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"Die Hundekot-Attacke" ist eine Koproduktion des Theaterhauses Jena mit dem niederländischen Theaterkollektiv Wunderbaum - und jetzt zum Berliner Theatertreffen 2024 geladen Bildrechte: Joachim Dette

Top Ten der Saison"Die Hundekot-Attacke": Jenaer Inszenierung jetzt beim Theatertreffen

02. Mai 2024, 05:06 Uhr

Am Donnerstag startet das Berliner Theatertreffen. Dorthin schaffen es nur die zehn besten aktuellen Inszenierungen aus dem deutschsprachigen Raum. "Die Hundekot-Attacke" vom Theaterhaus Jena ist mit dabei. Die Nominierung war wie ein Ritterschlag und sorgte für Jubel in Thüringen. Das Konzept, mit dem reißerischen Stück-Titel die überregionale Presse in die Provinz zu locken, ging auf. Die Jury war voll des Lobes – und verspricht für die Festival-Ausgabe 2024 Theater im "Jetztzeit-Modus".

  • Das Theaterhaus Jena zeigt jetzt die Inszenierung "Die Hundekot-Attacke" beim Berliner Theatertreffen, das am 2. Mai beginnt.
  • Die Freude über die Einladung war groß, das Stück bekam viel Lob und Ende März auch noch den 3sat-Theaterpreis zuerkannt.
  • Beim Gipfeltreffen der deutschsprachigen Bühnen werden bis 20. Mai zehn Stücke gezeigt. Los geht es mit "Nathan der Weise", einer Produktion der Salzburger Festspiele. Drei sind in der Mediathek zu sehen

Am 2. Mai startet das renommierte Berliner Theatertreffen. Zu sehen sein wird dabei erstmals eine Inszenierung vom Theaterhaus Jena. "Die Hundekot-Attacke" wählten die sieben Kritikerinnen und Kritiker der Jury "unter die zehn bemerkenswerten Inszenierungen". 690 Produktionen des deutschsprachigen Theaters in Deutschland, Österreich und der Schweiz hatten sie für ihre Auswahl in 82 Städten bis Mitte Januar 2024 gesichtet.

"Die Hundekot-Attacke": Charmante Analyse des Kunst-Betriebs

Dass die Jenaer Theatermacher mit "Die Hundekot-Attacke" eingeladen wurden, verdanken sie wohl auch dem reißerischen Titel ihres Stücks. Damit spielen sie an auf den fäkalen Racheakt eines Choreografen der Staatsoper Hannover an einer Tanz-Kritikerin, der im Februar 2023 Schlagzeilen machte. So sei es den Theatermachern aus Jena gelungen, endlich auch die überregionale Presse in die Provinz zu locken, gestand Jurorin Katrin Ullmann zur Nominierung. Dabei sei der Fäkalien-Angriff nur der Anlass, um Kunstbetrieb, Geniekult und Machtstrukturen im Theater zu hinterfragen, so Ullmann.

Ein charmanter, hinreißender Abend, in dem natürlich ein Dackel eine Rolle spielt, ein Choreograf und eine Kritikerin.

Katrin Ullmann, Jurorin des Berliner Theatertreffens

Dabei spiele das Ensemble mit Klischees, Fakten und Fiktion und auch "mit Schauspieler*innen-Eitelkeiten, Kritiker*innen-Hoheiten und mutmaßlich Privatem." Die pseudodokumentarische Inszenierung sei "selbstironisch", "klug" und den "emotionalen wie demokratischen Achterbahnfahrten eines Kollektivs entstanden". So biete die Inszenierung einem "charmanten, hinreißenden Abend", in dem "natürlich ein Dackel eine Rolle spielt, ein Choreograf und eine Kritikerin."

Der Titel "Die Hundekot-Attacke" erweckt nach dem skandalträchtigen Angriff auf eine Kritikerin mit dem erwähnten Exkrement Interesse. Das Stück ist aber keine Nachstellung der Ereignisse. Bildrechte: Joachim Dette

Freude über den "Ritterschlag" in Jena

Am Jenaer Theater war die Freude über die Nominierung im Januar groß. Dramaturgin Hannah Baumann, die maßgeblich an der Inszenierung beteiligt war, sagte MDR KULTUR: "Das gesamte Team ist unglaublich stolz!" Das Theaterhaus Jena sei erstmals überhaupt eingeladen. Alle Beteiligten seien auch dem gesamten Haus dankbar, "weil wir nur in diesem unglaublich tollen Strukturen, in denen wir kollektiv miteinander arbeiten, solche Ergebnisse erzielen können".

Das gesamte Team ist unglaublich stolz!

Dramaturgin Hannah Baumann zur Einladung des Berliner Theatertreffens

Lob von Kritikern nach Premiere und 3sat-Theaterpreis

Das Stück feierte im Oktober seine erfolgreiche Premiere. MDR KULTUR-Theaterkritiker Wolfgang Schilling war damals schon überzeugt, mit dem Stück agiere die kleine Jenaer Truppe auf Augenhöhe mit all den großen Häusern.

