes" gemein.
Er ist in der Gedenkstätte Mittelbau-Dora nicht willkommen, solange er sich nicht glaubhaft von den extremrechten Positionen seiner Partei distanziert. Und dazu ist er ja ganz offensichtlich nicht bereit.
Jens-Christian Wager, Leiter Gesamtstiftung Gedenkstätte Buchenwald, über AfD-Bewerber Jörg Prophet
Wagner erklärt weiter: "Dann kann man sich die geschichtspolitischen Äußerungen und Handlungen von Herrn Prophet angucken und wird feststellen, dass er bei Weitem nicht so gemäßigt ist, wie er sich selbst versucht darzustellen." Er erinnert an Prophets Treffen mit dem rechtsextremen Compact-Magazin mitten im Wahlkampf.
Auf Einladung des "notorischen Antisemiten" Jürgen Elsässer sei der Nordhäuser Oberbürgermeister-Kandidat hier zwischen "dezidierten Neonazis und sogenannten Reichsbürgern" aufgetreten.
Doch Wagner ist längst nicht fertig: Auch in Nordhausen sei "Prophet einschlägig geschichtspolitisch aufgetreten", habe den Tag der Befreiung am 8. Mai 1945 zum "Tag der Niederlage" verklärt und er bediene sich mit Worten wie "Schuldkult" auch im Jargon von AfD, NPD und radikalen Rechten, so Wagner. Deshalb werde es keinerlei Kooperationen mit Prophet geben, sollte er in Nordhausen zum Bürgermeister gewählt werden. "Wir würden ihn nicht nur nicht einladen, sondern gestatten ihm ganz explizit nicht, an Gedenkstättenveranstaltungen teilzunehmen. Das gilt für Herrn Prophet und andere AfD-Funktionäre schon seit Jahren", so Wagner.
Theater Nordhausen begrüßt jeden Kandidaten
Anders sieht das Daniel Klajner, der Intendant des Theaters Nordhausen, das ähnlich wie die Gedenkstätte Mittelbau-Dora tief in die demokratische Stadtgesellschaft hineinwirkt. "Ich begrüße jeden Kandidaten gern in unserem Haus. Ich freue mich über jeden Austausch, solange sich diese Person an Recht und Gesetz hält", sagt Klajner und mahnt zu mehr Gelassenheit:
"Ich wünsche mir, dass in dieser Sache alle sehr viel unaufgeregter werden. Wir leben in einem Rechtsstaat. Wenn ein Oberbürgermeister das Gesetz bricht, dann liegt es am Rechtsstaat darüber zu urteilen."
Dass Klajner sich diplomatischer äußert als Wagner, ist bei genauer Betrachtung wenig verwunderlich. Während Mittelbau-Dora komplett von Land und Bund finanziert wird, sitzt der Nordhäuser Oberbürgermeister qua Amt im Aufsichtsrat des Theaters. Sollte Prophet gewählt werden, muss Klajner also direkt mit ihm zusammenarbeiten. Prophet wäre sogar sein Vorgesetzter.
Trotzdem würde das Theater Nordhausen kritisch bleiben: "Eine Einflussnahme von der Politik auf den Spielplan ist ausgeschlossen. Dem würde ich als Intendant niemals zustimmen."
Keine Aufführung für rechtsextreme Verwandtschaft
Eine klare rote Linie zieht Klajner auch bei der "rechtsextremen Verwandtschaft" des AfD-Kandidaten. "Sollte er versuchen, mit Rechtsextremisten in mein Haus kommen, dann sind wir raus. Da machen wir nicht mit. Als Person hat er sich nichts zu Schulden kommen lassen, aber ein Teil seiner Verwandtschaft ist bei uns nicht willkommen", sagt Klajner. Er sei überzeugt, dass nicht alle in der AfD Nazis oder Rechtsextreme sind. "Das Problem ist vielmehr, dass diese in der Partei toleriert werden."
Das sagen unsere User:
Erna warf Wagner "große Voreingenommenheit" vor. "Man sollte erst einmal miteinander reden und nicht von Interviews oder Parteizugehörigkeit auf eine Person schließen", sekundiert von Kleingartenzwerg mit "Wer Menschen ausgrenzt, die sich gesetzeskonform verhalten, kann es mit der Demokratie nicht so ernst meinen." Dagegen verwies Mattotaupa darauf, dass eine Wahrung von Hausrecht kein Ausgrenzen sei und sah schon eine Verbindung zwischen Person und Partei, denn Prophet sei Kandidat seiner Partei und nicht Parteiloser ohne Parteiunterstützung. "Damit macht er sich insbesondere in Thüringen mit Aussagen gemein, dass Hitler nicht absolut böse sei." Er trage damit auch bewusst zweideutige Formulierungen mit wie "Denkmal der Schande" oder "ausschwitzen".
Unabhängig von der Partei argumentierte Orwell_1984: "Wenn ein Oberbürgermeister mit der Mehrheit der Stimmen gewählt wird und sich an Recht und Gesetz hält, dann sollte man ihm auch den nötigen Respekt und das nötige Vertrauen zollen, auch wenn man nicht seine Werte und seine Meinung teilt." Die Direktantwort von Erichs Rache dazu: "Vielleicht hat Herr Wagner sich damit beschäftigt, was Herr Prophet so von sich gibt. Das ist nämlich nicht nur peinlich." Mehrere User verwiesen in diesem Zusammenhang auf Prophets Besuch beim als rechtsextem eingestuften Magazin Compact.
Gucker kritisierte grundsätzlich, dass Wagner sich zum Thema äußerte: Er solle sich als Leiter der Gedenkstätte "wohl besser etwas mäßigen, er kritisiert hier offen ein demokratisches Wahlergebnis." Dem entgegnete Horst sarkastisch: "Manch einer meint ja, das zu machen ist in einer Demokratie kein Problem. So freie Meinungsäußerung aka "das wird man wohl noch sagen dürfen"." Einen Blick voraus versuchte Peter mit "Man darf gespannt sein, wie ein möglicher AfD-Bürgermeister Prophet reagiert, wenn auf der nächsten Feier zur Befreiung des KZ Mittelbau-Dora im Frühjahr einer der überlebenden Häftlinge die Zunahme von Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Angriffe gegen Minderheiten in Deutschland anprangert und dabei die AfD als geistigen Brandstifter nennt", dem Denkender Bürger entgegenhielt: "Auch wenn viele das nicht glauben wollen: Die Welt würde davon nicht untergehen."
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MDR (ask)
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | THÜRINGEN JOURNAL | 10. September 2023 | 19:00 Uhr
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