30 VerhandlungstageProzess gegen dealende Neonazis: Führende "Turonen" auf der Anklagebank in Gera
Vor dem Landgericht Gera hat am Montag der Prozess gegen zwei mutmaßliche Drogenhändler begonnen. Sie sollen kiloweise Drogen mit Hilfe von Kryptohandys verkauft haben und werden der rechtsextremen "Bruderschaft Thüringen" zugerechnet.
Zwei Männer müssen sich vor dem Landgericht Gera wegen Drogen- und Waffenhandels verantworten. Die für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zuständige Staatsanwaltschaft in Gera wirft den beiden mehr als 50 Einzeltaten vor. Die beiden Rechtsextremisten sollen vor allem mit Crystal Meth, Marihuana und Kokain im Wert von mehr als einer Million Euro in Saalfeld und Umgebung gehandelt haben.
Dabei gehörten sie offenbar zu einem großen rechtsextremen Drogenkartell, das sich selbst "Bruderschaft Thüringen" oder "Turonen" nannte. Einer der beiden Angeklagten gilt sogar als der Präsident der Bande.
Angeklagte entstammen der Führungsriege
Mit Steffen R. und Markus B. sitzen nun zwei Rechtsextremisten auf der Anklagebank, die zum engsten Führungszirkel der sogenannten "Bruderschaft Thüringen" gehörten. Steffen R. war nicht nur Gründungsmitglied, sondern scheinbar auch Präsident der rechtsextremen Bruderschaft. Die Bande organisierte vor allem Rechtsrock-Festivals, bei denen bis zu 6.000 Neonazis zusammenkamen.
Irgendwann im Jahr 2020 beschlossen die Rechtsextremisten wohl, auch groß in den Drogenhandel einzusteigen. Dafür nutzten sie ihre hervorragenden Kontakte im rechtsextremen oder Rocker-Milieu, aber auch ihr martialisches Auftreten. Das ließ offenbar so manch einen Konkurrenten oder alteingesessenen Drogenhändler zurückschrecken oder die Flucht ergreifen.
Rockerclubs als Vorbild
Die "Turonen", wie sich die Bandenmitglieder nannten, kopierten das Erscheinungsbild der Rockerclubs: mit Lederkutte und aufgenähten Logos. Ihre Unterstützer nannten sich "Garde 20" - nach dem 20. Buchstaben: das T, wie Turonen. Die "Turonen" galten als äußerst gewaltbereit. Ihre Brutalität stellten einige von ihnen schon beim blutigen Überfall auf die Kirmesgesellschaft von Ballstädt 2014 unter Beweis.
Zehn Menschen wurden damals zum Teil schwer verletzt. Auch der nun angeklagte Markus B. war damals am Überfall beteiligt.
Anfangs sollen die "Turonen", die in Gotha ein eigenes Clubhaus mit Sportraum sowie mindestens ein Bordell betrieben hatten, die Drogen von einem Rechtsextremisten aus Aachen bekommen haben, um sie in Thüringen weiterzuverkaufen. Später ließen sie sich von einem Mitglied des Rockerclubs "Bandidos" aus Gera versorgen. Das ging so lange gut, bis das Landeskriminalamt im Februar 2021 das mutmaßliche Drogenkartell zerschlug. Seit Sommer 2022 müssen sich acht Mitglieder am Landgericht Erfurt verantworten.
Konspirative Drogendeals
Steffen R. und Markus B. blieben ungeschoren. Und dealten offenbar einfach weiter - nicht mehr von Gotha aus, sondern im Raum Saalfeld-Rudolstadt. Die Drogen sollen sie sich auch von einer albanisch dominierten Bande besorgt haben - heißt es in der Anklage. Das Geld aus dem Drogenhandel sollen sie - so die Staatsanwaltschaft - für sich selbst, aber auch zur Finanzierung rechtsextremer Konzerte, rechtsextremistisch gesinnter Parteien und der eigenen "Bruderschaft" genutzt haben.
Scheinbar problemlos hatten sich die "Turonen" innerhalb weniger Monate im Thüringer Drogenmilieu festgesetzt: aus rechtsextremen Festivalveranstalter waren mutmaßliche rechtsextreme Drogendealer geworden.
Sie fühlten sich sicher: auch weil sie sogenannte Kryptohandys nutzten, die als abhörsicher galten. Alle Kryptohandy-Anbieter, von EncroChat, über SkyECC bis Anom, kamen bei den Rechtsextremisten zum Einsatz. Allein Steffen R. und Markus B. sollen Drogen im Wert von 1,3 Millionen Euro gehandelt haben.
Mitte Juni 2022 schlug das Landeskriminalamt erneut zu: wieder ging es gegen die "Turonen" - nur diesmal wurden auch Steffen R. und Markus B., sowie acht weitere Mitglieder und Unterstützer, mutmaßliche Dealer und Geldwäscher der Bande festgenommen oder deren Häuser und Betriebe durchsucht. Ein Mitglied der "Garde 20" wurde sogar in seinem Griechenland-Urlaub festgenommen - später wurde er aber freigesprochen. Die Taten konnten ihm nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.
Kontakte zum NSU-Umfeld
Steffen R. pflegte noch dazu beste Kontakte zum NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben. Auch Wohlleben war offenbar für die "Bruderschaft" tätig - zumindest erhielt er regelmäßige Zahlungen von einem der Hauptangeklagten am Landgericht Erfurt. Auch bei Ralf Wohlleben wurde damals in Sachsen-Anhalt durchsucht.
Wahrscheinlich ist es nur ein Zufall, dass offenbar unter den drei Waffen, mit denen Markus B. gehandelt haben soll, auch eine Pistole Ceska war. Mit einer Waffe dieser Marke mordete der "Nationalsozialistische Untergrund" über Jahre unerkannt Migranten in Deutschland.
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MDR (dst)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 12. Juni 2023 | 10:00 Uhr