Das Theaterhaus Jena ist 2023 auch mit dem Theaterpreis des Bundes ausgezeichnet worden. Bildrechte: Joachim Dette

Zur besonderen Arbeitsweise am Theaterhaus Jena erklärte Stefan Petraschewsky, Theaterredakteur von MDR KULTUR, alle fünf Jahre wechsele dort die künstlerische Leitung. Derzeit agiere das Künstlerkollektiv Wunderbaum aus den Niederlanden, das sehr viel Stücke selber entwickele. Darunter auch solche, die sich mit regionaler Kultur in Thüringen beschäftigten: "mit der Wartburg, mit der Thüringer Bratwurst, mit dem Dorfleben". "Es war immer eine gelungene Mischung aus Politischem Theater, Gesellschaftskritik, mit viel Witz serviert." Bisher habe es für Jena nicht so viel Aufmerksamkeit wie für Berlin, München oder Wien gegeben. Dies habe sich mit der Einladung zum Berliner Theatertreffen endlich geändert, so Stefan Petraschewsky.

Eine überraschend kreative Nabelschau, herausragend gespielt.

Stefan Petraschewsky, Theaterredakteur von MDR KULTUR

Damit sei das Kalkül der Truppe Wunderbaum aufgegangen. Mit dem Titel "Die Hundekot-Attacke" habe das Theaterhaus maximale Aufmerksamkeit bekommen. Im Stück kommen zunächst sechs Schauspieler und Schauspielerinnen auf die Bühne und beichten, dass sie mit der Stückentwicklung komplett gescheitert seien. "Und plötzlich ist das Ganze dann ein sehr gut gemachtes Stück übers Theatermachen in der Provinz, Differenzen im Ensemble, das Sein als Schauspieler und über mediale Aufmerksamkeit." Dies sei eine überraschend kreative Nabelschau und "eine tolle Idee, herausragend gespielt", so Stefan Petraschewsky. 2023 wurde das Theaterhaus Jena auch mit dem Theaterpreis des Bundes ausgezeichnet. Die Jury lobte dabei auch, wie das Theater die Stadtbevölkerung in seine Stücke integriert.

Ende März wurde bekannt, dass der 3sat-Theaterpreis ebenfalls nach Jena geht. Verliehen wird die Auszeichnung traditionell beim Berliner Theatertreffen. Verliehen wird die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung an Pina Bergemann, Nikita Buldyrski, Henrike Commichau, Linde Dercon, Leon Pfannenmüller, Anna K. Seidel, Walter Bart (Regie) und Hannah Baumann (Dramaturgie) für die kollektive Autor*innenschaft.

Gipfeltreffen deutschsprachiger Bühnen im "Jetztteit-Modus"

Eröffnet wird das 61. Berliner Theatertreffen am Donnerstag mit Lessings "Nathan der Weise", einer Produktion der Salzburger Festspiele. Bis zum 20. Mai sind dann die eingeladenen Inszenierungen von Theaterschaffenden "von Hamburg bis Zürich, von Bochum bis Jena" zu sehen, darunter laut Jury literarische Klassiker ebenso wie genresprengende Formate im "Jetztzeit-Modus". Zwei Mal ist die Berliner Schaubühne mit dem Musical-Requiem "Bucket List" von Yael Ronen und "The Silence" von Falk Richter vertreten. Mit "Bucket List", "Macbeth" aus Bochum und "Laios" aus Hamburg sind in der 3sat-Mediathek drei der zehn bemerkenswerten Inszenierungen online zu sehen.

Das Berliner Theatertreffen gilt als Gipfeltreffen der deutschsprachigen Bühnen. Neue Leiterin ist Nora Hertlein-Hull. Geplant sind neben den Aufführungen auch Diskussionen oder Nachtgespräche mit dem Publikum, eine Lecture Performance mit Luisa Neubauer und dem Ensemble Resonanz, die Konferenz "Burning Issues" und die Verleihung des Berliner Theaterpreises an die Dramaturgin, Kuratorin und Intendantin Nele Hertling. Mit dem Hebbel-Theater, aus dem später das HAU hervorging, etablierte sie laut Jury eines der bedeutendsten internationalen Produktionshäuser in Europa.

Alle Inszenierungen des Berliner Theatertreffens 2024

"Die Vaterlosen"
Münchner Kammerspiele
Regie: Jette Steckel

"Riesenhaft in Mittelerde"
Schauspielhaus Zürich
Regie: Nicolas Stemann, Stephan Stock, Florian Loycke, Der Cora Frost

"Bucket List"
Schaubühne Berlin
Regie: Yael Ronen 

"Macbeth"
Schauspielhaus Bochum
Regie: Johan Simons

"Anthropolis II: Laios"
Schauspielhaus Hamburg
Regie: Karin Beier

"The Silence"
Schaubühne Berlin
Regie: Falk Richter

"Übergewicht, unwichtig: Unform"
Staatsschauspiel Nürnberg
Regie: Rieke Süßkow

"Extra Life"
Ruhrtriennale 2023
Regie: Gisèle Vienne

"Nathan der Weise"
Salzburger Festspiele
Regie: Ulrich Rasche

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | Kultur kompakt - MDR Kulturnachrichten | 26. Januar 2024 | 12:30 Uhr