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GedenkenHerzensbäume für verstorbene Kinder: Wie Eltern in Gera trauern

06. November 2022, 16:44 Uhr

Eltern haben ihre Kinder verloren, Brüder ihre Schwestern, Großeltern ihre Enkel - oft bei Verkehrsunfällen. Seit 2018 gibt es am Rand eines Wohngebietes in Gera einen Herzenswald. Dort können sie alle einen Baum für die Verstorbenen pflanzen und trauern.

von Andreas Dreißel, MDR THÜRINGEN

Ein kleiner Weg am Rand eines Wohngebietes: Nach etwa 100 Metern beginnt eine lange Reihe junger Bäume. Beim Näherkommen sehen Spaziergänger an jedem der Bäume kleine Herzen, Blumen oder Namensschilder. Hier stehen seit 2018 sogenannte Herzensbäume. 35 Bäume wurden bisher gepflanzt.

Es sind viele Menschen an diesen Ort gekommen. Sie alle eint ein trauriges Schicksal. Eltern haben ihre Kinder verloren, Schwestern ihre Brüder, Brüder ihre Schwestern. Am oberen Rand des Platzes stehen sechs Bäume in frischer Erde. Sechs Bäume, sechs Geschichten von Verlust, aber auch von schönen Erinnerungen.

Auch Andrea Hempel und Frank Pöschel sind hier. Sie haben einen Baum für ihren Sohn Florian gepflanzt. Er kam vor ziemlich genau einem Jahr bei einem Verkehrsunfall ums Leben - mit gerade mal 19 Jahren. Den beiden fällt es sichtbar schwer, über den Verlust zu sprechen, aber hier fühlen sie sich gut aufgehoben.

Alle eint ein trauriges Schicksal

In dieser Gemeinschaft teilen alle das gleiche Schicksal. "Wir haben für Florian eine Linde gepflanzt", sagt Frank Pöschel. "Im Garten der Großeltern steht eine, und auch bei uns zu Hause." Und Andrea Hempel ergänzt. "So wird immer etwas da sein, das an ihn erinnert, selbst wenn auch wir nicht mehr sind."

So wird immer etwas da sein, das an Florian erinnert, selbst wenn auch wir nicht mehr sind.

Andrea Hempel und Frank Pöschel | Um ihren verstorbenen Sohn trauernde Eltern

Schon 2007 gründeten Cornelia und Holger Günther in Gera die Regionalstelle für verwaiste Eltern und trauernde Geschwister. Sie brachten ihre Erfahrungen in die Gruppe mit ein.

Regelmäßige Treffen mit anderen Trauernden

Auch ihr Sohn Christoph starb bei einem Verkehrsunfall, mit 21 Jahren, wie die beiden erzählen. Seitdem treffen sie sich regelmäßig mit anderen Trauernden, auch hier im Herzenswald. Sie wissen: Gerade vor Weihnachten ist es für die Hinterbliebenen sehr schwer.

Während nach der Beerdigung eines Verstorbenen für alle anderen irgendwann das normale Leben weitergeht, ist für Eltern und Geschwister eines verstorbenen Kindes nichts mehr, wie es war.

In der Gruppe fühlen sich Eltern verstanden

Manche trauern auch nach Jahren noch wie am ersten Tag über den Verlust. "Oft schlägt einem da Unverständnis entgegen", sagt Frank Pöschel. In der Gruppe fühlen sie sich verstanden. Im Herzenswald können sie sich in den Arm nehmen, gemeinsam weinen. Besonders für die, deren Verlust noch ganz frisch ist, sei es wichtig, hier aufgefangen zu werden.

Der Herzenswald ist seit 2018 nicht nur Treffpunkt. Hier feiern die Eltern und Geschwister auch die Geburtstage der verstorbenen Kinder. Hier sitzen sie zusammen und halten die Erinnerung an schöne Erlebnisse lebendig. Und lachen gemeinsam. "Auch das gehört zur Trauer", sagt Frank Pöschel. "Dann wissen wir, unser Sohn wird nicht vergessen."

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MDR (co)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 05. November 2022 | 19:00 Uhr

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